Quelle: Spiegel-Online / Wirtschaft / 24.5.04
(Hier das Wesentliche als Auszug - Hervorhebungen in GROSSCHRIFT sind von mir)
WENN ALTE SÄCKE FEUER FANGEN
Von Thomas Hillenbrand, New York
Was eint Amerikas Microsoft und Europas Nokia? Beide werden von Medien, Analysten und Investoren derzeit in der Luft zerrissen. Wenn so viele Leute gleichzeitig "Buh" schreien, ist das verdächtig - Zeit, sich die zwei Aktien einmal genauer anzuschauen.
New York - Der Zeitpunkt, bis zu dem Nokia noch eine coole Marke war, lässt sich ziemlich genau datieren. Es war im Sommer 1999, als der erste Teil des Cyberspace-Epos "The Matrix" ins Kino kam. Wenn Protagonist Neo sich ins Datennetz einklinken wollte, griff er zu einem Nokia 8110 (das war jenes gebogene Handy, das beim Öffnen des Deckels so schön "Schnack" machte). In den Fortsetzungen "Reloaded" und "Revolutions" verwendeten Neo und Trinity erneut ein hippes Handy - nur diesmal war das Gerät von Samsung.
Die Anekdote illustriert, wie viel Europas Technologiekonzern Nummer eins innerhalb weniger Jahre von seinem Glanz eingebüßt hat. Die Technik mag in Ordnung sein, aber das Design der Telefone ist entweder altbacken oder allzu futuristisch: Das 7600, Flaggschiff von Nokias UMTS-Reihe, sieht aus, als ob einem CAD-Designer nach dem vierten Finlandia-Wodka die Maus ausgerutscht ist. Das macht sich in den Zahlen bemerkbar, die Aktie leidet. Derzeit dümpelt sie bei elf Euro, dem tiefsten Stand seit Ende 1998. Am vergangenen Freitag stuften zwei weitere Investmenthäuser das Papier erneut herunter.
Alte Säcke in der Midlife-Crisis
Nokia befindet sich in bester Gesellschaft. Microsoft, Amerikas Technologiekonzern Nummer eins, steckt ebenfalls in einer Art Midlife-Crisis...
Fast alle sind sich einig, dass sowohl Nokia als auch Microsoft in die Jahre gekommen sind und kein Feuer mehr besitzen. SOVIEL ÜBEREINSTIMMUNG zwischen Presse, Investmentbanken und Börse SOLLTE einen aus Prinzip MISSTRAUISCH STIMMEN. Denn die oben genannten Probleme der beiden Marktführer sind der IST-ZUSTAND. Der sollte Börsianer aber weniger interessieren als die ZUKUNFT.
Ohne eine Kristallkugel ist die normalerweise schwer vorherzusagen. Doch im Falle von Nokia zeichnet sich bereits ab, dass die Dinge nicht ganz so dramatisch sind, wie es derzeit den Anschein hat. Im Laufe des Jahres wird der Konzern etwa 30 NEUE HANDY-MODELLE auf den Markt bringen. Wenn sich die Finnen nicht allzu ungeschickt anstellen und zumindest eine Handvoll passabler Geräte zustande bringen, sollte das den Druck von der Aktie nehmen. Zudem vergessen viele, dass Mobiltelefone nur eines von Nokias Geschäftsfeldern sind.
Als Ausrüster stellt der Konzern jene Technik her, die für den Aufbau und die Erhaltung von Mobilfunknetzen benötigt wird. Wegen des Geschäfts mit UMTS zog der Umsatz in dieser Sparte im ersten Quartal um 16 Prozent an, Tendenz vermutlich steigend. Da Nokias Aktie mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 13,7 für kommendes Jahr RECHT NIEDRIG BEWERTET, könnte sich das Papier demnächst wieder nach oben bewegen. Zum Vergleich: Das KGV der 83 Technologiewerte im amerikanischen Standard & Poor's 500 Index liegt für 2005 bei geschätzten 22. Das lässt Nokia beinahe als Schnäppchen erscheinen...
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