27.03.2009 , 10:22 Uhr Dieter Ammer Bremer Sturkopf von Martin Murphy und Mark C. Schneider
Die Brauerei Beck hat er teuer verkauft, für Tchibo die Ertragsperle Beiersdorf erobert. Wirtschaftsveteran Dieter Ammer könnte sich auf seinen Meriten ausruhen. Stattdessen plagt er sich als Unternehmer mit der turbulenten Restrukturierung des Solarkonzerns Con. Nach Bier und Kaffee will Dieter Ammer nun in der Solarbranche erfolgreich sein. Quelle: dpaLupe
Nach Bier und Kaffee will Dieter Ammer nun in der Solarbranche erfolgreich sein. Quelle: dpa
FRANKFURT/HAMBURG. Warum macht der Mann das bloß? Die Frage stellen sich nicht nur Freunde, Dieter Ammer stellt sie sich auch selbst: Warum tue ich mir das an? Nötig hätte der 58-Jährige es nicht – trotz eines durchaus ordentlich dimensionierten Egos.
Seit Ende 2007 restrukturiert er die angeschlagene Solarfirma Conergy. Statt heute wie geplant den Jahresabschluss vorzulegen, hat das Unternehmen die Veröffentlichung gestern Knall auf Fall verschoben, da die seit Wochen laufenden Verhandlungen mit einem wichtigen Lieferanten kein Ende finden. Der Ausgang sei aber wesentlich für das Jahresergebnis, sagen die Hamburger. Wird man sich einig, profitiert Conergy – wenn nicht, erleidet Ammers Rosskur einen Rückschlag.
Niederlagen ist er eigentlich nicht gewohnt. In den mehr als drei Jahrzehnten seines Berufslebens hat Ammer vier erfolgreiche Kapitel vorzuweisen: Der hochgewachsene Bremer war internationaler Partner der heute in alle Winde verstreuten Wirtschaftsprüfer von Arthur Andersen und Vorstandschef von Nordzucker in Braunschweig. Danach Boss der Bremer Brauerei Beck, die er 2002 an den belgischen Biergiganten Interbrew verkaufte, und bis 2007 Chef des Hamburger Kaffeerösters und Universalhändlers Tchibo, für den er die Ertragsperle Beiersdorf einheimste.
Genug für ein erfülltes Managerleben – sollte man meinen. Doch vor elf Jahren begann die zweite, viel abenteuerlichere Karriere des Dieter Ammer, als er mit seinem damaligen Verbündeten Hans-Martin Rüter die Conergy AG ins Leben rief.
Das Start-up sollte das Geschäft mit Solarstrom auf Basis der Photovoltaik-Technologie vorantreiben. Das Duo fand, es sei an der Zeit, sich von den endlichen Energieträgern Öl, Gas und Kohle sowie dem gefährlichen Atomstrom unabhängig zu machen. „Ob Sie es glauben oder nicht: Meinen drei Kindern will ich eine möglichst lebenswerte Welt hinterlassen“, sagte Ammer dem Handelsblatt. Nach turbulenter Gründerphase gehen die Hamburger 2005 im zweiten Anlauf an die Börse und erlösen 100 Mio. Euro frisches Kapital.
Doch nach dem IPO läuft die Umsetzung der Vision aus dem Ruder, Rüter verzettelt sich mit Windenergie, Biomasse und der verlustreichen Produktion von Solarmodulen in Frankfurt/Oder. Das Investorengeld verpulvert er mit der Expansion in alle Welt. Die Anleger verlieren das Vertrauen, der Kurs schmiert ab. Im November 2007 ziehen die Kontrolleure die Reißleine, der vielleicht zu geduldige Chefaufseher Ammer ersetzt zunächst kommissarisch, später regulär Rüter als Vorstandschef. „Das Unternehmen hat die unendlichen Möglichkeiten des Wachstums überstrapaziert“, sagt Ammer. „Niemand wollte in der Anfangsphase Grenzen setzen. Jetzt müssen wir zwangsläufig Nein sagen.“
Nur eine drastische Schrumpfkur bewahrt die Firma vor der Pleite. Ein Blick in das Büro von Vorgänger Rüter im siebten Stock des gläsernen Prachtbaus „Berliner Bogen“ von Stararchitekt Hadi Tehrani verrät, warum das ambitionierte Projekt auch auf der Kippe steht. Neben einem Design-Schreibtisch steht eine Luxusliege mit edlem schwarzem Lederbezug.
So etwas brauche er nicht, findet Ammer. Das Laufband hat der passionierte Segler bereits entfernen lassen. „Ich arbeite für Conergy so viel wie noch nie in meinem Leben. Das ist auch eine innere Belastung. Ja zu sagen ist leichter als Nein“, sagt der Krisenunternehmer. Conergy ist für ihn wie ein Baby, das nicht sterben soll.
Die Lage ist zwar besser als noch vor ein paar Monaten, aber die Firma ist noch längst nicht auf der Sonnenseite. Dank einer Kapitalerhöhung, die zum Großteil von der Dresdner Bank gezeichnet wurde, hat Conergy Ende 2008 seinen Liquiditätsengpass beseitigt. Ammer konzentriert das Geschäft auf 15 statt 26 Länder.
2007 und 2008 schrieb Conergy jeweils einen Verlust in dreistelliger Millionenhöhe. „Dabei ist das Unternehmen für die Branche als Absatzkanal wichtig“, sagt ein Manager eines Solarmodul-Herstellers. Conergy ist schließlich nicht nur Produzent, sondern auch Händler und damit das Bindeglied zwischen Industrie und Kunden. Weltweit wird jedes zehnte Modul von den Hanseaten verkauft. Bei einem Zusammenbruch von Conergy würde sich die wirtschaftliche Lage der Branche weiter verschlechtern.
Die Solarfirmen leiden schon jetzt unter der Zurückhaltung der Banken bei der Finanzierung neuer Projekte und dem Nachfrageeinbruch in Spanien. Die noch vor einigen Monaten knappen Solarmodule werden nun mit Preisabschlägen von bis zu einem Fünftel angeboten. „Den Banken versuchen wir zu erklären, dass es bei den Großprojekten um ein Geschäft mit staatlich garantiertem Cash-Flow über 20 Jahre geht. Allerdings ist der gesamte Finanzbereich derzeit übervorsichtig und manchmal handlungsunfähig. Deshalb suchen wir nach alternativen Vertriebswegen und sprechen mit Geldgebern wie Family-Offices“, sagt Ammer. Doch erst einmal muss er die Verhandlungen mit seinem Lieferanten abschließen.
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