Falls es noch keiner gelesen hat.
Cegedim hat die Umsatzzahlen für das erste Halbjahr veröffentlicht und dabei auch einige interessante Informationen zum Geschäftsverlauf bekannt gegeben. Der Umsatz ist in allen Geschäftsbereichen gewachsen - in Summe um 6,1% auf vergleichbarer Basis. Das Ergebnis des ersten HJ wird aber schwächer sein als im Vorjahr, insbesondere da Kostensteigerungen (Personal) erst mit Verzögerung an die Kunden weitergegeben werden können. Zusätzlich belasten weiter die hohe Investitionskosten in R&D. Nach den Aussagen im Call wird aber das 2. HJ vom Ergebnis wieder spürbar besser sein und sollte über Vorjahr liegen, so dass im Gesamtjahr ein nur leicht unter dem Vorjahr liegendes Ergebnis erzielt werden sollte. Die Gründe für ein besseres zweites Halbjahr sind - neben der Preisanpassung an die Inflation - das Auslaufen von Sondereffekten aus Covid und eine bessere Performance in UK (Zulassungsverfahren). Wichtig für die Interpretation der Ergebnisse sind jedenfalls die hohen Investitionen insb. im Bereich Santé. Der aus meiner Sicht sehr attraktive Deal mit den Versicherungsgesellschaften, die um 65 Mio. eine Kapitalerhöhung für 18% von Santé gezeichnet haben, ist im Mai abgeschlossen worden. (Die verbleibenden 82% an Santé - die 12% des Umsatzes und 5% des Gewinnes der Gruppe repräsentieren - haben eine höhere Bewertung als Cegedim als Ganzes!). Wie ist vor dem Hintergrund der aktuellen Informationen die operative Entwicklung in Summe zu bewerten? Cegedim ist nach meiner Einschätzung immer noch relativ träge unterwegs, kommuniziert unvorteilhaft und die Corporate Governance wirft einige Fragen auf. Das Geschäftssystem stimmt aber - der Markt ist konjunkturunabhängig und die Lösungen von Cegedim sind gefragt. Es sieht ganz so aus, als ob sich die hohen Investitionen über Zeit auszahlen werden. Kritisch ist die hohe Lohninflation, da man die höheren Lohnkosten auf Basis der Indexklauseln in den Verträgen immer erst im Folgejahr an die Kunden weitergeben kann. Und der in den Verträgen verwendete Synec-Index ist (leider für Cegedim) sehr moderat und dürfte die echten Lohnsteigerungen nicht vollumfänglich abdecken. So beträgt der Index-Anstieg über die letzten 12 Monate bis Juni 2022 nur 1,6% (vgl. hier). Trotzdem kann man für 2023 eine deutliche Verbesserung des Umfeldes mit weiterem Wachstum und einem Abflachen der Lohninflation erwarten. In Kombination mit den verstärkten Vertriebsanstrengungen sollten Gewinne je Aktie von über 2 Euro nicht mehr in weiter Ferne liegen (für 2022 werden es wohl eher so 1,7 bis 1,8 Euro sein). Bis sich die Skalierungsvorteile in den Zahlen zeigen, wird man aber vermutlich die 2024 oder 2025er Zahlen abwarten müssen. Ausgehend von einem Kurs von nur knapp über 20 Euro (MK 280 Mio. Euro) ist die Bewertung jedenfalls sehr moderat. Wenn man es schafft, über die nächsten 5 Jahre mit 6-7% zu wachsen, die EBIT-Marge auf 10% zu steigern und nur 6% Nettomarge schafft, dann wäre man im Jahr 2027 bei einem Umsatz von über 750 Mio. und einem Gewinn je Aktie von 3,4. Mit der Historie wäre dann vermutlich auch eine Bewertung im Form eines P/S von 1 und von 15 KGV das untere Limit - das würde einem Aktienkurs von 50 bis 60 entsprechen. Bei freundlichen Märkten und weiterhin positivem Ausblick bis dahin wäre eine Bewertung mit dem Doppelten aber genauso möglich.
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