HighTech Investor: UMTS-Dynamik könnte der angeschlagenen Nokia-Aktie helfen 01. Juni 2004
Am Markt vorbei entwickelt, Schwächen im Produktmix: so fallen derzeit die Expertenmeinungen zu Nokia aus. Mutigen Anlegern könnte sich auf aktuellen Niveau ein interessantes Investment bieten. Zumal die nächste Handygeneration schneller als erwartet kommt.
Frankfurt – Mangelnde Weitsicht hat in der Wirtschaftsgeschichte zum Verschwinden zahlreicher Unternehmen geführt. Gerade Vorstände von börsennotierten Unternehmen sind versucht, ihren zeitlichen Horizont auf den quartalsweisen Berichtszeitraum zu beschränken. Und laufen damit Gefahr, die langfristige Entwicklung des Marktes aus den Augen zu verlieren. Manchmal kann jedoch auch ein zu weiter Horizont fatal sein. Dann nämlich, wenn das Management eines Unternehmens am Verbraucher vorbei Visionen neuer Märkte entwickelt, die niemals Wirklichkeit werden.
In eben diesem Dilemma scheint sich augenblicklich der finnische Mobilfunkkonzern Nokia zu befinden. Denn die Wette, die das Unternehmen im Jahr 2001 eingegangen war, hieß Smart Phones: Handys, mit denen Nutzer das Internet nutzen können, Videos ansehen und Videogames spielen können. 2,9 Mrd. USD jährlich - rund 80 Prozent seines 3,6 Mrd. USD schweren Forschungs- und Entwicklungsbudgets – investiert Nokia derzeit in die Alleskönner unter den Mobiltelefonen und die Konvergenz von Telefon und PC.
Zu kompliziert, zu klobig und zu teuer – so lässt sich das Urteil der Verbraucher auf die bisherigen Anstrengungen von Nokia im Bereich Smart Phones zusammen fassen. Gerade mal 5,5 Millionen der High-end-Handys habe Nokia nach Angaben der Marktforscher der International Data Corp (IDC) im vergangenen Jahr abgesetzt. Ursprünglich hatten die Finnen 10 Millionen Einheiten gerechnet.
Diese einseitige Konzentration auf das obere Preissegment hat Nokia nun in die tiefste Krise seit Jahren getrieben. Analysten erwarten, dass Nokia das dritte Jahr in Folge mit minimalem oder keinem Umsatzwachstum beendet. Im ersten Quartal musste Nokia einen um zwei Prozent rückläufigen Umsatz ausweisen; wohlgemerkt in einem Mobilfunkmarkt, der auf Jahressicht um 40 Prozent nach Zahl der ausgelieferten Handys wuchs.
Während Nokia Millionen in die Softwareentwicklung pumpt, um dem vermeintlichen Konkurrenten Microsoft nicht das Feld mit Handybetriebssystemen zu überlassen, setzten Wettbewerber die Markttrends: Zierliche Klapphandys mit Farbdisplay und integrierter Kamera avancierten zum Industriestandard. Im mittleren Preissegment, das zu einem der margenstärksten überhaupt zählt, konnte der Innovator Nokia erst mit einjähriger Verzögerung ein Konkurrenzmodell vorlegen.
Motorola, Samsung und SonyEricsson setzen derzeit die technologischen und modischen Trends. Während die Verfolger aufholen, brach der Marktanteil von Nokia von 35 auf 29 Prozent ein. Analysten wie die der Zürcher Kantonalbank attestieren Nokia ein „Fehlen von Produkten im mittleren Preisbereich und einen schlechten Produktmix“.
Exemplarisch für die Probleme Nokias, auf die Wünsche des Marktes einzugehen, stehen auch die Verhandlungen mit der französischen Orange, immerhin einer der größten Mobilfunkbetreiber in Europa. Nokia schaffte es nicht, die von Orange gewünschten Funktionen in neue Handys zu gießen. In der Folge forcierten die Franzosen die Zusammenarbeit mit anderen Herstellern, allen voran die us-amerikanische Motorola.
Man sei sechs Monate hinter dem gewünschten Zeitplan hinterher, gab Nokia-Chef Jorma Ollila kürzlich anlässlich einer Analystenkonferenz zu. Auch räumte der Mobilfunkpionier, der den Mischkonzern seit 1992 zu einem reinrassigen Technologieunternehmen umbaute, Schwächen im Produktportfolio ein, an deren Beseitigung fieberhaft gearbeitet werde. Nokia plant noch in diesem Jahr eine Produktoffensive von 40 neuen Modellen sowie weitere Maßnahmen, um Marktanteile zurück zu gewinnen.
Diese Maßnahmen beinhalten die stärkere Zusammenarbeit mit den Mobilfunkbetreibern, außerdem soll der Marketingdruck erhöht sowie stärker auf den Verbraucherwunsch nach Lifestyle- und Designhandys eingegangen werden. Nokia ist damit bereit, für höhere Marktanteile niedrigere Gewinne in Kauf zu nehmen. Denn zunächst entstehen zusätzliche Kosten in Form von Entwicklung und Werbung bzw. durch höhere Margen für die Carrier. Dies dürfte sich auch in den kommenden Ergebnissen bemerkbar machen.
Doch diese Maßnahmen dürften bereits im Aktienkurs von Nokia eingepreist sein. Seit der Umsatzwarnung im April brach die Aktie von 19 auf aktuell knapp über 11 Euro ein. Dieser Kursturz dürfte jedoch kaum den wirtschaftlichen Realitäten entsprechen. Denn trotz der unbestrittenen Probleme bei dem finnischen Konzern, dürfte ein KGV von unter 15 für das laufende Jahr für einen Marktführer im Technologiesektor kaum angemessen sein.
Unerwartete Schützenhilfe erhielt Nokia jetzt von der Marktforschung GfK. Eine aktuelle Marktübersicht kommt zu dem Schluss, dass sich der Absatz von UMTS-Handies beschleunigt. Im April wurden europaweit 225.000 Geräte verkauft was einer Verdopplung gegenüber dem März entspricht. Zwar entspricht dies erst einem Anteil von zwei Prozent. Doch die Finnen, die derzeit die meisten UMTS-fähigen Geräte am Start haben, dürften von diesem dynamischem Wachstum direkt profitieren. Denn dass UMTS – zumindest in Europa – ein Erfolg wird, daran gibt es kaum Zweifel und ein unschlagbares Argument: über 100 Milliarden Euro haben die europäischen Mobilfunkprovider für ihre Lizenzen ausgegeben. Erschlossen wird dieser Milliardenmarkt vor allem durch attraktive Endgeräte.
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