Autor des Artikels ist Helmut Becker. Er war 24 Jahre Chefvolkswirt bei BMW und leitet das Institut für Wirtschaftsanalyse und Kommunikation (IWK). Er berät Unternehmen in automobilspezifischen Fragen.
Das Hauptproblem sieht Becker in "einseitige(r) Konzentration auf E-Autos, in völliger Verkennung der Kundenbedürfnisse".
www.n-tv.de/wirtschaft/...-ein-Orkan-auf-article25380160.html
....Der Sturm über der Autoindustrie hat viele Gründe. Die Klagen über schlechte Standortqualität sind hinreichend bekannt. Sie belastet die exportabhängigen und stark dem internationalen Wettbewerb ausgesetzten deutschen Autohersteller - vor allem die Zulieferer - in ganz besonderem Maße. Aber sie ist nicht allein an der Schieflage schuld. Den einen Grund, wie früher bei den Ölkrisen, gibt es nicht.
Stattdessen ist es das historisch einmalige Zusammenwirken vieler unterschiedlicher externer wie hausgemachter interner Belastungsfaktoren. Da sind die wachsenden internationalen Spannungen und Kriege sowie die fortschreitende De-Globalisierung durch Zölle und Abschottungen. Das ist nicht nur Gift für den Export, sondern auch Gift für den Import von notwendigen Rohstoffen. EU-Einfuhrzölle gegen chinesische Autos verschlimmern diesen Trend.
Dann sind da die politischen Fehlentscheidungen in der Energie- und Klimapolitik in Berlin und Brüssel durch das Verbrennerverbot ab 2035 und die hohen CO2-Strafzahlungen ab 2025. Alle Hersteller mussten auf einen Elektrozug aufspringen, der heute aber leider auf einer Nebenstrecke gelandet ist, wie Absatzrückgänge von bis zu 25 Prozent bei E-Autos in allen großen Automärkten - mit Ausnahme Chinas - zeigen.
Wenig hilfreich waren gravierende hausgemachte Fehlentscheidungen in den unterschiedlichen Konzernzentralen durch die einseitige Konzentration auf E-Autos, in völliger Verkennung der Kundenbedürfnisse. Das gilt vor allem für die "Branchenleuchttürme" wie VW und Mercedes (Stichworte: "electric only" und "luxury only").
Am allerschlimmsten jedoch ist, dass in China alle deutschen Hersteller gleichermaßen mit ihren Premium-Verbrenner- wie E-Auto-Angeboten in der Absatz- und Gewinnfalle stecken. Der inzwischen weltgrößte Automarkt China (2023 gab es hier 26,06 Millionen neu zugelassene PKW; davon waren rund 5,5 Millionen deutsche Fabrikrate) hatte in der Vergangenheit für rund ein Drittel ihres Gesamt-Absatzes und zum Teil für mehr als die Hälfte ihres Gewinns gesorgt.
Das Blatt hat sich gewendet: Inzwischen haben chinesische Hersteller wie BYD den Markt mit kleinen und billigen Elektroautos mit 60 Prozent Marktanteil zurückerobert. Und die Chinesen sind weiter auf dem Vormarsch, sogar beim Verbrenner schwindet der Wettbewerbsvorsprung der Deutschen. All das geht zulasten der deutschen Autohersteller, die im 3. Quartal bereits heftige Umsatz- und Gewinneinbrüche verkraften mussten.
Ein möglicher Handels- und Zollkrieg mit den USA und China würde das Fass zum Überlaufen bringen. Sollte der künftige US-Präsident Donald Trump Einfuhrzölle auf deutsche Importautos - wie angekündigt - von 20 Prozent und mehr erheben, und würde China Zölle auf deutsche Premium-Importe erheben, würde das die deutsche Autoindustrie über die Klippe schieben. Drastische Produktions- und Beschäftigungseinbrüche über die gesamte Wertschöpfungskette wären die Folge. Einen Exportausgleich über Drittmärkte als Ausgleich gibt es nicht.
Wie brisant die Lage der Autobranche ist, zeigen einige wenige Schlüsselzahlen:
- Die PKW-Inlandsproduktion hängt zu rund 75 Prozent am Export. Von 4,1 Millionen Autos waren das 2023 rund 3,1 Millionen Autos. Seit 2016 ging die Produktion bereits um 1,3 Millionen zurück.
- Laut Automobilverband VDA verblieben von den gesamten deutschen PKW-Exporten 2023 in Europa 1,8 Millionen (Anteil rund 60 Prozent), in der EU 1,2 Millionen (rund 40 Prozent).
- In die USA wurden aus Deutschland 2023 rund 400.000 Fahrzeuge, nach China 216.000 exportiert. Anders als in Europa bestanden die Autoexporte in diese Länder zu rund 96 Prozent aus hochpreisigen Premium-Fahrzeugen. - Zur Ergänzung: Ins bevölkerungsreiche Indien gingen 2023 knapp 10.000 Neuwagen, nach Afrika insgesamt 40.000; in Afrika dominiert der Absatz von gebrauchten Verbrenner-Autos.
Kurz gesagt: Ohne florierende Exporte nach China und in die USA ist das Geschäftsmodell der Autoindustrie am Standort Deutschland am Ende.
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