Die Blockade von Hilfslieferungen zu Anfang des Krieges ist eine der zentralen Vorwürfe Khans. Tatsächlich verstrickt sich das ICC in dieser Sache jedoch in logische Widersprüche. Einerseits postuliert Khan die Zuständigkeit des ICC, was voraussetzt, dass es sich in Gaza um einen echten Staat handelt.
Andererseits sieht er Israel und nicht etwa die dort regierende Hamas als zentralen Akteur, um die Versorgung der Bevölkerung in Gaza sicherzustellen. So impliziert Khan auch, dass Israel für die Versorgung ganz Gazas verantwortlich sei und nicht nur für die israelisch besetzten Teile des Streifens, was das Völkerrecht eigentlich vorsieht.
Zudem erkennt er nicht an, dass Israel seine Position in dieser Frage nach den ersten Wochen des Krieges dramatisch verändert hatte und umfangreiche Hilfslieferungen in den Streifen ließ, inzwischen mehr als 28.000 Lkw-Lieferungen, allein am Montag waren es über 400. Man mag zu Recht kritisieren, dass Israel zu lange gewartet hat, Hilfslieferungen zuzulassen. Eine Kampagne zur Aushungerung Gazas würde aber deutlich anders aussehen.
Der zweite zentrale Vorwurf Khans ist, Israel habe absichtlich Zivilisten getötet und ihnen Schaden zugefügt. Das ist im Statement eher vage gehalten und scheint geprägt zu sein von den Bildern der Zerstörung aus Gaza. Tatsächlich vollzieht das Kriegsvölkerrecht jedoch einen Balanceakt. Es will einerseits Zivilisten und zivile Einrichtungen schützen.
Andererseits erkennt es die Notwendigkeit an, dass Staaten sich zuweilen gezwungen sehen, Kriege zu führen und dass Selbstverteidigung wie im Falle Israels möglich sein muss. Das heißt: Zerstörte zivile Infrastruktur in Gaza und getötete Zivilisten sind per se noch kein Beweis für Kriegsverbrechen. Entscheidend ist, in welchem Zusammenhang diese Schäden entstehen und ob Zivilisten zu Schaden kommen, wenn Israel legitime militärische Ziele angreift, oder nur aus der Lust an Zerstörung. In diesem Zusammenhang sind zwei Dinge auffällig:
Das von Khan eingesetzte Beraterpanel, das seinen Antrag auf Haftbefehle einstimmig unterstützte, ist ausschließlich mit Juristen und mit Menschenrechtsaktivisten besetzt, weist aber keinen Militärexperten auf. Das ist eine gravierende Unterlassung, weil damit der Balanceakt des Völkerrechts zwischen der Notwendigkeit, legale Kriegsführung zu ermöglichen und gleichzeitig den Schutz der Zivilbevölkerung sicherzustellen, aus dem Gleichgewicht gerät.
Khan behauptet zwar, Israels Recht auf Selbstverteidigung zu unterstützen, hat aber keinen Experten in sein Panel berufen, der Einblicke hätte geben können in die Schwierigkeiten urbaner Kriegsführung gegen eine Terrorarmee, die sich hinter Zivilisten verschanzt und in Zivilkleidung kämpft.
„Israel hat bisher beispiellose Maßnahmen ergriffen, die es so in der Geschichte des modernen Krieges noch nicht gegeben hat, um das Kriegsvölkerrecht einzuhalten und Schaden von Zivilisten abzuwenden, selbst wenn es bedeutete, die Soldaten der IDF größeren Gefahren auszusetzen“, schreibt John Spencer, Leiter der Abteilung für urbane Kriegsführung an der US-Militärakademie West Point. Das ist genau die Art von militärischer Expertise, die Khan offensichtlich nicht in seinem Beratergremium haben wollte. Was uns zu einer weiteren gravierenden Auslassung bringt:
https://www.welt.de/politik/ausland/plus251617196/....B_sameplusquota
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