(Von dir "gut analysiert" - kann dich momentan nicht bewerten)
Mich hatte dieser MW-Leitartikel ebenfalls stutzig gemacht. Und zwar weil auch ich den Verdacht hatte, dass damit Trendfolge-Shorter angelockt und als Kanonenfutter für die Bullen auf die Schlachtbank gelockt werden sollen.
Ich hab dazu selber nichts gepostet, weil es eben nur ein seltsames Gefühl war - und wir sind hier ja nicht in einer spätromantischen Oper, wo man jede Träne für berichtenswert hält.
Da du das Thema aber nun "reingeholt" hast, im Folgenden auch mein Senf dazu:
1. Rising infections: Es ist immer noch die erste Welle, die zunächst die großen international offenen US-Großstädte traf und nun die Provinz. Wall Street liegt aber in New York. Wenn in Arizona ein Cowboy-Opa stirbt, ist das - zynisch gesprochen - nicht sonderlich börsenrelevant.
2. Economic surprises from monthly jobs report: Ich hab manchmal den Verdacht, dass das BLS (US-Arbeitsbehörde) die Zahlen immer so hinfrisiert, dass sie zum gerade laufenden Börsentrend passen.
So fiel der "Irrtum" der viel zu niedrigen Zahlen letzten Monat (angeblich Eintrag in falsche Spalte), in eine Aufschwungphase und heizte diese zusätzlich an. Short-Melken vom Feinsten.
Jetzt sind wir ein einer Abschwungphase, und es ist nicht ausgeschlossen, dass die BLS-Gauner "assistierend" rabenschwarze Zahlen melden, die tatsächlich einen weiteren Absacker erzeugten.
Übergeordnet ist das BLS aber "pro America" und neigt dazu, Zahlen eher zu gut (z. B. saisonale Bereinigung, Birth-Death-Model) als zu schlecht darzustellen.
Relevanz: neutral bis leicht bärisch.
3. Quarter-end and month-end rebalancing...: Das sogenannte Window-Dressing (WD) wird benutzt, um Quartalsberichte der Fonds möglichst vorteilhaft aussehen zu lassen. In einer Abschwungphase wie jetzt werden dann vor allem "Loser" verkauft, weil die Fonds-Halter nicht sehen sollen, dass die Fondsmanager so blöd waren, die Loser immer noch zu halten. Deren Enfernung ist freilich rein kosmetisch, weil die starken Verluste bei diesen Aktien ja a) schon aufgetreten sind und b) jetzt auch noch (teils unnötig) realisiert werden. Andererseits werden im WD auch "Winner"-Aktien zu Höchstkursen zugekauft. Relevanz: neutral
4. Stalled plans for further economic stimulus. Das ist mMn sogar eine Lüge, denn das "House" (demokratische Mehrheit seit Zwischenwahl) hat bereits Mitte Mai ein neues 3 Billionen-Stimulus-Paket verabschiedet. Die Reps hatten sich zunächst scheinbar skeptisch gestellt. Dieses Gesetz wird rechtskräftig, sobald der US-Senat (Rep-Mehrheit) grünes Licht gibt. Die Reps wollen aber nur taktisch Zeit gewinnen, damit die "Geld-Bombe" in die Hochphase des Wahlkampfes fällt und Trump bei seiner Wiederwahl hilft. Der Senat wird das bereits vor-verabschiedete Gesetz voraussichtlich kurz vor der Sommerpause rechtskräftig machen, also Anfang August. DASS diese geschehen wird, ist praktisch sicher. Das Ergebnis wird ein neuerliches (sinnloses) Kursfeuerwerk sein, das (dennoch) alle Bären plattmacht. Relevanz: stark bullisch
5. Joe Biden’s lead in presidential polls. Das liegt zurzeit u. a. an den Rassenunruhen in USA und Trumps fatale Reaktion darauf. Wenn im August die 3-Billionen-Bombe fällt (siehe Punkt 4), dürften die materiell leicht käuflichen Amis wieder Trump lobpreisen. Bidens Sieg würde die Börsen runterbringen, weil Steuererleichterung für Unternehmen unter Trump wieder rückgängig gemacht würden. Auch die Öllobby in Texas bekäme mehr Druck mit Umweltgesetzen. Noch allerdings ist im US-Wahlkampf alles offen. Relevanz: kurzfristig neutral bis leicht bärisch, nach "Fall der Geldbombe" eher bullisch.
6. - Market technicals ...(bärische Charts): Bereits seit 2009 haben sich die Fed (inkl. "Kommentatoren") und das PPT geradezu einen Spaß daraus gemacht, an charttechnisch "völlig eindeutigen Stellen" (aktuell: Test und möglicher Bruch der 200-Tage im SPX) die Bären "überraschend" zum Narren zu halten. Entweder weil ein Fed-Fuzzi was Täubisches raunt, oder das PPT über Nacht via Futures stützende Kurspflege betreibt. Relevanz: affig!
7. "Low stock market volumes in a holiday-shortened week ahead of the July Fourth to be observed on Friday": Hier hat TonyS schon richtig kritisiert, dass niedriges Volumen bei fallenden Kursen NICHT zwingend bärisch ist. Es spricht eher für eine Konso. Der Satz ist allerdings mehrdeutig (krypisch) formuliert und soll sich vermutlich auf die kommende Woche beziehen. Da ist das Volumen, das zu beobachten sein wird, aber "noch offen". Bliebe das Volumen eher niedrig, wie es in "Holiday shortend weeks" tatsächlich üblich ist, dann wäre das tatsächlich eher bullisch. Marketwatch wirft in diesem Punkt (bewusst?) Nebelbomben.
Außerdem gibt es ja auch noch zig Robinhood-Deppen, die noch nicht komplett verzockt sind und am kommenden Montag (morgen) "den Dip" kaufen dürften - eben weil dies in der Vergangenheit (seit März) fast immer Geld gebracht hat. Selbst nach dem 7 % Absacker Anfang Juni kam reflexartig Dip-Buying dies. Die Börse wird aktuell von Hobby-Daytradern dominiert und hat wenig "Gedächtnis an gestern" - oder technisch: es fehlt das Follow through, vor allem auf der Bärenseite.
Faktisch gab es am Freitag ein relativ hohes Handelsvolumen im SPX (siehe Chart unten) bei fallenden Kursen. Das Volumen war fast so hoch wie beim großen Verfallstag am Freitag davor. Das spräche eher für bärisches follow through - wäre da nicht diese tückische Bären-Narr-Maschine (PPT und Co.), die Charttechniker mit Kusshand narrt und charttechnische Prognosen seit Jahren fast unmöglich macht. Relevanz: Unklar. Begründung: teils falsch.
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Zu Punkt 6 und 7 (Charttechnik): Der SPX hat die 200-Tagelinie (rot) am Freitag bei eher hohem Volumen durchbrochen. Ob der sonst übliche Abpraller nach oben kommt, ist daher offen bzw. unklar. Es besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass das PPT im nächtlichen Future-Handel (von Sonntag auf Montag) die negativen Chartspuren wieder verwischen wird. Normalerweise wird es charttechnisch erst beim dritten oder vieren Test der 200dma brenzliger ("Rounding Top"). Der erste Test der 200dma Anfang Juni wurde mit leichter Verzögerung hochgekauft.
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