Wirtschaftslage. Quelle: FAZ 09. Dezember 2008 Die meisten Menschen beurteilen die Zukunft nach der Vergangenheit. das ist auch nicht verwunderlich, bietet doch nur sie Anhaltspunkte und Erfahrungswerte, die dann extrapoliert werden können. Aus der reinen Theorie Prognosen abzuleiten, ist ungleich schwerer, besonders wenn Fachkenntnisse nicht vorhanden sind und besonders wenn es sich um wirtschaftliche Sachverhalte handelt. Denn auch wenn eine schwache Wirtschaftsprognose die nächste jagt, ja selbst die Bundesregierung auf ein düsteres Jahr 2009 einstimmt, so zeigen sich die Anleger dennoch optimistischer als man erwarten möchte. Noch ist nichts passiert Vielleicht ist es auch ein wenig der Gewöhnung an die Krise zu verdanken - gleich dem Fensterputzer der nach seinem Absturz im 60. Stockwerk an jedem Fenster sagte: „Noch ist nichts passiert“. Denn trotz der ersten Zeichen einer Wirtschaftskrise hat sich die Stimmung unter den Anlegern nach einer Anfang November durchgeführten Umfrage der Fondsgesellschaft Union Invest im Vergleich zum Vorquartal verbessert. 
Mit Blick auf die Gesamtwirtschaft rechneten zwar 68 Prozent der mehr als 8.000 Befragten mit einer Verschlechterung, so viele wie seit dem vierten Quartal 2002 nicht mehr, als es 73 Prozent waren. Um so erstaunlicher findet es auch die Fondsgesellschaft dann, dass lediglich 22 Prozent der Befragten negative Folgen für die eigene finanzielle Situation befürchtet, wie auch zum vorangegangenen Umfragezeitpunkt vor drei Monaten. Jeder Fünfte rechnet gar mit einer Verbesserung. Die Kluft zwischen der Einschätzung der allgemeinen wirtschaftlichen und der persönlichen Lage war seit Beginn der Befragung Anfang des Jahres 2001 noch nie so groß. „Die Finanzkrise scheint in der Realwirtschaft angekommen zu sein, nicht jedoch in den privaten Haushalten“, sagt Hans Joachim Reinke, Mitglied des Vorstands der Union Asset Management. 
Anleger optimistischer Einen Hinweis, warum mehr Optimismus als erwartet herrscht und sich dieser sogar in den vergangen Monaten vergrößert hat, liefert die Einschätzung des Aktienmarktes. 43 Prozent der Befragten erwarten steigende Aktienkurse in den kommenden sechs Monaten. Das sind 19 Prozentpunkte mehr als im dritten Quartal. Und nur noch 34 Prozent glauben an einen Abwärtstrend. Im Vorquartal waren es 42 Prozent. Das ist insofern nachzuvollziehen, als in diesem Zeitraum der Dax um rund 30 Prozent gefallen ist. So ganz ohne Wirkung bleibt die schlechte Nachrichtenlage dennoch nicht: Der Anteil derer, der an stark fallende Kurse glaubt, hat sich mit 13 Prozent gegenüber dem Vorquartal mehr als verdoppelt. Und so sind nur noch 18 Prozent der Befragten von einer Seitwärtsbewegung der Märkte überzeugt - so wenige wie nie zuvor seit Beginn der Befragung Anfang des Jahres 2001. 
Besonnenheit oder Leicht-Sinn? 52 Prozent der Aktien- und Aktienfondsbesitzern äußern mittlerweile Kaufabsichten. Das sind 16 Prozentpunkte mehr als ein Quartal zuvor. Konsequent sind die Anleger jedoch nicht: Aktien- und Fondsbesitzer beurteilen die wirtschaftliche Entwicklung ähnlich negativ wie die Gesamtheit. Insgesamt lassen sich die Umfrageergebnisse so interpretieren: Jeder stimmt akademisch den schwachen Prognosen zu, hofft - und geht auch davon aus- selbst davon zu kommen, ja sogar gegebenenfalls von der Krise zu profitieren. Darin kommt ein unverwüstlicher Optimismus zum Ausdruck, der seine zwei Seiten hat. 
Einerseits ist es positiv, wenn sich nicht alle ins Bockshorn jagen lassen. Andererseits lässt sich die Frage stellen, ob nach der positiven Entwicklung der vergangenen Jahre nicht auch ein gewisser Leicht-Sinn Einzug gehalten hat. Es ist ähnlich wie mit Umfragen vor Wahlen und den tatsächlichen Ergebnissen: Das eine muss mit dem anderen nichts zu tun haben.
Text: hlr. Bildmaterial: Union Invest, Union Invest
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