Marc Nitzsche, Chefredakteur Liebe Trader, Anfang des Jahres wurde ich größtenteils verlacht, als ich für 2007 ein neues Allzeithoch im DAX prognostizierte. Doch ich sollte Recht behalten!
Am 13. Juli kletterte der deutsche Standardwerte-Index bis auf 8.151,57 Zähler - gut 15 Punke mehr als der bisherige Rekordstand aus dem Jahr 2000.
In einem Anfall von Euphorie legte ich an besagtem Freitag denn auch gleich ein Fläschchen "Schampus" kalt, um abends mit meiner "besseren Hälfte" dieses freudige Ereignis gebührend zu feiern. Daraus wurde aber leider nichts, weil der DAX bis zum Handelsschluss wieder unter 8.100 Punkte zurückfiel und ich nur Höchstkurse auf Tagesschlussbasis zu feiern pflege.
Mittlerweile habe ich die "Pulle" wieder zurück in den Keller gebracht. Denn so schnell werde ich sie wohl nicht mehr brauchen. Immerhin befinden sich die weltweiten Aktienmärkte und damit natürlich auch unser possierliches "Pelztierchen" seit nunmehr gut zwei Wochen im "Sinkflug".
Angesichts der teilweise heftigen Rücksetzer verwundert es mich nicht, dass die mir derzeit mit Abstand am häufigsten gestellte Frage lautet: Handelt es sich bei den Kursrückgängen nur um die eigentlich längst überfällige Korrektur, oder zeichnet sich ein Ende der seit 2003 andauernden "Hausse" ab?
Da ich annehme, dass auch Sie meine diesbezügliche Einschätzung interessiert, möchte ich Ihnen meine momentanen Gedanken zur weiteren Entwicklung an den globalen Aktienmärkten natürlich nicht vorenthalten.
*US-Immobilienkrise als Auslöser für Kursrutsch
Als Grund für die in der Tat fast schon crashartigen Verluste wird immer wieder die Krise am amerikanischen Immobilienmarkt angeführt, die laut einigen Experten direkt in eine Rezession führen könnte. Nun, so schnell schießen die Preußen nicht! Aber unterschätzen darf man die Risiken für die US-Wirtschaft sicherlich auch nicht.
Das amerikanische Wirtschaftswachstum wurde in den letzten Jahren zu einem Großteil vom steigenden Konsum der Bürger getragen. Im Gegensatz zu uns Deutschen, ist sparen für die Mehrzahl der Amerikaner ein Fremdwort. Sie schmeißen das Geld lieber mit vollen Händen für allerlei Schnickschnack aus dem Fenster. Nicht umsonst ist das Verbrauchervertrauen, welches indirekt den Grad der Konsumfreudigkeit misst, ein sehr stark beachteter volkswirtschaftlicher Indikator.
Bei der Beschaffung neuer finanzieller Mittel zur Befriedigung ihrer Kauflust, beweisen die Einwohner im "Land der unbegrenzten Möglichkeiten" einen erstaunlichen Einfallsreichtum. Da die Immobilienpreise in den USA in den letzten Jahren recht deutlich angezogen hatten, stockten viele Bürger ihre Hypotheken auf. Schließlich kann man ein Haus, das nicht mehr 200.000 sondern 300.000 US-Dollar wert ist, eben auch höher beleihen.
Seit einiger Zeit befinden sich die Immobilienpreise jetzt aber auf dem Rückzug. Und genau dieser Umstand kann die Konsumenten und die Hypothekenfinanzierer in die Bredouille bringen. Erstere sind nun gezwungen, den "Konsumgürtel" enger zu schnallen und viele Banken sitzen auf einer großen Anzahl untersicherter Kredite.
Allerdings ist dieses Phänomen bereits seit längerem aktuell und konnte die Aktienmärkte bisher nicht von ihrem bemerkenswerten Anstieg abhalten. Für mich drängt sich daher eher die Vermutung auf, dass die Immobilienkrise als bloße Erklärung für den jüngsten Kursrutsch herhalten muss. Sie wissen ja: Die Nachrichten folgen den Kursen.
Ich möchte hier jetzt bestimmt nicht undifferenziert "Beruhigungspillen" verteilen. Aber wir sollten schon die "Kirche im Dorf lassen". Dass die Immobilienkrise sich zu einer echten Rezession in den USA auswächst, halte ich für nicht sonderlich wahrscheinlich. Die US-Wirtschaft ist stark, ansonsten hätte sie sicher nicht zwei Amtsperioden von "Bush Junior" überlebt. Im Vergleich dazu sind die rückläufigen Häuserpreise kaum mehr als der sprichwörtliche "Klacks".
*"Sommerloch" sorgt für "Käuferstreik"
Ich werte die derzeitigen Kursrückgänge eher als saisonales Phänomen. Während der Sommermonate ist der Handel an den Börsen erfahrungsgemäß ziemlich dünn. In solchen Zeiten können bereits relativ kleine Verkaufsorders für recht große Kursbewegungen nach unten sorgen.
Dass die Rücksetzer eher auf einem "Käuferstreik" als auf panikartigen Verkäufen beruhen, können sie insbesondere an den moderaten Umsätzen ablesen. Wirklich Besorgnis erregend wird es erst, wenn die tieferen Notierungen mit ungewöhnlich hohen Umsätzen einhergehen. Und genau das war in den vergangenen zwei Wochen nicht der Fall.
Somit ist für mich klar: Die aktuelle Abwärtsbewegung stellt aller Voraussicht nach lediglich eine Korrektur in einem nach wie vor völlig intakten "Bullenmarkt" dar. Selbst Rücksetzer bis auf 7.100 Punkte im DAX (dort verläuft aktuell der Aufwärtstrend und die 200-Tage-Linie) wären kein "Beinbruch" sondern längerfristig sogar eher sehr "gesund".
*Erfreulich viele Pessimisten unterwegs
Das alles entscheidende Argument für meine (noch) optimistische Grundhaltung in Bezug auf die Aktienmärkte ist jedoch - Sie werden es wahrscheinlich schon ahnen - die Marktpsychologie. In den letzten Tagen und Wochen witterten bei jedem noch so kleinen Kursrückgang umgehend die "Crash-Propheten" Morgenluft und malten die düstersten Szenarien an die Wand.
So lange noch so viel Pessimismus im Markt ist, sehe ich noch keinen Anlass meine Aktien-Positionen merklich zurückzufahren. Denn eins habe ich in meiner bald 20jährigen Börsen-Karriere gelernt: Eine Trendwende an den Märkten setzt immer genau dann ein, wenn kaum einer damit rechnet.
Wenn irgendwann einmal in näherer oder fernerer Zukunft bei DAX-Verlusten von einigen hundert Punkten in wenigen Tagen, die Mehrheit von einer gesunden Korrektur spricht und Aktien nach wie vor als die allein selig machende Anlageklasse propagiert, dann - aber auch erst dann - werde ich mich aus den Dividenden-Papieren für einen gewissen Zeitraum "verabschieden". Aber so weit ist es zur Stunde definitiv noch nicht!
Insofern sehe ich auch nicht den geringsten Grund von meiner Vorhersage, dass der DAX in 2007 auf Tagesschlusskursbasis ein neues Allzeithoch erreicht, auch nur einen Millimeter abzuweichen, zumal ich dieses Kursziel eigentlich ohnehin erst für Ende 2007 in Aussicht gestellt hatte.
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