Intel: Ausweg aus der Netburst-Krise
Frank Völkel 21. Mai 2006 21:01
Alter Pentium von 1996: Auferstehung ohne Ableben
Den Abschied vom Pentium 4 hat Intel bitternötig. In Zeiten von exorbitant steigenden Energiepreisen ist Effizienz wichtiger denn je - das hat man selbst in der US-Konzernzentrale realisiert. Viel zu spät kam in den vergangenen Jahren die Einsicht, dass der Stromfresser - auch gern als Blockheizkraft tituliert - mit seinem Leistungshunger nicht mehr zu bändigen ist. Gerade wenn es darum geht, mit immer höheren Taktfrequenzen die Rechenleistung zu verbessern. Nur massive und schwergewichtige Kühler in Kinderkopfgröße und abenteuerlich hohe Lüfterdrehzahlen können die enorme Hitze abführen. In keinem anderen Bereich der Technik fällt eine so große Wärmeenergie an, wie es beim Pentium 4 der Fall ist: Zirka 100 Watt pro Quadratzentimeter, ein Haushaltbügeleisen bringt es gerade einmal auf 10 Watt bezogen auf die gleiche Fläche. Demzufolge würden 10 "hintereinander angeordnete" Bügeleisen notwendig sein, um die gleiche Wärmemenge zu erzeugen. Spätestens jetzt sollte jedem klar sein, welche Dimension das Thema angenommen hat.
Dabei hat die Pentium-4-Generation eine erstaunliche Entwicklung hinter sich, die auch von Intel so nicht geplant war. Die Netburst-Architektur debütierte im Jahre 2000 und löste den klassischen Pentium ab, der damals in letzter Ausbaustufe mit 1.13 GHz seine Probleme zeigte. Es waren die schlechten Testergebnisse im THG-Labor die Intel dazu veranlassten, den Prozessor nicht am Markt zu platzieren.
Der Karrierestart des Pentium 4 begann bei 1.3 GHz (Willamette) und endet heute bei stattlichen 3.8 GHz (Codenamen Prescott, Presler und Smithfield). Dabei ist es ohne Belang, ob noch eine 4-GHz-Variante folgt oder nicht. Optimierungen beim Produktionsprozess brachten eine Veränderung der Strukturbreite von anfangs 180 auf heute 65 Nanometer. Trotz aller Bemühungen stieg die maximale Verlustleistung im genannten Zeitraum von 40 Watt auf 130 Watt an. Das Münchner THG-Labor deckte im November 2004 auf: Ein normal im Handel erhältlicher Pentium 4 560 mit 3.6 GHz kommt bei hoher Last an seine Grenzen und fängt an, seine Geschwindigkeit zu drosseln.
Parallel zum Pentium 4 entwickelte Intel an der klassischen Pentium-Architektur von 1996 weiter, die unter dem Namen Centrino in Notebooks zum Einsatz kam. Die wesentlichen Vorzüge: Die Leistungsaufnahme beträgt maximal 35 Watt, zur Kühlung muss wenig Aufwand getrieben werden und die Geräuschentwicklung ist demzufolge auch kein Thema. Die Ausbaustufe des alten Pentium III, Intel nennt ihn Pentium M (Centrino), war von Anfang an auf hohe Energieeffizienz ausgelegt. Schließlich soll ein Notebook mindestens 3 Stunden mit Akkubetrieb laufen und nur dann die volle Rechenleistung zur Verfügung stellen, wenn sie vom Anwender gefordert wird. Zahlreiche Hersteller haben die Vorzüge längst erkannt und bieten Desktop-PCs mit Notebook-Prozessoren an, so dass ein völlig lautloser Betrieb möglich ist.
Nur Intel selbst zögerte jahrelang und macht jetzt den Radikalschlag: Alle Pentium-4-CPUs müssen raus, auf Kosten des gesamten Marktes. Allein durch Preissenkungen von bis zu 50 Prozent kommt der Mitbewerber AMD stark in Bedrängnis. Und gerade AMD war es in den vergangenen eineinhalb Jahren gelungen, im Desktop- und Serverbereich Intel massiv Marktanteile abzunehmen. Während AMD am Aktienmarkt um bis zu 150 Prozent zulegte, verlor Intel im gleichen Zeitraum bis zu 50 Prozent. Vor allem durch den Abverkauf der hohen Lagerbestände des Stromfressers Pentium 4, der jetzt preislich weit unter den Angeboten des Mitbewerbers liegt, wird versucht, AMD die Marktanteile wieder abzunehmen. Ein gutes Beispiel ist hier der Pentium D 805, der für Enthusiasten eine hohe Rechenleistung zum absoluten Spottpreis bietet.
Ab Ende Mai 2006 lautet Intels neue Strategie: Stromsparende Prozessoren für Desktop-PCs und Notebooks gleichermaßen. Dabei stecken mindestens zwei Kerne in einer CPU, die sich automatisch an die Erfordernisse des Anwenders anpassen sollen. Es ist eine Auferstehung der alten Pentium-Architektur, die im Jahre 1996 mit dem Pentium Pro debütierte und jetzt unter Codenamen wie Conroe oder Merom auf den Markt kommt.
Auf der Strecke bleibt der Neandertaler Pentium 4 mit seinen Abkömmlingen, die sich mit der Netburst-Architektur in der Evolution verirrten.
http://news.thgweb.de/2006/05/21/...ed_pentium_stromsparen/index.html