DJ FOKUS: Daimler sucht Wege zum Abbau der Nettoliquidität
15:05 12.02.08
Von Christoph Baeuchle DOW JONES NEWSWIRES STUTTGART (Dow Jones)--Viel Geld weckt auch viele Begehrlichkeiten - diesem Problem sieht sich gerade die Daimler AG ausgesetzt. Nach der Trennung von ihrer verlustreichen US-Tochter Chrysler strömt das Geld geradezu in die Kassen des Stuttgarter Automobilherstellers. Zwar plant der Konzern, seine Aktionäre daran mittels Aktienrückkauf und höherer Dividende zu beteiligen, doch gibt es kaum Aussagen, wie die Stuttgarter das viele Geld einsetzen wollen, um das Unternehmen voranzutreiben.
Per Ende September betrug die Nettoliquidität 13,7 Mrd EUR bei einem geschätzten Jahresumsatz 2007 von 99 Mrd EUR. Das übersteigt Analysten zufolge das sinnvolle Ausmaß deutlich. Den Durchschnittswert der Branche sehen die Beobachter wesentlich niedriger. "Eine Barreserve in Höhe von 5% des Umsatzes ist sinnvoll", sagt Jürgen Pieper, Analyst beim Bankhaus Metzler.
In Stuttgart scheint man ebenfalls bemüht, Antworten auf die Frage zu finden, was mit all der Liquidität zu tun ist. Ein Aktienrückkaufprogramm über 4 Mrd EUR ist bereits beschlossen, zudem sollen die Forschungsmittel in den kommenden drei Jahren um rund 1 Mrd EUR erhöht werden. Außerdem rechnet der Markt fest mit einer deutlichen Anhebung der Dividende für das vergangene Jahr.
Trotzdem: das Geld wird kaum weniger. Im vergangenen Jahr hat der DAX-Konzern Schätzungen von UniCredit-Analyst Georg Stürzer zufolge einen freien Cash-Flow von etwas mehr als 7 Mrd EUR erreicht. Selbst wenn die Dividende, wie von Analysten erwartet, auf 2,35 EUR je Aktie angehoben wird, kostet das nur knapp 2,4 Mrd EUR.
Rein rechnerisch beinhaltet also jede Daimler-Aktie eine Barkomponente von über 13 EUR. Das wiederum weckt den Wunsch nach einer Sonderdividende. Daimler selbst gibt sich im Vorfeld der Bilanzpressekonferenz am Donnerstag bedeckt zu der Thematik. Man wolle die Aktionäre am Unternehmenserfolg beteiligen, heißt es lediglich.
Ulrich Horstmann von der BayernLB urteilt positiv über den Aktienrückkauf. Daimler hatte im August angekündigt, für 7,5 Mrd EUR rund 10% der eigenen Aktien erwerben zu wollen. Das Unternehmen signalisiere damit Vertrauen in die eigene Gesellschaft. "Ich sehe dies eher als ein positives Zeichen für den Aktionär", sagte Horstmann zu Dow Jones Newswires.
Der seit Monaten fallende Aktienkurs macht die zweite Tranche des Rückkaufprogramms um rund ein Drittel günstiger als ursprünglich geplant. "Dadurch entstehen Einsparungen von 1,5 Mrd EUR, die in ein zweites Programm investiert werden könnten", glaubt LBBW-Analyst Frank Biller.
Da Aktienrückkauf, angehobene Dividende und höherer F&E-Aufwand nicht genügen, die Liquidität zurückzufahren, stellen sich die Beobachter die Frage nach der künftigen Unternehmensstrategie. Hier bleiben Daimler zwei Alternativen: die Expansion in andere Geschäftsbereiche oder die Stärkung des Kerngeschäfts über Zukäufe und Ausweitung entlang der Wertschöpfungskette.
Andere Unternehmen wie Nokia haben den erfolgreichen Wandel vorgemacht: Statt Gummistiefel produzieren die Finnen nun Handys. "So drastisch muss der Wandel nicht ausfallen", schränkt Marc-Rene Tonn ein. Vielmehr sieht der M.M. Warburg Analyst in angrenzenden Geschäftsfelder Chancen. Beispiel Toll Collect: Am Mautbetreiber hält Daimler einen Anteil von 45%.
Doch gerade Toll Collect hat ihren Eigentümern bislang wenig Freude bereitet. Ein verspäteter Start führte zu Milliarden-Ausfällen bei der Lkw-Maut. Nun wartet der Bund noch auf Schadensersatz. "Ich würde bezweifeln, dass Daimler nochmals eine solche Investition anstößt", sagt Biller. Solche Mobilitätsgeschichten gehörten der Vergangenheit an.
Für Biller bietet das Fahrzeuggeschäft genug Möglichkeiten zum organischen Wachstum. "Wenn Daimler investiert, dann eng am Kerngeschäft." Bedarf gibt es: zum Beispiel beim Ausbau des Vertriebsnetzes in Schwellenländern. "Will Daimler ihre Anteile in stark wachsenden Märkten wie Asien ausbauen, kommt sie an weiteren Investitionen nicht vorbei."
Damit nicht genug: Trotz schmerzhafter Erfahrungen mit Chrysler wecken andere Marken wieder die Kauflust. "Es wäre falsch, Übernahmen kategorisch auszuschließen", sagt Pieper. "Nach den verschiedenen Abenteuern dürfte man zwar vorsichtig sein, aber eine Volvo Cars würde zum Beispiel gut zu Daimler passen."
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