Über den Gastautor Alexander Görlach ist Honorarprofessor für Ethik an der Leuphana Universität in Lüneburg und Senior Fellow am Carnegie Council for Ethics in International Affairs in New York. Nach einem Aufenthalt in Taiwan und Hongkong hat er sich auf den Aufstieg Chinas konzentriert und was dieser für die Demokratien in Ostasien im Besonderen bedeutet. Von 2009 bis 2015 war Alexander Görlach zudem der Herausgeber und Chefredakteur des von ihm gegründeten Debatten-Magazins The European. Heute ist er Kolumnist und Autor für verschiedene Medien. Er lebt in New York und Berlin. -------------------------------------------------- Analyse vom China-Versteher: Mit versteckten Signalen deutet Xi den Bruch mit dem Putin-Pakt an Montag, 30.01.2023, 11:42 -------------------------------------------------- Anfang Februar jährt sich die Begegnung von Chinas Machthaber Xi Jinping mit Kreml-Diktator Putin in Peking. Aus Anlass der Eröffnung der Olympischen Spiele war Putin dorthin gereist. Beide Führer gaben im Anschluss an ihr Gespräch gemeinsam bekannt, dass ihre Länder künftig in einer speziellen, engen Freundschaft miteinander verbunden seien.
Damit wollten die beiden, so schien es, mit dem Zwist der Vergangenheit aufräumen: Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts kam es zum Bruch zwischen den beiden kommunistischen Mächten, den die Vereinigten Staaten nutzten, um sich der Volksrepublik anzunähern. .... Putin und Xi für immer? Von wegen: Peking sendet versteckt Signale, dass es sich langsam aber sicher von seiner Freundschaft zu Russland emanzipieren will. Kein Wunder: Der Pakt der Diktatoren ist längst nicht mehr so fruchtbar wie früher. Die mit einem Symbol oder Unterstreichung gekennzeichneten Links sind Affiliate-Links. Kommt darüber ein Einkauf zustande, erhalten wir eine Provision - ohne Mehrkosten für Sie! Mehr Infos
Die Unterschiede zwischen Xi und Putin stecken im Detail Ein historischer Fehler, wie Xi sicher findet. Unter ihm soll China zurück auf ideologische Spur gebracht werden: Jung und alt müssen deshalb „Xis Gedanken” studieren, ein drei Bände schweres ideologisches Konvolut. Auch Diktator Putin empfindet eine Weltordnung unter Führung der USA als eine Beleidigung. Er hat den Untergang der Sowjet-Union als größte geopolitische Katastrophe des Zwanzigsten Jahrhunderts bezeichnet.
Die beiden Führer sind also vereint in ihrer Ablehnung der gegenwärtigen Weltordnung, die auf Menschenrechten, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit beruht. Die Alternative, für die sie stehen, ist maximale staatliche Repression, technologische Überwachung und Angriffskrieg.
Allerdings steckt der Teufel im Detail: Putin möchte in seinem zerstörerischen Wahn am liebsten die ganze Welt in Brand stecken, Xi hingegen die Welt gekonnt mit Kniffen unterwerfen und sie sich dienstbar machen. Dafür nutzt er die bestehende Weltordnung, unterwandert sie und zwingt Ländern chinesische Oberherrschaft auf, versüßt durch Wirtschaftsdeals. Xi glaubt daran, dass der Mensch im Grunde nur raffgierig und korrupt ist.
China sendet Signale, dass es sich von der „Freundschaft“ zu Russland emanzipieren will Deshalb schmiert sein Regime in Ländern, die es sich dienstbar machen will, Politiker und Funktionsträger. Ein gutes Beispiel dafür sind die Salomon-Inseln, die Xi aufgrund ihrer Lage im Pazifischen Ozean unter seine Kontrolle bekommen will. Süffisant ist, dass Xi mit dem Versprechen sein Amt übernahm, die Korruption in China zu beenden. Daraus kann natürlich nichts werden, wenn sein Lieblingsinstrument chinesischer Außenpolitik die Korruption ist.
Allerdings sind in der Tat in den vergangenen Wochen unübersehbare Signale von Peking ausgesandt worden, die der freien Welt signalisieren sollen, dass die Volksrepublik sich nicht völlig an Russland binden und von der "Freundschaft" wieder emanzipieren will.
Gleich zwei starke Signale gingen deshalb in die diplomatische Welt, um diese Absicht zu unterstreichen: Qin Gang, bis vor kurzem noch Chinas Botschafter in den Vereinigten Staaten von Amerika, wird neuer chinesischer Außenminister. Er löst damit Wang Yi ab, der zum unsympathischen Gesicht von Chinas aggressiver Expansionspolitik geworden war. ... Xi kommt zur Erkenntnis, dass die Freundschaft mit Putin mehr schadet als nutzt Denn auch wenn es stimmt, dass Peking von Russland (wie Indien) nun stark vergünstigt Gas und Öl importiert, ist gleichzeitig wahr, dass Russland für China nicht den adäquaten Absatzmarkt ersetzt, den es in der freien Welt verlieren könnte, sollte die Partnerschaft mit Moskau bestehen bleiben. China hat allen Grund, von Russland abzurücken. Von außen ist nicht klar, inwieweit Machthaber Xi zu dieser Kurskorrektur gezwungen wird oder ob er persönlich zu der Überzeugung gekommen ist, dass die Freundschaft mit Putin ihm mehr schadet als nutzt.
Es ist wiederum ein guter Moment für die USA und ihre Verbündeten, Chinas Signale ernst zu nehmen und, wie vor einem halben Jahrhundert auch, das Riff zwischen den beiden Diktaturen zu nutzen und China die Tür zurück in die Weltgemeinschaft zu öffnen, in der Hoffnung, dass das Land so den Kriegspfad verlässt, auf den Xi es geführt hat.
https://www.focus.de/politik/der-china-versteher/...id_184390140.html
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