Fieberhaft auf Partnersuche Wegen der Finanzkrise können sich viele Biotechs nicht mehr refinanzieren. Die Branche steht vor einer Konsolidierung.
Als wäre das Ausfallrisiko der Wirkstoffe in den klinischen Studien nicht schon groß genug. Wegen der Finanzmarktkrise kämpfen zahlreiche Biotechfirmen jetzt auch noch um die Finanzierung ihrer Projekte. "Der Zugang zu Eigenkapital ist derzeit fast vollständig verschlossen. So schwierig war der Markt noch nie. Einige Gesellschaften werden es nicht schaffen", prognostiziert Torsten Hombeck, Finanzvorstand bei GPC Biotech. Ins gleiche Horn bläst Intercell-Chef Gerd Zettlmeissl: "Es kommt sicher zu einer Auslese."
Es versiegt nicht nur die Finanzierung über die Börse, auch klassische Geldquellen sind verstopft. "Finanzinvestoren haben selber Probleme, an Geld zu kommen. Sie sind jetzt sehr selektiv", sagt Roland Maier, Head Management Team bei BB Biotech. Konsequenz: Viele Biotechs werden die Krise nicht überleben. War bisher eine besonders breite Pipeline gefragt, konzentrieren sich nun immer mehr Firmen auf Kernprojekte, um den finanziellen Atem zu verlängern. "Biotechs können Kosten besonders schnell reduzieren", weiß Harald Schwarz, Fondsmanager bei Medical Strategy. Forschungsprojekte werden eingestellt oder verkauft, extern vergebene Aufträge storniert..
Doch gesundsparen kann sich in dieser großteils umsatzlosen Branche niemand. Oft muss eher früher als später ein Partner aus der Pharmaindustrie die Liquiditätslücke schließen, indem er Millionen für Vermarktungsrechte auf den Tisch legt. Zahlreiche deutsche Biotechs sind fieberhaft auf Partnersuche. "Bei Medigene sollte eine Verpartnerung des Krebsmedikaments Endotag noch 2009 erfolgen", sagt Fondsprofi Schwarz. Die Zeit drängt. Monatlich verbrennt Medigene 2,3 Millionen Euro, der Cashbestand lag zuletzt bei 25 Millionen Euro - in weniger als elf Monaten wäre das Geld weg.
Auch bei Wilex spitzt sich die Lage zu. Die Finanzmittel des Krebsspezialisten schrumpften im ersten Quartal um 41,2 Prozent auf 16,5 Millionen Euro. Das Unternehmen ist durch die Partnerschaft mit UCB bis zum ersten Quartal 2010 finanziert. Spätestens dann sollte ein Pharmariese das Nierenkrebsmittel Rencarex durch die klinischen Studien tragen.
Risikoscheue Anleger sollten von 4SC ebenfalls die Finger lassen. Dort ist die Finanzierung bis ins erste Halbjahr 2010 gesichert. Doch der Geldverbrauch ist hoch. Seit dem Kauf einiger Krebsmittel von Nycomed laufen sechs klinische Projekte. Vier Wirkstoffe sollen bald in die teure Testphase eintreten.
Die Geldsorgen sind nicht auf Deutschland beschränkt. Auch in der Schweiz steht die Branche vor der Konsolidierung. Den einstigen Highflyer Arpida hat die Abfuhr für das Antibiotikum Iciaprim in den USA schwer getroffen. 2008 schmolzen die liquiden Mittel auf 39 Millionen Franken (25,7 Millionen Euro). Allein der 2008er-Betriebsverlust war fast doppelt so hoch. Das Bare reicht nur noch für wenige Monate. Bei der Hauptversammlung wird über die Auflösung des Unternehmens und den Verkauf des größten Hoffnungsträgers Idaprim abgestimmt.
Der Impfstoffentwidder Cytos scheiterte in der zweiten klinischen Phase mit einem Blutdruckimpfstoff. Zunehmend nervös warten Anleger auf überfällige Ergebnisse zum Fortschritt eines Produktkandidaten zur Raucherentwöhnung. Noch immer fressen drei Wirkstoffe in der Phase II der klinischen Studien viel Geld. Die Schweizer entlassen Mitarbeiter, um die Liquidität bis 2012 zu sichern.
Dabei ist die Nachfrage nach neuen Medikamenten robust. In der Pharmaindustrie laufen zwischen 2010 und 2015 die Rechte für Medikamente mit einem Jahresumsatz von 235 Milliarden Dollar aus. Die Pillenriesen mit ihrer Marktkapitalisierung von 1200 Milliarden Dollar haben eine enorme Finanzkraft. Sie könnten die gesamte Biotechbranche, deren Marktkapitalisierung bei 300 Milliarden Dollar liegt, aufsaugen. "Es wären so viele Akquisitionen finanzierbar, so viele Übernahmeziele gibt es gar nicht", sagt Schwarz.
Dennoch lässt sich die Pharmabranche Zeit. Sie sitzt am längeren Hebel. Ihr Kalkül: Je mehr die Geldquellen der Forscher austrocknen, desto größer die Bereitschaft zu Zugeständnissen. Für den allergrößten Teil bleibt die Zulassung eines Produkts ohnehin nur ein Traum.
„Von den 2500 Biotechunternehmen schafften es nur 30 in die Gewinnzone. Derzeit ist es schwieriger denn je, in diesem Bereich erfolgreich zu sein", sagt BB-Biotech-Chefanleger Maier.
Neben Musterbeispielen wie dem US-Riesen Amgen haben es auch Unternehmen aus Deutschland, der Schweiz und Österreich geschafft, ihren Traum zu verwirklichen. Morphosys und Qiagen haben sich erfolgreich spezialisiert und weisen seit Jahren Gewinne aus. Die Schwäche manches Mitbewerbers könnte für Zukäufe genutzt werden.
Ebenfalls eine Kaufempfehlung ist Intercell aus Österreich. Eine Kooperation mit Novartis und die Zulassung eines Impfstoffs gegen Japanische Enzephalitis (JE), eine Tropenkrankheit, brachten den Durchbruch. Ein Cashpolster von 190 Millionen Euro und die Aussicht auf jährliche Spitzenumsätze von 200 Millionen Euro allein mit dem JE-Impfstoff wirken beruhigend.
Die Schweizer Erfolgsstory heißt Actelion. Die Firma brachte drei Medikamente auf den Markt. Das Potenzial zu einem Blockbuster hat das Schlafmittel Almorexant. Der Hauptumsatzbringer Tracleer bekam zwar Gegenwind durch das Konkurrenzmedikament Letairis. Doch Geldsorgen gibt es hier keine.
ERICH GERBL
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