Darüber gibt es zwischen Fully und mir eine Meinungsverschiedenheit. Fully setzt als Kenngröße das „total capital“ (E in Tabelle oben) an, während meiner Meinung nach CET1 (C in der Tabelle) als Kenngröße angesetzt werden muss. Dabei geht es nicht um Bagatellen, denn nach Fullys Berechnungen in in #44935 fehlt Fannie Mae (allein) nur noch 11,6 Mrd. $ zur Freilassung, während nach meinen Berechnungen Fannie und Freddie (gemeinsam) 340 Mrd. $ fehlen. Wenn Fullys Wert stimmt, wäre eine Freilassung von Fanny Mae per gemeinsamer Unterschrift in knapp einem Jahr möglich. Dazu wäre auch keine KE mehr erforderlich, lediglich die SPS müssten gelöscht (oder umgewandelt) werden. Bei einer Umwandlung kann es, wie Fully im Folgeposting warnt, auch zu einer mehr oder minder starken Verwässerung der Stammaktien kommen. Wenn mein Wert stimmt, wäre eine Freilassung von Fannie und Freddie zwar ebenfalls in ein bis zwei Jahren möglich, allerdings wäre dafür – zusätzlich zur wie auch immer ablaufenden SPS-“Entsorgung“ – noch eine Kapitalerhöhung von ca. 140 Mrd. $ erforderlich. Die gemeinsame Unterschrift zu Freilassung könnte erst erfolgen, wenn per Vorarbeit geklärt worden ist, welche institutionellen Zeichner das riesige Volumen von 140 Mrd. $ zeichnen wollen bzw. können. Eine Kapitalerhöhung wäre für die Regierung, die JPS-Halter und die Stammaktien-Halter nachteilig, weil der zukünftige Enterprise Value (d.h. die zukünftige Marktkapitalisierung von ca. 250 Mrd. $ bei KGV von 10 und 25 Mrd. $ FnF-Jahresgewinn) mit den Zeichnern der neuen Aktien, die dann 140 Mrd. $ vom Kuchen abbekämen, geteilt werden müsste. D.h für Regierung, JPS und Stämme zusammen blieben nur noch ca. 110 Mrd.$ vom „Nach-Freilassung-Kuchen“. 140 Mrd.$ dieses Kuchens ginge an die Zeichner der neuen Aktien. Allein schon die KE würde daher den Anteil von Regierung, JPS und Stämmen um ca. 60% verwässern. Im schlimmsten Fall, wenn keine KE erfolgt und Fannie die SPS aus zurückbehaltenen Gewinnen zurückkaufen muss, wäre eine Freilassung erst 2040 bis 2042 möglich. Diese Version wird „organic recap“ genannt.
--------------------------------
Welcher Wert ist also nun maßgeglich, das total capital (Fully) oder CET1 (Frieda)?
Fully behauptet, dass für die Freilassung der Safety and Soundness Act aus 1992 maßgeblich sei. Als Beleg, dass CET1 nicht maßgeblich sei, schreibt Fully in #44975: „Die gesetzlichen Kapitalanforderungen, auf die Du Dich beziehst, stehen nicht in HERA, sondern im Safety And Soundness Act drin. Dort ist auch nicht die Rede von CET1.“ Dazu sage ich: Natürlich kommt CET1 in den Bestimmungen aus 1992 nicht vor, weil CET1 erst 2014 im Zuge von Basel III als Kenngröße eingeführt wurde. Als weiteren „Nachweis“, dass nicht CET1, sondern das „core capital“ für die Freilassung maßgeglich sei, hat Fully in #44909 ergänzt (inkl. Link): https://www.fhfa.gov/supervision/...520(iv)%2520retained%2520earnings „The Safety and Soundness Act defines core capital as the sum of: i) the par or stated value of outstanding common stock; (ii) the par or stated value of outstanding, perpetual, noncumulative preferred stock; (iii) paid-in capital; and (iv) retained earnings.“
Ich empfehle allen hier ausdrücklich, diesen Link anzuklicken, denn das erscheinende FHFA-Dokument ist überschrieben mit: „Historical Enterprise Capital Requirements“, zu Deutsch: Historische Kapitalerfordernisse.
Bereits mit HERA (2008) wurden die historischen Kapitalerfordernisse aus dem Safety and Soundness Act aus 1992 modifiziert und angepasst. Nachdem 2014 Basel III Bestimmungen erlassen wurden...
https://www.consilium.europa.eu/de/policies/basel-iii/
..., wurden die FHFA-Bestimmungen nochmals angepasst und die Kenngröße CET1 eingeführt.
Ein wesentliche Neuerung von Basel III ist, dass Banken ein CET1-Kapitalniveau in Höhe von 4,5% ihrer Bilanzsumme vorhalten müssen. Das ist übrigens auch der Grund, warum Calabria die Kapitalerfordernisse für FnF zunächst mit 4,5% angesetzt hatte. Sie wurden erst später mit der 4. Briefvereinbarung vom Jan. 2021 auf 3% reduziert (unten im Screenshot aus der 4. BV grün unterstreichen). Die 4. Briefvereinbarung wies zudem darauf hin, dass CET1 für Fannie und Freddie die neue maßgebliche Kapitalgröße ist (rot unterstrichen).
(Zwischenfrage an Fully: Wie konnte Calabria eigentlich die Kapital-Erfordernisse für FnF mit 4,5% festsetzen, wenn deiner Meinung nach immer noch die 2,5%-Regel aus den Safety & Soundness-Act aus 1992 maßgeblich gewesen sein soll?)
Auf Basis von Basel III hat die FHFA die nun aktuell geltenden Bestimmungen erlassen, und das ist der Enterprise Regulatory Capital Framework (ERCF). Dabei werden die einzelnen Kapitalklassen unterschiedlich risikogewichtet. In der Fannie-Kapitalaufstellung aus dem letzten Post kann man z. B. sehen, dass die JPS in der Klasse TIER1 enthalten sind. Grund: TIER1 ist eine „softere“ Klasse als die ultraharte CET1. Dass die JPS in TIER1 stehen, liegt daran, dass ihre Dividende gestrichen werden kann (non-cumulative), so dass die JPS für FnF ein geringeres Bilanzrisiko darstellen als die SPS, bei denen die Dividende nicht streichbar ist („cumulative“). Wie man in der Tabelle (oben) sieht, unterscheiden sich CET1 (-60,404 Mrd.$) und TIER1 (-42,274 Mrd.$) von Fannie exakt um den Wert der Fannie-JPS, die mit 19,13 Mrd.$ in der Bilanz stehen.
Die Notwendigkeit, die FnF-Kapitalerfordernisse auf den Basel III Stand zu bringen, wird in diesem PDF der Heritage Foundation aus 2020 ausführlich erläutert:
https://www.heritage.org/sites/default/files/2020-03/BG3474.pdf
Die FHFA hat diese Anpassungen inzwischen vorgenommen. Maßgeblich für die Kapital-Bedingungen der Freilassung ist nun längst nicht mehr Fullys „historisches“ Gesetz auf 1992, sondern das Enterprise Regulatory Capital Framework (ERCF) – und damit auch CET1 als maßgebliche Kapitalklasse. Solange die Zwangsverwaltung fortbesteht, gilt ERCF als die maßgeblich regulatorische Kenngröße. (Erst NACH bzw. im Zuge einer Freilassung könnte der Kongress neue Regularien für FnF erlassen.)
Das hat die FHFA auch selbst in diesem PDF-Link so formuliert. https://www.fhfa.gov/sites/default/files/2024-05/...e-CRT_2252022.pdf
Außerdem wird CET1 hier explizit als Kenngröße für das aufsichtsrechtliche (regulatory) Kapital angeführt:
https://www.fanniemae.com/media/50516/display (S. 7)
1. Capital Structure
The ERCF establishes leverage and risk-based minimum capital requirements related to the amount and form of capital we must hold. The ERCF requirements include two statutory capital elements, which are defined in the GSE Act, and three regulatory capital elements, which are based largely on definitions of capital used in U.S. banking regulators’ regulatory capital framework:...
b. Regulatory capital elements:
| common equity tier 1 (“CET1”) capital;tier 1 capital; and adjusted total capital. |
|