29.03.2010 Wirecard Bank AG wegen Geldwäsche angezeigt
"Gegen die Wirecard Bank AG aus Grasbrunn liegt bei uns seit einer Woche eine Anzeige wegen Geldwäscheverdachts vor, wir prüfen den Vorgang", sagte heute die Presse-sprecherin der Staatsanwaltschaft München I, Oberstaatsanwältin Barbara Stockinger, dem Finanz-nachrichtendienst GoMoPa.net.
Nach Unterlagen (rechts Auszug aus der Anklageschrift) der amerikanischen Bundespolizei FBI soll die bayerische Wirecard Bank AG im Auftrag der englischen Immobilienfirma Bluetool Limited im vergangenen Jahr 5,7 Millionen US-Dollar (4,2 Millionen Euro) nach Florida an den dort lebenden Berliner Immoblienmakler Michael Olaf Schütt (28) überwiesen haben. Allerdings, so das FBI, waren die Gelder nicht für Immobiliengeschäfte bestimmt, sondern dienten dazu, illegale Gewinne aus verbotenen Glücksspielen in Online-Casinos auszuzahlen.
Michael Olaf Schütt (28)Das FBI stürmte am 18. Februar 2010 das Luxusapartment von Schütt in Naples und warf dem Deutschen vor: Er habe seit dem 1. November 2007 über ein Firmennetzwerk von 424 Firmen rund um seine US AG 24, für die er 40 Konten bei der Bank of America eröffnete, 70 Millionen Dollar (51 Millionen Euro) aus Deutschland an 23.000 illegale Pokerspieler in den Vereinigten Staaten verteilt.
Das FBI hatte 2.47 Millionen Dollar (1,82 Millionen Euro) von seinen zahlreichen Bankkonten beschlagnahmt, 10.000 Dollar (7.354 Euro) fanden die Beamten cash bei ihm zuhause, außerdem zwei Damen-Brillantringe, einen Audi Quattro 7, einen Porsche 911 Carrera und vier Rolex-Uhren. Auch diese Sachen wurden eingezogen, da sie mit illegalem Geld bezahlt worden sein sollen.
Die Spieler großer Online-Casinos beschwerten sich, dass keine Kreditzahlungsüberweisungen mehr funktionieren.
Nach 34 Tagen Untersuchungshaft kam Schütt schon am 23. März 2010 gegen Auflagen und einer Kaution von 100.000 Dollar (74.000 Euro) auf freien Fuß, weil er gegenüber dem Richter ein umfassendes Geständnis ablegte. Darin beschuldigt Schütt massiv die Wirecard AG.
Schütt behauptet nach einem Bericht des Gerichtsreporters der Zeitung Naples News: Schütt sein nur ein kleiner Geldbote. Einer von insgesamt fünf. Er habe lediglich im Auftrag und als Treuhänder für die Wirecard AG, insbesondere der Wirecard Bank AG, gearbeitet. Beauftragt wurde er hierzu direkt vom Vorstand der Wirecard AG, Herrn Rüdiger Trautmann (er hat den Vorstand am 31. Januar 2010 aus persönlichen Gründen inzwischen verlassen) und Herrn Dr. Markus Braun, Vorstandschef und zugleich Vertriebsvorstand der Wirecard AG.
Die Einzahlungen erfolgten dabei über Mastercard und Visacard und seien über die Wirecard Bank abgewickelt worden. Die Wirecard Bank hat bei beiden Karteninstituten den Status des Aquirierers. Wirecard habe ein "institutionelles System zur Abwicklung illegaler Zahlungen im Internet entwickelt".
GoMoPa.net fragte bei der Wirecard AG (400 Mitarbeiter, 10.000 Geschäftskunden, 8,4 Milliarden Euro Transaktionsvolumen im Jahre 2009, seit 25. Oktober 2000 an der Frankfurter Wertpapierbörse) nach.
Eine Unternehmenssprecherin stellte gegenüber GoMoPa.net klar:
Zitat:
Weder die Wirecard – Gruppe noch eines ihrer Organe stehen oder standen in einer Beziehung zu Herrn Schuett. Unser Vorstandsmitglied Rüdiger Trautmann trat aus rein familiären Gründen zurück.
Unseren Auslandszahlungsverkehr lassen wir über eine deutsche Korrespondenzbank abwickeln. Dort werden - wie auch bei der Wirecard Bank - über ein im Markt etabliertes Geldwäsche-Relevanz-System (Genosonarsystem) ein- und ausgehende Zahlungen automatisiert geprüft.
Von unserer Korrespondenzbank erhielten wir im Februar 2010 einen Hinweis im Hinblick auf auffällige Zahlungsvorgänge der Bluetool. Wir haben dann unsererseits die Transaktionen einer Einzelprüfung unterzogen und das Konto Anfang März vorsorglich geschlossen und gleichzeitig Anzeige wegen Verdacht auf Geldwäsche erstattet. Dies entspricht dem in solchen Fällen üblichen Vorgehen.
Weder bei Kontoeröffnung noch bei den Transaktionen ergaben sich Auffälligkeiten. Und ein Herr Schütt kam nicht vor.
Selbstverständlich hat die Wirecard Bank vor der Kontoeröffnung die üblichen - sorgfältigen und eingehenden - Prüfungen vorgenommen, die u.a. auch im Hinblick auf den Sitz der Gesellschaft und des Directors - beide in Großbritannien - sowie des angegebenen Geschäftszwecks keinen Anlass zu Beanstandungen gegeben hatten. Die Aussagen dieses Herrn Schütt sind völlig haltlos. Wir werden uns mit Anwälten dagegen zur Wehr setzen. Wir haben nie zuvor etwas mit diesem Herrn zu tun gehabt. Unser Vorstandsmitglied Rüdiger Trautmann trat wirklich aus rein familiären Gründen zurück. Und der Vorstandsvorsitzende Dr. Markus Braun hatte den Namen Schütt in seinem Leben nocht nicht gehört, geschweige einen Kontakt gehabt.
Als uns die Anzeige des FBI-Beamten im Februar bekannt gemacht wurde, haben wir sofort reagiert und intern alle Transaktionen überprüft. Doch weder bei der Eröffnung der Konten noch bei den Transaktionen ist uns etwas Ungewöhnliches aufgefallen. Für uns waren es ganz normale Überweisungen von einem US-Währungskonto auf ein anderes. Es gab keine Besonderheiten. Und ein Herr Schütt kam nicht vor. Die Firma Bluetool Limited wies sich uns gegenüber als Immobilienfirma aus.
GoMoPa.net: Nun ist es aber dennoch auffällig, dass der Aufsichtsrat Jens Röhrborn mitte letzten Jahres die Wirecard Bank AG verließ. Zuvor hatte er auf der Internetseite seiner Münchener Rechtsanwaltskanzlei Holme Roberts & Owen (HRO) davor gewarnt, dass sich die amerikanischen Behörden einen Verstoß gegen ihr Gesetz "Unlawful Internet Gambling Enforcement Act of 2006" nicht gefallen lassen und sowohl Privatpersonen und Banken zur Verantwortung ziehen werden.
Die Unternehmenssprecherin: "Zwischen dem Weggang von Jens Röhrborn und dem jetzigen Fall besteht kein Zusammenhang. Herr Röhrborn hat den Aufsichtsratssitz in der Bank aufgegeben, damit er uns künftig unabhängig als Rechtsbeistand zur Verfügung stehen kann und er nicht in Interessenkonflikte kommt."
GoMoPa.net: Herr Röhrborn schrieb aber, dass man das Verbot elektronischer Zahlungsmittel für Online-Glücksspiel sehr wohl umgehen kann. Er schrieb: "Aufgrund des großen wirtschaftlichen Potenzials und der technischen Möglichkeiten im Internet ist jedoch zu erwarten, dass mittelfristig zahlreiche Umgehungsmechanismen entwickelt werden." Genau diesen Umgehungsmechanismus hat Wirecard entwickelt.
Die Unternehmenssprecherin: "Nein, wir halten uns an die Vorgaben. Außerdem haben wir im konkreten Fall gar kein System oder Mechanismus benutzt. Es waren Überweisungen, wie sie jede Bank der Welt von einem Konto auf ein anderes Konto vornimmt. Nichts anderes."
Nach Bekanntwerden der Anklageschrift des FBI gegen Michael Olaf Schütt und Vorwürfe gegen die Wirecard AG, stürzte die Aktie der Wirecard (WKN 7472206) Anfang März um zehn Prozent auf 8 Euro ab, hat sich aber inzwischen wieder in Richtung 11 Euro erholt.
Schütt wohnt inzwischen bei seiner Schwiegermutter in Ost-Naples und darf den Ortskreis nicht verlassen. Schütt, der sich in Amerika Schuett nennt, hatte seine Frau Jennifer Shermann-Schuett (28) erst im Januar 2010 geheiratet. Er ist auch erst seit dieser Zeit im Besitz eines gültigen Visas. Ob er sich vorher illegal in den USA aufhielt, was sich auf das Strafmass niederschlagen würde, ist nicht bekannt.
Das US-Gesetz sieht laut Paragraph 5366 (a) bei "Verletzung des Verbots, für Online-Glücksspiel elektronische Zahlungsmittel zu akzeptieren," Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren vor. Schütt erhofft sich durch sein Geständnis, er habe unerlaubte Banktätigkeiten ("unlicensed money transmitting business") verübt, wohl eine mildere Strafe. US-Magistrats-Richter Judge David Cohen wird in etwa 90 Tagen das Urteil sprechen.
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