AUTOPAPST. Er ist angesehen, schillernd und auch streitbar - jedenfalls ein absoluter Kenner der Autobranche. Der investor bat den deutschen Professor Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen zum Interview. Darin nahm er sich kein Blatt vor den Mund.
Herr Professor, Sie kommen gerade von der Frankfurter Automesse IAA. Wie ist dort die Stimmung?
FERDINAND DUDENHÖFFER: Sagen wir so: Die Hersteller sind ein wenig sensibler geworden. Vor 14 Tagen herrschte ja noch absolute Hochstimmung, niemand wollte auch nur irgendeine Krise wahrhaben. Jetzt sagen sie, sie beobachten den Markt, obwohl natürlich das operative Geschäft nach wie vor gut läuft.
Trotzdem hat man beinahe zwangsläufig ein Déjà-vu: Während die Börsen krachen, sehen die Industriekapitäne noch kaum Wolken am Himmel. Wird 's auch jetzt ein böses Erwachen mit Rezession geben?
Die Situation ist tatsächlich ähnlich wie damals. Wir haben unsere Prognosen vor Kurzem auch bereits gesenkt. Übrigens als erste, alle anderen prognostizieren noch immer Wachstum. Wir haben jetzt einmal Stagnation in Aussicht gestellt, also einen weltweiten Autoabsatz von rund 60 Millionen Stück. Wir wollen nicht gleich die ganze Welt untergehen lassen.
Aber rundum braut sich doch viel zusammen-Stichwort Schuldenkrise oder negative Frühindikatoren...
In der Tat. Ich sehe auch keine Lösung für die Euro-Krise. Vielleicht kaufen ja die Chinesen diese völlig substanz-und wertlosen Papiere. Insgesamt fürchte ich, dass die Finanzsorgen sogar noch größer sind als bei der Lehman-Pleite.
Und rein konjunkturell? Wie schätzen Sie die großen Märkte ein, vor allem den Wachstumsmotor China?
Europa ist und bleibt schwierig und für die USA erwarten wir jetzt auch einen leichten Rückgang. Der chinesische Markt sollte um etwa fünf Prozent, also 600.000 Fahrzeuge, wachsen. Mehr geht nicht wegen der Inflation, sonst platzt dort noch eine Blase...
... was manche kommen sehen und gerade für die Autoindustrie fatal wäre. Wie realistisch ist diese Gefahr?
Man kann es natürlich nicht ausschließen. Aber die können gut eingreifen. Die sperren alle ein und schießen sie tot, die auch nur von einer Blase sprechen. Der Staat kann in so einem kommunistischen Land viel steuern und abfangen, auch Staatsaufträge rausnehmen und dafür sorgen, dass die Wirtschaft nicht überhitzt.
Langfristig bleibt die China-Story und damit auch die Wachstumsfantasie der Autoindustrie aber intakt?
Absolut. Während in Westeuropa auf tausend Einwohner 550 Pkw entfallen, besitzen von tausend Chinesen gerade einmal 30 ein Auto. Das zeugt von einem Riesen-Potenzial. Wir erwarten für 2025 in China einen Absatz von 30 Millionen Stück, das ist dann etwa so viel wie Westeuropa, USA und Japan zusammen!
Womit in der Branche kein Stein auf dem anderen bleibt...
China ist schon jetzt das Zentrum der Autoindustrie. Wenn die Deutschen, etwa der Branchenverband VDA, meinen, die IAA sei die weltgrößte Automesse, dann kann ich nur sagen, das sind Träumer. In China gibt es schon jetzt viel größere. Und wenn sich BWM, VW oder Daimler entscheiden müssten, dass sie nur an einem Autosalon ausstellen dürften, dann wäre das mit Sicherheit in China. Darüber hinaus werden die Chinesen aber zu uns kommen und bei den etablierten Herstellern dieser Welt einsteigen. Sie haben das Geld, sie wollen exportieren und geben sich sicher nicht mit der Versorgung ihres Heimmarkts zufrieden. Das entspricht nicht der asiatischen Mentalität. Die Japaner exportieren auch schon mehr als doppelt so viel. Und Hyundai gibt sich auch nicht mit dem koreanischen Markt zufrieden.
Japaner wie Koreaner wurden freilich am Anfang, als sie nach Europa kamen, genauso belächelt wie jetzt die Chinesen. Auch hier ein Déjà-vu?
Sicher, die Chinesen werden genauso besser. Und im Unterschied zu den Japanern bauen sie sich das nicht selbst auf, sondern via Joint Ventures mit westlichen Herstellern. Auf Dauer werden sie sich damit aber nicht zufrieden geben. Für die Industrie ist das eine Riesen-Chance, wenn die Chinesen so wie einst die Ölscheichs mit ihren Petro-Dollars mit ihren "Yuan-Dollars" winken. Man braucht nicht glauben, dass GM immer amerikanisch bleibt oder etwa BMW immer deutsch. Bei VW könnte es allerdings schwierig werden.
Warum das?
Die haben mit dem Land Niedersachsen und der Familie Porsche/Piëch von der Eigentümerstruktur her einen strategischen Nachteil. Was glauben Sie, was bei VW, wo auch die Gewerkschaften so mächtig sind, los ist, wenn Kapazitäten nach China abgezogen werden. Ihr Joint Venture-Modell ist aber auf Dauer auch nichts.
Wem geben Sie sonst strategisch gute bzw. schlechte Karten? Wohin geht der Trend: Noch mehr Konsolidierung getreu dem Motto "Fressen oder gefressen werden"?
Es gibt zwei Tendenzen: Manche bauen sich wie eben VW ein Riesenteil auf, andere arbeiten mit Kooperationen wie etwa BMW. Letzteres erscheint mir erfolgversprechender. BMW macht mehr Gewinn pro Auto als Audi, obwohl die ja im Konzern Kostenvorteile haben. Dafür erspart sich BMW so einen komplizierten Laden und ist flexibel. Größe kann auch gefährlich sein, sonst würde GM ja schon alles dominieren. BMW oder eben auch PSA (Peugeot Citroën; Anm. d. Red.) sind dagegen wahre Weltmeister im Kooperieren, auch Daimler. Ansonsten entwickelt sich Ford gut, auch Hyundai/Kia ist gut unterwegs. GM hat große China-Fantasie, die Amerikaner werden Chinesen auch mit Freude einsteigen lassen. Auch Tata hat eine Zukunft und Suzuki soll man nicht abschreiben. Toyota wiederum ist eine Comeback-Wette. Honda und Mitsubishi hängen derzeit ein wenig in der Luft.
Kritisch sehe ich Fiat, die von der Größe her irgendwo dazwischen liegen, und Renault, wo Carlos Ghosn seit dem Nissan-Einstieg nichts mehr weitergebracht hat. Stattdessen gibt 's jetzt den Infiniti-Flop und vor allem hat sich Ghosn beim Elektro-Auto verspekuliert. Er hat geglaubt, das wird ein Massenprodukt und wie kein anderer investiert. Tatsächlich aber gehört die Zukunft Hybrid-Varianten mit erweiterter Reichweite, wie etwa dem Opel Ampera. Bei VW wiederum orte ich neben der suboptimalen Eigentümerstruktur auch Management-Fehler, eine gewisse Großmannsucht. Siehe Suzuki, wo man zuerst von Kooperation sprach, dann aber den Partner übernehmen wollte. Das darf man nicht machen. Kooperationspartner müssen gleichberechtigt sein. Auch bei Porsche hat man viel falsch gemacht. Und aktuell scheint mir VW am unvorsichtigsten, Risiken werden unterschätzt, stattdessen weiter expandiert.
Was für ein Auto fahren Sie eigentlich privat?
Derzeit einen 3er BMW und einen Ford Kuga. Ich wechsle aber alle zwei bis drei Jahre bewusst auch die Marke, um ja keinen zu bevorzugen. Und ich kauf' mir meine Autos immer selbst, um ja keine schlechte Nachrede zu haben. Allerdings muss ich mich natürlich immer mit meiner Frau arrangieren...
Was sind neben CO 2-Thematik die großen Trends auf der Produktseite?
Das ist einerseits die Vielfalt, mehr Modelle und Individualität. Andererseits das Thema Sicherheit, etwa teilautonomes Fahren-es gibt ja schon Autos, die vollkommen selbstständig einparken. Dieser Trend ergibt sich allein aus der alternden Bevölkerung in vielen Märkten. Wir gehen in den 100-jährigen Fahrer rein! Der fährt vielleicht weniger, zahlt aber umso mehr für Ausstattung und Sicherheitsfeatures.
http://www.wirtschaftsblatt.at/archiv/...-das-zentrum-489440/index.do ----------- Die Gedanken hier geben nur meine Meinung wider. Sprecht mit eurem Finanzberater darüber...
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