29.01.2009 Handelsblatt
Die Bundesregierung setzt auf Energie aus heimischer Biomasse. Erklärtes Ziel: Bis 2020 soll Biogas sechs Prozent des Gasverbrauchs abdecken, bis 2030 sind zehn Prozent angestrebt. Das entspräche rund zehn Mrd. Kubikmetern – heute werden rund 40 Mio. Kubikmeter pro Jahr produziert.
Biogasanlagen können Gesamtwirkungsgrade bis zu 80 Prozent erreichen. Foto: dpa
DÜSSELDORF. Der jüngste Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine hat wieder einmal gezeigt, wie verletzlich die Gasversorgung Europas ist. Auch deshalb setzt die Bundesregierung auf eine verstärkte Nutzung von heimischer Biomasse, um Biogas zu erzeugen. Erklärtes Ziel: Bis 2020 soll Biogas sechs Prozent des Gasverbrauchs abdecken, bis 2030 sind zehn Prozent angestrebt. Das entspräche rund zehn Mrd. Kubikmetern – heute werden rund 40 Mio. Kubikmeter pro Jahr produziert.
Energiepflanzen oder landwirtschaftliche Abfälle werden bislang nur unzureichend für die Gasproduktion genutzt. „Biomasse entsteht meist im ländlichen Raum und wird in vielen Fällen nur für die Herstellung von Strom genutzt, weil es keine Abnehmer für die Wärme gibt“, sagt Wolfgang Urban, Energie-Experte am Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik.
Solche Anlagen kommen auf schwache Wirkungsgrade von 40 Prozent für die Stromerzeugung, weitere zehn Prozent können als Wärme für den Bioreaktor verwendet werden. Wesentlich attraktiver ist es, das Biogas in das vorhandene Netz für Erdgas einzuspeisen. „Dadurch kann man Gesamtwirkungsgrade von 80 Prozent erreichen“, rechnet Urban vor. Zudem könnten Angebot und Nachfrage besser zusammengebracht werden. Denn produziert wird meist auf dem Land, während der Verbrauch in den Städten am größten ist. „Auch kann überschüssiges Gas, das etwa im Sommer erzeugt wird, im Gasnetz zwischengespeichert werden“, sagt Urban. Das Biogas wird in der Kraft-Wärme-Kopplung, zur Treibstoff-Produktion oder für Heizungen genutzt.
Bevor das Biogas in das öffentliche Netz eingespeist werden kann, muss es aufbereitet werden. Ziel ist dabei ein möglichst hoher Methan-Gehalt. Unerwünschte Bestandteile wie Schwefel, Kohlendioxid und Wasserdampf werden aus dem Roh-Biogas herausgefiltert – bis die Zusammensetzung und der Brennwert schließlich das Niveau von Erdgas erreichen.
Die Betreiber der Gasnetze hoffen auf ein neues Geschäft und registrieren ein wachsendes Interesse auf Seiten der Produzenten. „Die Zahl der Anfragen ist in den letzten Monaten stark angestiegen“, sagt Gerhard Hülsemann von der RWE-Tochter Transportnetz Gas. „Wenn die Ziele der Bundesregierung Realität werden sollten, geht es für einen Netzbetreiber in diesem neuen Geschäftsfeld um nicht unerhebliche Transporterlöse“, so Hülsemann.
Die Hersteller von Biogas sind dabei Teilnehmer an einem virtuellen Marktplatz, ähnlich der Strombörse. „Physisch fließt das eingespeiste Biogas nicht zum Käufer, sondern als Gemisch mit normalem Erdgas druckgesteuert zu einem beliebigen Verbraucher“, so Hülsemann. „Durch die Einspeisung erhöhen sich die Marktchancen für Biogas deutlich.“
Dennoch müssen die Betreiber von Biogas-Anlagen eine Reihe von Herausforderungen meistern. Die größte ist die Beschaffung der Rohstoffe. „Der Betreiber der Anlage sollte möglichst langfristige Verträge mit den Landwirten abschließen und sie gegebenenfalls an der Anlage beteiligen“, rät Urban. Schließlich gehe es bei den Projekten um Zeiträume von rund 20 Jahren. „Sehr wichtig ist auch, die komplizierte Technik im Griff zu haben, denn eine Biogas-Anlage läuft nicht von selbst auf Knopfdruck.“ Zudem empfiehlt Urban einen frühzeitigen Dialog mit Anwohnern, denn es gebe vermehrt Widerstände gegen Biogas-Anlagen. Und schließlich muss die Produktion natürlich auch in der Nähe des Gasnetzes stattfinden, um die Anschlusskosten so gering wie möglich zu halten.
Für die Suche nach geeigneten Standorten haben Wissenschaftler im Projekt „Biogaseinspeisung“ des Bundesforschungsministeriums ein Informationssystem entwickelt, mit dem Investoren abschätzen können, wie viel Biomasse zu welchen Kosten im Umkreis der geplanten Anlage produziert werden kann. Zurzeit steht das System für die Regionen Niederrhein (NRW) und Altmark (Sachsen-Anhalt) zur Verfügung.