Deine Berechnung ist grundsätzlich richtig. Du beschreibst klassisch die Umkehr des Leverage Effektes. Allerdings, und das ist im Falle Vonovias wichtig, ist mit anderen Parametern zu rechnen.
Vonovia hat nicht das "eine" Immodarlehen, welches nun zu den aktuellen Marktzinsen refinanziert werden muss. Vonovia hat in ungefähr 47 mrd Euro Verbindlichkeiten aus der Finanzierung (kurz- und langfristig, Bankdarlehen u. Anleihen) von Immobilien u. co, welche verzinslich sind. Diese teilen sich auf in viele verschiedene Darlehen und Anleihen mit einer Restlaufzeit von wenigen Monaten bis über 15 Jahre. Im Schnitt kann man sagen, muss Vonovia jährlich Anleihen und Darlehen im Umfang von ca. 3 bis 4 mrd Euro refinanzieren. Was man ebenfalls sagen muss ist, dass die Refinanzierung aktuell zu wesentlich höheren Konditionen erfolgt als die abzulösenden Verbindlichkeiten.
Und dennoch: Die Gleichung aufzumachen in welcher man für die Verbindlichkeiten aus Anleihen und Bankdarlehen einfach pauschal den aktuellen Marktzins annimmt, greift wesentlich zu kurz. Rechnerisch müsste dieser aktuelle Marktzins die nächsten 13 Jahre anhalten, was sehr unwahrscheinlich ist.
Aber simulieren wir dies Annahme doch mal:
Aktuell weist Vonovia einen durchschnittlichen Zins auf seine Verbindlichkeiten in Höhe von 1,35 % p.a. aus. Dies entsprich laut dem letzten Quartalsbericht einer jährlichen Zinsaufwendung in Höhe von 320 mio Euro bei einem Jahresergebnis von ca. 3 mrd Euro.
Nehmen wir nun mal an, dass Vonovia ab jetzt keinen Cent mehr tilgt, keine Assets verkauft (es läuft derzeit in Verkaufsprogramm im Umfang von ca. 17 mrd Euro zur Schuldenreduktion) und sofort alle in den nächsten 13 Jahren zu refinanzierenden Darlehen heute zum Zinssatz von 4 % p.a. refinanziert, dann würde dies einer jährlichen Zinsbelastung von ca. 1 mrd Euro entsprechen. Gleichzeitig simulieren wir nun mal zugleich einen Mietausfall in Höhe von 20 % bei jährlichen Mieterträgen in Höhe von 5 mrd Euro. Die Belastung hieraus würde sich auf eine weitere mrd pro Jahr summieren. In diesem Extremszenario wäre der Gewinn von Vonovia von 3 mrd auf 1 mrd eingebrochen. Also noch sehr weit entfernt von einer existenzbedrohenden Notlage.
Vielmehr ist davon auszugehen, dass nach relativ hohen Zinsen in 2023 und 2024 wohl spätestens ab 2025 wieder deutlich günstiger refinanziert werden wird. Ferner rechne ich für 2025 dann auch mit der vollständigen Veräußerung der Assets im Wert von 17 mrd Euro. Zugleich wird Vonovia bei jedem Mieterwechsel und der anschließenden Neuvermietung deutlich höhere Mieten erzielen können.
Anstehende energetische Sanierungsmaßnahmen kann sich Vonovia mittels KfW bzw. Bafa fördern lassen. Ferner unterhält Vonovia einen eigenen Handwerker- und Bautrupp inkl. Architekten und Bauingenieuren, welcher das Sanieren wesentlich günstiger ermöglicht als externe Unternehmen und deren Stundensätze und viel schwerwiegender, deren Materialpreise bezahlen zu müssen.
Die Strom- und Gaspreisbremse hat zudem das Risiko aus der teilweisen Uneinbringlichkeit von Nebenkostenforderungen enorm gesenkt. Auch wenn wir unser Extremszenario jetzt noch um 0,5 mrd Euro Belastung aus diesem Umstand erweitern würden, würde dennoch ein Gewinn übrig bleiben.
Ein weiterer Punkt ist natürlich, dass durch die Erhöhung des Rechnungszinses im Rahmen des Ertragswertverfahrens Abschreibungen auf den Immobilienbestand drohen. Dies kann und wird ein Stück weit dazu führen, dass sich der LTV (Loan to Value = Verhältnis der Aktiva zu den Verbindlichkeiten) etwas verschlechtert. Aktuell liegt dieser bei etwa 43 %, was heißt, dass (salop gesagt) die Immobilien derzeit zu 43 % mit Schulden belastet sind. Sinkt nun der beizulegende Wert der Immobilien, steigt der LTV an. Problematisch könnte dies theoretisch dann sein, wenn die in den Anleihebedingungen vereinbarten Covenants gerissen werden würden. Vorher würde Vonovia natürlich Assets verkaufen müssen oder eine große Kapitalerhöhung durchführen. Allerdings, schaut man genau auf dieses abstrakte Gefahr, müsste Vonovia etwa ein Drittel des Immobilienwertes abschreiben (ca. 30 mrd Euro). Dass dies geschieht, ist sehr sehr unwahrscheinlich. Noch nicht mal während der Hypothekenkrise ab 2008 gab es diesen Wertverfall in dem Segment, in welchem Vonovia unterwegs ist. Und damals, ich erinnere mich noch gut, brannte die Lunte gewaltig. Übrigens gab es diesen Wertverfall noch nicht mal in den USA (in diesem Segment).
Insofern, es ist wie gesagt, der Markt oder einige gewichtige HF shorten natürlich den Immosektor. Ist gerade ziemlich leicht.
Und nun, Hand aufs Herz liebe Mitforisten, insbesondere die eher short eingestellten, wer von Euch hat sich denn die Mühe der Analyse meiner letzten beiden Posts gemacht und die Materie in etwa auf diesem Niveau durchdrungen ?
Wohin sich der Kurs in den nächsten Tagen und Wochen bewegen wird ? - Um ehrlich zu sein, keine Ahnung :) Meine Fundamentalanalyse sagt mir lediglich, dass ich die Zukunft durchaus etwas rosiger betrachte als es der Kurs gerade widerspiegelt. Und ehrlich, bei meinem Einstandskurs ist mir die Dividende relativ egal. Wäre schön in 2023 meine Aktien zu vielleicht 30 oder 35 Euro abstoßen zu können. Vielleicht ja Ende 2023 zur dann stattfindenden Weihnachtsrally. Bei dem Kursgewinn juckt mich 1,66 oder 1,20 oder 0,50 Euro Dividende wirklich nicht.
Und ja, völlig klar, die Dividende ist für 2022 vermutlich in dieser Höhe safe. Für das Jahr 2023 wird man allerdings realistisch betrachtet mit einer vielleicht um ein Drittel sinkenden Dividende rechnen dürfen. Vielleicht aber auch nicht.
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