21.05.2010 15:26 Uhr Investoren fürchten eine neue Bankenkrise. Doch dieses Mal beklagen sie keine zu hohen Risiken, sondern hadern mit einem Regulierungschaos. Das Leerverkauf-Verbot der BaFin erwischte viele Banken auf dem falschen Fuß. LONDON. Als die Kreditderivate-Händler der Deutschen Bank am Dienstagmorgen an ihrem Arbeitsplatz in der Londoner City erschienen, wartete eine unangenehme Überraschung auf sie. Völlig unerwartet hatte die deutsche Finanzaufsicht über Nacht ungedeckte Leerverkäufe von Finanzaktien, Schuldtiteln der Euro-Zone und Kreditausfallversicherungen auf Verbindlichkeiten eines Euro-Staates verboten. Die Märkte spielten verrückt, aber die Trader der Deutschen Bank konnten nicht eingreifen. Von sieben Uhr bis neun Uhr morgens blieb der Desk für europäische Credit Default Swaps geschlossen, weil die Bank erst einmal klären musste, ob das deutsche Verbot auch für ihre Londoner Niederlassung galt oder nicht. Nicht nur die Deutsche Bank erwischte der deutsche Alleingang auf dem falschen Fuß. Bei den Anwaltskanzleien in der Londoner City liefen Dienstagfrüh die Drähte heiß, weil die Banker dringend Hilfe bei der Interpretation des deutschen Verbots brauchten. Zunächst wusste keiner so genau, wen und welche Produkte der Bann wirklich treffen sollte. Milliardenkosten drohen "Extrem unverantwortlich", "eine Verzweiflungstat", mit solchen Ausbrüchen reagierten die Analysten gestern auf die Berliner Aktion. Die ungewöhnlich harschen Töne zeigen, dass viele europäische Banker das Ringen der EU und der nationalen Regierungen um eine Reform der Finanzmärkte inzwischen als ernstes Risiko für ihre Branche sehen. Aber nicht nur die Banker, auch die Anleger fürchten die Folgen unkoordinierter Regulierung. Eine Umfrage der Ratingagentur Fitch unter Großinvestoren an den Anleihemärkten kommt zu dem Schluss, dass das Regulierungsrisiko die größte Gefahr für die Banken darstellt. 83 Prozent der Befragten sehen darin eine ernste Gefahr für die Bonität der Geldhäuser in den kommenden zwölf Monaten. Damit liegt das Regulierungsrisiko noch vor gesamtwirtschaftlichen Gefahren wie der europäischen Schuldenkrise. "Es fehlt der Konsens über die richtigen Reformen nach der Finanzkrise, das sorgt für Unsicherheit, und die ist niemals hilfreich für die Finanzmärkte", sagt Fitch-Analyst Gerry Rawcliffe. Jagdeep Kalsi, Analyst der Credit Suisse, hat versucht auszurechnen, welche finanziellen Folgen die unterschiedlichen Regulierungsvorstöße für die europäischen Banken hätten. Die Initiativen reichen von höheren Anforderungen an Kapital und Liquidität des Baseler Komitees für Bankenaufsicht über eine Sonderabgabe für Finanzinstitute oder eine Transaktionssteuer, bis hin zum Umbau der Derivate-Märkte. Im Extremfall kommen auf die Banken nach der Kalkulation von Kalsi zusätzliche Kosten von 245 Mrd. Euro zu. Das entspricht 37 Prozent der für das Jahr 2012 erwarteten Gewinne der europäischen Geldhäuser. Den Löwenanteil der Belastung würde mit 22 Prozent eine Bankenabgabe ausmachen, wie sie der Internationale Währungsfonds und die Regierungen in den USA und Großbritannien fordern. Durch die Reform der Derivatenmärkte könnte den Instituten Einnahmen von knapp 17 Mrd. Dollar entgehen, schätzen Analysten der Citigroup. Die Banker wehren sich gegen den Vorwurf, dass sie mit ihrem Protest gegen unkoordinierte Regulierung nur weitere Reformen verhindern wollen. "Wir stemmen uns nicht gegen notwendige Schritte", betonte vor wenigen Tagen Stephen Green, der Chairman von Europas größtem Geldhaus HSBC und Direktor der Bankenlobby Institute of International Finance (IIF). Aber die Branche brauche bis Ende dieses Jahres Klarheit, in welche Richtung sich die Reformen bewegten. Die einzelnen Maßnahmen müssten eng aufeinander abgestimmt sein, ansonsten drohe der Versorgung der Wirtschaft mit Kredit ernste Gefahr. Regulierung in den USA Hängepartie: In den USA droht die Reform der Finanzmarktregulierung zu einer Hängepartie zu werden. Am späten Mittwochabend entschied der Senat, weiter über das Gesetz zu debattieren. Politgerangel Hintergrund für die Verzögerung ist die Ablehnung der Republikaner. Da sich einzelne Senatoren vor den Wahlen im Herbst aber als bankenkritisch profilieren wollen, dürften sie am Ende doch zustimmen. www.handelsblatt.com/unternehmen/...jagen-bankern-angst-ein;2585197;0 ----------- An der Börse ist alles möglich, auch das Gegenteil. André Kostolany
MfG Palaimon
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