07:02 22.02.10
FRANKFURT/MAIN (dpa-AFX) - Der möglicherweise größte Streik der deutschen Luftfahrtgeschichte hat begonnen: Die Piloten der Vereinigung Cockpit (VC) haben in der Nacht zum Montag ihre Arbeit bei Deutschlands größter Fluggesellschaft Lufthansa (Profil) niedergelegt. Zehntausende Passagiere müssen sich darauf einrichten, dass ihre Flüge gar nicht oder nur verspätet starten, die Lufthansa rechnet mit Millionenschäden. "Wir hatten bis zum Schluss Hoffnung, den Streik abzuwenden", sagte eine Lufthansa-Sprecherin in der Nacht der Deutschen Presse-Agentur dpa in Frankfurt und betonte: "Wir sind selbstverständlich dialogbereit." Wirtschaftsverbände kritisierten die Streiks. Sie befürchten einen Image-Schaden für die deutsche Logistikbranche.
Cockpit hat mehr als 4.000 Piloten dazu aufgerufen, bis Donnerstag in den Ausstand zu treten. Ihnen geht es vor allem um die Sicherheit ihrer Arbeitsplätze. Sie wollen verhindern, dass Flüge aus dem Mutterkonzern auf ausländische, billigere Töchter verlagert werden. Sollten die Verhandlungen bis dahin nicht doch noch wieder aufgenommen werden, wird der Arbeitskampf zum größten Streik in der deutschen Luftfahrtgeschichte.
Die Lufthansa und ihre Piloten werfen sich gegenseitig vor, weitere Gespräche zu verhindern, weil sie mit unannehmbaren Vorbedingungen in die Verhandlungen gegangen seien. Die Forderungen der Piloten seien unerfüllbar und rechtswidrig, kritisierte das Unternehmen. Am Sonntag war ein Vermittlungsversuch von Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) gescheitert. Er rechne allerdings damit, dass die Verhandlungen an diesem Montag oder Dienstag wieder aufgenommen werden. Das Feld für weitere Gespräche sei bereitet, sagte er.
Deutsche Wirtschaftsverbände kritisierten den Piloten-Streik, von dem auch der Frachtverkehr betroffen ist. "Vor dem Hintergrund, dass wir gerade aus der schwersten Wirtschaftskrise der Bundesrepublik kommen, ist der Streik verantwortungslos", sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Martin Wansleben, der "Berliner Zeitung" (Montag). "Wenn sich der Streik in die Länge zieht, wird sich das merklich negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Firmen auf Auslandsmärkten auswirken."
Der Streik werde außerdem das Image der als zuverlässig geltenden deutschen Logistikbranche beschädigen. Wansleben forderte Cockpit zum Einlenken auf. "Die Piloten sitzen also an einer Scharnierposition für die Gesamtwirtschaft. Dieser hohen Verantwortung müssen sich die Streikenden bewusst sein", sagte er. Ähnlich hatte sich zuvor auch der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Hans-Peter Keitel, geäußert.
An normalen Tagen befördern Lufthansa und ihre Regionalpartner im Schnitt rund 150 000 Passagiere. Für die Zeit des Streiks hat die Fluggesellschaft einen Sonderflugplan aufgestellt. Etwa 800 Flüge werden nach Einschätzung der Lufthansa an diesem Montag ausfallen. Das wären etwa zwei Drittel der Flüge, die von der Gewerkschaft bestreikt werden können. Das restliche Drittel der Flüge soll abheben. Dafür sollen unter anderem Piloten aus dem Management des Unternehmens einspringen. Beim Billigflieger Germanwings sollen rund zwei Drittel der Flüge trotz Streiks stattfinden. Maschinen und Besatzungen wurden von anderen Gesellschaften angemietet.
Die Lufthansa-Piloten wollen Flüge aus dem Ausland noch absolvieren, ihre Maschinen dann aber parken. Durch den Ausfall von Flügen innerhalb Deutschlands rechnet die Deutsche Bahn mit deutlich mehr Passagieren. Einige ausländische Airlines haben angekündigt, größere Flugzeuge einsetzen zu wollen, um gestrandete Passagiere aufzunehmen. Dazu gehören auch Lufthansa-Töchter wie Swiss. Die Lufthansa-Regionalpartner wie Cityline oder Eurowings, die auf weniger stark nachgefragten Routen unterwegs sind, werden nicht bestreikt.
(Sonderflugplan Lufthansa: http://dpaq.de/Lufthansa-Streik; Sonderflugplan Germanwings: http://dpaq.de/zoGNx) /bsj/ce/DP/tw Quelle: dpa-AFX
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