Und der schon gar nicht
Video belegt Experten-Warnung vor "Katrina" Bush war rechtzeitig vorgewarnt Das Weiße Haus versucht zu beschwichtigen, doch die Macht der Bilder ist größer: Bisher unveröffentlichte TV-Aufnahmen vom Tag, bevor Hurrikan "Katrina" die Stadt New Orleans überspülte, dokumentieren: US-Präsident Bush war frühzeitig vor dem Wirbelsturm und dem möglichen Brechen der Deiche gewarnt worden - entgegen seinen beisherigen Beteuerungen.
Von Georg Schwarte, NDR-Hörfunkstudio Washington
Crawford, Texas. US-Präsident George W. Bush sitzt im abhörsicheren Videokonferenzraum seiner Ranch, die Ellenbogen auf den Tisch gestützt. Es ist Sonntag, der 28. August 2005. Der Tag, bevor Hurrikan "Katrina" New Orleans unter Wasser setzte, die Golfküste verwüstete und die Region wie auch die Katastrophenschützer in die Katastrophe stürzte.
Im Videokonferenzraum der Präsidenten-Ranch im texanischen Crawford aber war Bush zuversichtlich: "Den Leuten in den Bundesstaaten sage ich: Die Regierung ist bestens vorbereitet - nicht nur auf den Sturm, sondern auch auf alles, was dieser Sturm anrichten wird."
Der Film war bisher nicht bekannt; ein Mitschnitt einer Videokonferenz, eine Momentaufnahme nur - allerdings eine, die dem US-Präsidenten jetzt wehtun wird. Denn die Aufnahmen belegen: Bush wusste vor der Katastrophe um die Gefahr brechender Dämme in New Orleans. Er wusste um die Gefahr chaotischer Rettungsmaßnahmen und ausbleibender staatlicher Hilfe.
New Orleans Bürgermeister Ray Nagin ist einigermaßen sprachlos, als er das Video zum ersten Mal sieht: "Das macht allen klar: Die Regierung, der Präsident, sie wussten vor dem Sturm, was auf uns zukommt. Es gab das Versprechen des Präsidenten zu helfen, und nichts davon wurde umgesetzt."
Auf den verschwommenen Bildern, die der Nachrichtenagentur AP zugespielt worden waren, ist der Präsident zu sehen und zu hören. Zugeschaltet zudem: der später entlassene Chef des Katastrophenschutzes (Fema), Michael Brown, Heimatschutzminister Michael Chertoff, Chef-Meteorologe Max Mayfield und andere Katastrophenschützer verschiedener Ebenen. Fema-Chef Brown klang damals besorgt, fast panisch: "Mein Bauch sagt mir, das hier ist genau der große Hurrikan, den wir immer gefürchtet haben, und ich glaube das weiterhin."
Brown sagte damals in Gegenwart des Präsidenten voraus, was später grausame Wirklichkeit wurde: Er sei besorgt, ob die Rettungskräfte auf eine Katastrophe innerhalb der Katastrophe reagieren könnten. Er sagte, sie, die örtlichen Katastrophenschützer der Stadt New Orleans und des Staates Louisiana, würden derzeit weder Krankenhäuser noch Gefängnisse evakuieren, sondern ließen im Gegenteil sogar die Hotels geöffnet. Und lange redeten sie damals über die Gefahr, dass die Dämme in New Orleans brechen könnten. Alle wussten offenbar im Vorfeld darum.
Dammbrüche: "Niemand" konnte es voraussehen?Zweimal noch telefonierten Brown und Bush an jenem Tag, sprachen über die Dämme, die Gefahr eines Dammbruchs. Davon aber wollte Präsident Bush später öffentlich nichts mehr wissen. "Ich weiß, dass viele frustriert sind, aber niemand konnte vorhersehen, dass die Dämme brechen", so der Präsident nach der Katastrophe.
Die Videobänder aber besagen etwas anderes. Und auch der später erst gescholtene und dann entlassene Katastrophenschutz-Direktor Michael Brown sagt: "Wer behauptet, man sei vom Ausmaß der Katastrophe überrascht worden, der erzählt Blödsinn."
Weißes Haus versucht zu beschwichtigen. Das Weiße Haus erklärt mittlerweile, man dürfe die Aussagekraft einer einzelnen Videokonferenz nicht überbewerten. Das Heimatschutzministerium ließ mitteilen, die Protokolle der Videokonferenzen seien bereits vor Monaten dem Kongress übergeben worden. Trotzdem: Der politische Schaden für den Präsidenten ist da. Die Macht der Bilder ist offenbar größer als die Beteuerungen der Regierung. Und das zu einer Zeit, in der Präsident Bush ohnehin die niedrigsten Zustimmungswerte seiner gesamten Präsidentschaft hinnehmen muss.
Nur noch 34 Prozent der Amerikaner sind derzeit mit der Amtsführung ihres Präsidenten zufrieden. Schlechtere Umfragewerte hatte in der Vergangenheit bisher allein Präsident Richard Nixon erhalten, sechs Monate bevor er wegen der Watergate-Affäre zurücktreten musste.
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