Russland erlebt einen Motorrad-Boom der Luxus-Klasse
Die Mitglieder des Moskauer Harley Davidson-Clubs müssen nicht lange grübeln, wenn sie die Logistik für ihre Ausflüge planen. Für die Wüstentour in die Vereinigten Arabischen Emirate verladen sie kurzerhand ihre mehrere Tonnen schweren Motorräder in den Privatjet eines ihrer Mitglieder. Als die Biker in Dubai eintreffen, steigen sie bequem auf ihre Maschinen und brechen zum Festival arabischer Harley-Davidson-Fans auf. Für den Neuseeland-Trip wurden die Zweiräder schon mal verschifft; für zehn Tage Barcelona-Nizza reichte die Versendung per Lastwagen.
"Es wäre ein Jammer, die schöne Zeit mit langer Anreise auf dem Landweg zu vergeuden", sagt Faris Al-Obayidi, der die legendären US-Motorräder an Moskaus Reiche verkauft und passende Ausflüge in warme Gefilde organisiert. "Wer sich in Moskau eine Harley leisten kann, für den ist Zeit Geld." An Geld mangelt es Russlands Harley-Davidson-Besitzer nicht. Ihre Liste reicht vom Vize-Parlamentspräsident Georgij Boos über Sportler und Schauspieler bis zu Wiktor Wekselberg, mit einem geschätzten Vermögen von sechs Milliarden Dollar Nummer Drei auf der russischen Milliardärs-Liste. Nach Luxuslimousinen und Flugzeugen sind teure Motorräder bei Russlands Reichen der letzte Schrei. Für eine Harley bezahlen seine Kunden Händler Al-Obayidi, Sohn einer Russin und eines Irakers, bis zu 40 000 Dollar. Freilich nur für ein Serienmodell. Der Oligarch, der das in einjähriger Arbeit umgebaute, in Silber und Chrom glänzende Sondermodell Excalibur in Auftrag gab, wurde gleich 85 000 Dollar los. "Dafür kann er sicher sein, dass kein Oligarchenfreund mit der gleichen Maschine vorfährt", sagt Al-Obayidi.
Der Händler ist mit dem Geschäft zufrieden. Allein in den letzten vier Jahren ist sein Umsatz um 40 Prozent gestiegen. Auch andere Motorradhersteller freuen sich übers gute Geschäft in Moskau. BMW verkauft seine Maschinen zusammen mit seinen Autos, der italienische Fabrikant Ducati eröffnete seine Filiale am Eingang zur Rubeljowskoje Chaussee, der Straße mit Russlands höchster Milliardärs- und Millionärsdichte. Und nicht nur die Superreichen sorgen für einen Motorradboom. Auch preiswertere japanische Motorräder von Yamaha, Suzuki oder Honda werden in Russland jährlich zu Tausenden verkauft.
Abends treffen sich die Motorradfahrer auf dem Moskauer Sperlingsbergen - ein bunter Haufen aus heftig tätowierten Rockern, Studenten und Fahrern, die frisch vom Job aus dem Anwaltsbüro kommen. Nach dem Plausch brechen sie auf, um mal wieder richtig Gas zu geben. Das geht in Moskau besser und schlechter als anderswo. Schlechter, weil die Motorradsaison mit fünf Monaten von Mai bis September nicht allzu lang ist. Auch Moskaus zunehmende Staus tragen nicht zum Fahrvergnügen bei. Jedenfalls nicht am Tag.
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