Die schwarz-gelbe Regierung plant eine Steuer auf alle Finanzgeschäfte. Darauf haben sich Union und FDP nach tagelangem Streit geeinigt. Die Abgabe soll EU-weit gelten, doch unter Fachleuten ist das Konzept stark umstritten.
Berlin - Finanzsteuer, ja oder nein? Wochenlang wogte die Debatte hin und her. Jetzt hat sich die Regierung auf eine gemeinsame Linie geeinigt: Union und FDP starten eine Initiative zur Einführung einer europaweiten Finanzmarktsteuer. Das teilten die Fraktionschefs Volker Kauder und Birgit Homburger am Dienstag in Berlin mit.
Das Steuerkonzept ist einfach: Der Beinahe-Crash der internationalen Finanzmärkte hat die Steuerzahler viele Milliarden gekostet - im Gegenzug will die Regierung nun einen Teil der Gewinne, die Finanzakteure machen, abschöpfen.
Die Finanzmarkttransaktionssteuer hat ihre Wurzel in der sogenannten Tobin-Tax. Diese wurde 1972 vom amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler James Tobin ins Spiel. Die Tobin-Tax beschränkte sich auf Währungsgeschäfte, die Finanzmarkttransaktionssteuer soll auf alle Spekulationsgeschäfte angewandt werden: Geschäfte mit Devisen, Aktien, festverzinslichen Wertpapieren, Derivaten, Rohstoffen und Immobilientiteln.
Jeder, der ein spekulatives Papier kauft oder verkauft, zahlt also Steuer. Treffen soll die Abgabe aber vor allem sogenannte Daytrader - Händler, die auf minimale Kursschwankungen wetten und daraus minimale Gewinne ableiten. Denn die Steuer wird bei jeder Transaktion neu fällig. Je kurzfristiger die Spekulation also ist, umso öfter muss die Abgabe gezahlt werden.
Wird ein Papier einmal pro Jahr verkauft, beträgt die Steuer beispielsweise 0,2 Prozent. Wechselt das Papier einmal im Monat den Besitzer, würde für den Kapitalbetrag eine Steuer von 2,4 Prozent fällig. Wird der Betrag einmal wöchentlich transferiert, beträgt die Belastung schon 10,4 Prozent.
Experten halten den Ansatz für problematisch: Denn eine Transaktionssteuer steigert nicht nur die Kosten für Spekulanten, sondern auch für Unternehmen und Anleger. "Firmen, die sich durch schnelles Umschichten von Anlagen gegen Währungsrisiken absichern, würden für umsichtiges Risikomanagement plötzlich bestraft", sagt Hans-Peter Burghof, Bankenprofessor an der Universität Hohenheim, SPIEGEL ONLINE.
Strenge Regeln gegen Hedgefonds
Neben Spekulantensteuern macht sich die deutsche Regierung noch für andere Maßnahmen zur Regulierung der Finanzmärkte stark: Die EU-Finanzminister wollen an diesem Dienstag strengere Regeln für Hedgefonds auf den Weg bringen. Sie sollen in der EU künftig einer Meldepflicht unterliegen und ihre Anlagestrategien offenlegen. Damit soll für mehr Transparenz in dieser Branche gesorgt werden, der wegen ihrer risikoreichen Geschäfte eine Mitschuld an derEuro-Krise gegeben wird.
Entgegen sonstiger Gepflogenheiten wollen die Minister die Regelungen gegen den Widerstand Großbritanniens durchsetzen. In London sind etwa 80 Prozent der europäischen Hedgefonds angesiedelt. Die britische Regierung befürchtet wegen der neuen europäischen Vorschriften Nachteile für den Finanzplatz London. Sie hatte eine Einigung über die Verhandlungslinie der Mitgliedstaaten deshalb monatelang blockiert. Die inzwischen abgewählte Labour-Regierung hatte geltend gemacht, als Hauptstandort von Hedgefonds in Europa dürfe nichts gegen ihren Willen entschieden werden. Normalerweise streben die EU-Staaten einen Konsens an, wenn eine Regelung ein Land besonders betrifft. Diesmal will sich der EU-Finanzministerrat aber über den Widerstand Großbritanniens hinwegsetzen.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble erklärte, es gebe eine breite Mehrheit von Mitgliedstaaten, um einen Beschluss abzusichern. Er rechne nicht mehr mit Widerstand Großbritanniens. Er glaube, die Regierung in London habe akzeptiert, dass es eine Entscheidung geben werde, die nicht ihrer Position entspricht. Schon im Europaparlament nahm die geplante Regulierung der Fonds in der Nacht zum Dienstag eine wichtige Hürde. Der federführende Wirtschaftsausschuss stimmte einem Entwurf zu, der aber von der Linie der Mitgliedstaaten abweicht.
So sprechen sich die Parlamentarier dafür aus, Hedgefonds aus Drittstaaten wie den USA oder den Kaimaninseln den Handel in Europa zu erlauben, sofern sie sich an die neuen EU-Regeln halten. Das wäre nach dem Entwurf der Minister nicht möglich - sie sind für eine Einzelregistrierung in jedem EU-Land. Wenn die Minister heute ihren Beschluss fassen, muss noch über einen Kompromiss verhandelt werden. Die neuen Regeln könnten dann im Juli endgültig stehen.
Griechenland bekommt erste Hilfen ausbezahlt
Die EU-Finanzminister verhandeln an diesem Dienstag zudem weiter über Einzelheiten des gigantischen Rettungsschirms von 750 Milliarden Euro, der die gemeinsame Währung schützen soll. Dabei geht es unter anderem um Details einer Finanzgesellschaft, die im Namen aller Euro-Länder Geld leihen und an finanzschwache Mitgliedstaaten weiterleiten kann.
Angesichts der Talfahrt des Euro versicherten die Minister, dass er weiter eine "glaubwürdige Währung" sei. "Preisstabilität wurde über elf Jahre lang gewährleistet", sagte Juncker. Das werde auch in Zukunft so bleiben. Die Euro-Finanzchefs lobten die hochverschuldeten Länder Spanien und Portugal für ihren rigiden Sparkurs. "Wir finden, dass die Maßnahmen der spanischen und der portugiesischen Regierung mutig sind", sagte Juncker. Madrid und Lissabon drohen in den Sog der Schuldenkrise Griechenlands zu geraten; deswegen hatten beide Hauptstädte nach Druck der EU in der vergangenen Woche ihren Sparkurs noch einmal deutlich verschärft. Spanien kürzt Ministern und Beamten die Gehälter. Portugal will die Steuern erhöhen.
Das angeschlagene Griechenland bekommt an diesem Dienstag die ersten Hilfen überwiesen. Insgesamt sollen 20 Milliarden Euro fließen. 14,5 Milliarden Euro kommen von den Euro-Partnern, 5,5 Milliarden Euro vom Internationalen Währungsfonds (IWF). Die Eurozone und der IWF hatten für das pleitegefährdete Land ein Paket von bis zu 110 Milliarden Euro geschnürt. Davon entfallen auf Deutschland bis zu 22,3 Milliarden Euro.