19.10.2007 | 18:30 | (Die Presse)
Börsegang. Die Aktien des österreichischen Baukonzerns Strabag wurden am Freitag erstmals an der Börse gehandelt – und verzeichneten gleich Kursgewinne.
WIEN (g.h./mk/ag.).Jubel, Applaus, Champagner. Am Freitag, kurz nach neun Uhr, wurde der erste Kurs der Strabag-Aktie bekannt: Das Bau-Papier startet bei 50 Euro. Für alle, die Aktien zu 47 Euro zugeteilt bekommen haben, heißt das, es war ein gutes Geschäft.
Nur einer, inmitten des morgendlichen Tumults in der Wiener Börse, macht zwar ein fröhliches Gesicht, sagt aber dann mehr zu sich selbst: „Es war doch gut, dass wir es gemacht haben.“ Er, das ist Strabag-Chef Hans Peter Haselsteiner. Und würde man den größten Börsegang der österreichischen Geschichte in eine Metapher gießen, müsste es heißen: Es war eine sehr lange, schwierige Geburt. Der Jüngling ist wohlauf. Nur bei Hans Peter Haselsteiner können sich offenbar nicht allzu große Vatergefühle einstellen.
Glücklich und müde zeigten sich auch die „Geburtshelfer“ auf Bankenseite. Sie hatten bis in der Früh die genaue Zuteilung der 28.200.001 Aktien bearbeitet. Dass bei einer so starken Nachfrage – zehnmal mehr Aktien wurden bestellt, als im Angebot waren – nicht alle bedient werden konnten, war schon länger klar. Umso mehr freuten sich Anleger darüber, dass die Aktien nicht ganz oben in der Preis-Spanne bei 48 Euro, sondern zu 47 Euro ausgegeben wurden. Von den Bestellungen her wäre es auch möglich gewesen, die Aktien zum Höchstpreis auf den Markt zu bringen, wird erzählt.
Ein paar nützten den Kurs über 50 Euro gleich, um Kasse zu machen. Dies führte zu einem Rückgang auf 48,70 Euro, am späten Nachmittag notierte die Strabag-Aktie bei 50,60 Euro. Also rund acht Prozent im Plus.
„Zischt nicht wie eine Rakete“ „Angesichts einer zehnfachen Überzeichnung ist das ein moderater Kursanstieg. Die Aktie zischt nicht weg wie eine Rakete. Einige haben sich da mehr erwartet“, sagt Kleinaktionärsvertreter Wilhelm Rasinger. Der bis zur Strabag größte Börsegang am Wiener Aktienmarkt, Raiffeisen International, legte am ersten Tag um 27 Prozent zu.
Für Alois Wögerbauer, Geschäftsführer der 3Banken-Generali-Investment-Gesellschaft, bleibt als Fazit des erfreulichen ersten Strabag-Handelstages: „Der Markt ist für Neuemissionen klar aufnahmefähig, es ist genügend Kapital vorhanden.“
Alfred Reisenberger, Chefanalyst der UniCredit in Wien, rechnet damit, dass die Strabag-Aktie, solange die Märkte gut sind, auch gut abschneidet. „Aber wenn sich das Wirtschaftswachstum abschwächt, dann wird es auch Strabag treffen.“
„Russland bleibt immer Putins Land“ Für Wögerbauer ist die Strabag ein „sehr gutes Langfrist-Investment“ für Investoren, die auch mit Schwankungen und Risiken umgehen können. Einerseits wegen des Bereichs Infrastruktur (Flughäfen, Autobahnen, Brücken), andererseits wegen der Marktchancen in Russland. Dank des Großaktionärs, des russischen Oligarchen Oleg Deripaska, hat die Strabag am russischen Markt gute Karten. Durch den Börsegang fließen der Strabag 893 Mio. Euro Eigenkapital zu. 600 Mio. sollen laut Haselsteiner in den kommenden Jahren in Russland investiert werden. Ein politisches Risiko sieht er nicht. Die Oligarchen werden zumindest für die nächsten 20, 30 Jahre an der Macht bleiben. „Es macht keinen Unterschied, ob Putin künftig Präsident, Premierminister oder ein Fischer in Alaska ist. Es wird in gewisser Art und Weise immer sein Land und seine Regierung bleiben“, sagt Haselsteiner.
Wögerbauer traut der Aktie in den kommenden Jahren eine solide Performance im Bereich von zehn bis bis 15 Prozent pro Jahr zu: „Wer investiert ist, liegen lassen und der Story die Zeit geben, die sie verdient. Wer nicht investiert ist oder zu wenig Aktien bekommen hat: Es wird auch Gewinnmitnahmen geben – nur bei Schwäche einsteigen“.
Dass der größte Börsegang des Landes schnell im Leitindex ATX berücksichtigt wird, ist für viele Analysten und auch das ATX-Komitee eine Selbstverständlichkeit. Dennoch gibt es im Markt Stimmen, die diesen Schritt kritisieren. Wäre man wirklich ganz regelkonform vorgegangen, hätte man etwas warten müssen. Aber es habe großes Interesse gegeben, die Strabag zu einem Erfolg zu machen. siehe auch Seite 32
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2007)
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