28.09.2010 , 13 :40 Die Energiepreislüge
Kommentar
Strom aus erneuerbaren Energien ist günstiger, als der Vergleich mit Atom und Kohle nahelegt. Die Energiediskussion braucht endlich faire Zahlen. von Kathrin Werner Anzeige Heute nun wird sie abgenickt: die "Revolution der Energieversorgung". So zumindest hat die Bundeskanzlerin ihr von langer Hand vorbereitetes Energiekonzept getauft. Es ist eine Revolution von oben, ausgefeilscht in den Hinterzimmern der Macht, das Volk hat niemand gefragt. Und trotzdem, das ist das Erschreckende, gibt es nur sehr wenig Widerstand gegen das undemokratische Papier. Es gibt keine Revolution gegen die Revolution. Dafür gibt es einen Grund: Ein Teil der Politiker und die Lobbyisten, die hinter ihnen stehen, belügen das Volk systematisch über die Kosten der verschiedenen Energieträger. Der Bluff klingt zunächst einleuchtend: Der Umbau zu einer klimafreundlichen Energieversorgung kostet Milliarden, deshalb steigt der Strompreis, deshalb droht unsere energieintensive Industrie ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren. Dieses Argument hat seit der Wirtschaftskrise an Schlagkraft gewonnen. Die Bevölkerung ist sensibilisiert dafür, wie anfällig unsere Wirtschaft ist. Riesige Atomsubventionen Doch das Argument, so logisch es klingt, basiert auf grundlegend falschen Annahmen: Es geht zum einen davon aus, dass sich die Preise für Atom-, Kohle- und Erneuerbarenstrom nicht ändern. Das ist schlichtweg Quatsch: Während die Kosten für Atom, Kohle und die anderen fossilen Energieträger steigen, wird Strom aus Wind und Sonne von Jahr zu Jahr günstiger. Solarmodule kosten nur noch rund halb so viel wie vor drei Jahren. Windräder produzieren aus der gleichen Menge Wind wie vor fünf Jahren rund 80 Prozent mehr Strom und sind dabei sogar billiger geworden. Kohlestrom dagegen, der in Deutschland 43 Prozent des Verbrauchs ausmacht, wird immer teurer, vor allem, wenn ab 2013 wie geplant Zertifikate für CO2- Emissionen gekauft werden müssen. Zum anderen werden die konventionellen Energien billiggerechnet - weil gigantische Kosten für Kohle- und Atomstrom nicht über den Strompreis bezahlt werden, sondern aus anderen Töpfen. Seit 1957 mit dem Forschungsreaktor in Garching bei München das erste deutsche Kernkraftwerk in Betrieb ging, bekommen die Atomkonzerne direkte Finanzhilfen: für die Forschung, den Betrieb der Endlager Asse und Morsleben, die Stilllegung der ostdeutschen Atommeiler und als Beiträge für Euratom und andere Nuklearorganisationen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat errechnet, dass von 1956 bis 2007 preisbereinigt rund 40 Mrd. Euro vom Bund in Forschung und Entwicklung flossen. Hinzu kommt Geld der Bundesländer und der EU. Außerdem gab und gibt es Steuervergünstigungen, etwa die Nichtbesteuerung von Kernbrennstoffen bis 2006. Atomstrom - von wegen billig Freilich rechnen sich die Subventionen der Vergangenheit umso mehr, je länger die Kraftwerke laufen. Doch es entstehen daraus auch immer neue Kosten: Das mögliche Endlager im Salzbergwerk Gorleben hat schon jetzt Milliarden verschlungen. Von 1977 bis 2007 waren es 1 ,5 Mrd. Euro, wovon die öffentliche Hand 11 ,25 Prozent übernommen hat. Wenn jetzt die Erkundung weitergeht, werden auch die Kosten weiter steigen. Jeder Castor-Transport kostet Millionen für Polizeieinsätze und Sicherheitsvorkehrungen, die die Steuerzahler allein tragen. Offizielle Angaben zum Staatsgeld, das insgesamt in die Kernenergie floss, gibt es nicht. Eine Greenpeace-Studie kam 2009 zu dem Ergebnis, dass der Staat und damit die Bundesbürger die Kernenergie zusätzlich zu den Stromkosten seit 1950 mit mindestens 165 Mrd. Euro gefördert haben. Das entspricht einer Subventionierung des Atomstroms von 3 ,9 Cent pro Kilowattstunde. Tendenz steigend - schließlich müssen immer mehr alte Kraftwerke teuer stillgelegt werden, schließlich entsteht durch längere Laufzeiten immer mehr strahlender Müll. Siehe da: Der vermeintlich günstige Atomstrom ist gar nicht so billig.
|