http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,518793,00.html Kreditkrise würgt US-Wachstum ab
Von Susanne Amann
Milliardenwerte vernichtet, Tausende Jobs weg - und jetzt bedroht die US-Kreditkrise auch das Wirtschaftswachstum des Landes. Die Notenbank hat ihre Prognose nach unten korrigiert. Ist das der Anfang einer weltweiten Rezession?
Hamburg - Aus den Schlagzeilen ist sie verschwunden, doch abgehakt ist sie noch lange nicht: Noch immer bestimmt die Hypothekenkrise die weltweite Finanzagenda. 48 Milliarden Dollar, so schätzten erst vor ein paar Tagen Experten der US-Investment-Bank Goldman Sachs Chart zeigen, müssten die Banken weltweit noch bis Ende 2008 abschreiben. Doch damit nicht genug: Die Kreditkrise werde auch das weltweite Wachstum verlangsamen, warnte Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann vor kurzem.
Immobilie zu verkaufen: Die Hypothekenkrise in den USA bestimmt immer noch die Finanzmärkte Großbildansicht DPA
Immobilie zu verkaufen: Die Hypothekenkrise in den USA bestimmt immer noch die Finanzmärkte Tatsächlich scheinen die Warner Recht zu behalten: In ihrem halbjährlichen Finanzmarktreport konstatierte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) heute mögliche Verluste aus der US-Subprime-Krise von 200 bis 300 Milliarden Dollar. Außerdem könnte die Korrektur an den Kapitalmärkten nur der Vorbote für eine deutlichere Abwärtsbewegung sein. "Höhere Kapitalbeschaffungskosten entfalten typischerweise erst nach einigen Monaten ihre volle Wirkung auf Unternehmen und Konsumenten", heißt es in dem Bericht.
Und wie um das Ganze auf die Spitze zu treiben, gab die US-Notenbank heute eine deutliche Senkung ihrer Wirtschaftsprognose bekannt: Im kommenden Jahr wird die amerikanische Wirtschaft nach Ansicht der Experten nur noch um 1,8 bis 2,5 Prozent wachsen - bisherige Schätzungen hatten 2,5 bis 2,75 Prozent für möglich gehalten. Schon beschwört die Finanzzeitschrift "Economist" den Anfang einer Rezession und beschreibt die vielen Gefahren für "Amerikas verletzliche Wirtschaft".
Ob die Hypothekenkrise tatsächlich zu einer deutlichen Abschwächung oder gar einem Crash der US-Wirtschaft - und damit auch der weltweiten Konjunktur - führen wird, darüber sind sich die Ökonomen allerdings nicht einig. "Die Gefahr und die Möglichkeit einer Rezession in den USA besteht", sagt Hans-Werner Sinn vom Münchner ifo Institut für Wirtschaftsforschung. "Ich würde sagen, es steht für die nächsten zwei Jahre bei 50 zu 50, dass es so weit kommt. Zum Glück läuft die asiatische Wirtschaft noch gut. Die Weltwirtschaft hat da inzwischen andere Pole, die das zum Teil auffangen."
Robustes Wachstum ist vorerst beendet
Anders sieht das Sinns Kollege vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin: "Ich halte eine Rezession für unwahrscheinlich, weil auch im dritten Quartal das Wachstum der US-Wirtschaft relativ hoch war - trotz der Immobilienkrise", sagt Wirtschaftsexperte Ulrich Thießen. Der Verbraucher sei vielleicht vorsichtiger geworden, von einer Rezession könne man aber erst nach mehreren Quartalen mit negativem Wachstum sprechen.
Klar scheint: Das relativ robuste Wachstum der letzten Quartale scheint vorerst beendet - was auch an der Kreditkrise liegt. Die Subprime-Krise habe die Blase auf dem amerikanischen Immobilienmarkt zum Platzen gebracht, sagt Ifo-Experte Sinn. "Das hat zu teilweise dramatischen Entwicklungen geführt: So ist der Neubau von Wohnungen in den letzten zwei Jahren um bald die Hälfte zurückgegangen, und die Hauspreise fielen in Jahresfrist um ungefähr fünf Prozent." Allerdings habe sich das noch nicht auf andere Branchen ausgeweitet.
BÖRSENKURSE: RICHTUNG NACH UNTEN
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Tatsächlich haben bislang vor allem die großen Banken und Versicherungen Verluste gemacht - die aber waren gewaltig: So muss die größte US-Bank Citigroup Chart zeigen in den kommenden Monaten nach Expertenmeinung mit Abschreibungen in Höhe von 15 Milliarden Dollar rechnen, Merrill Lynch verliert 13 Milliarden Dollar und Morgan Stanley Chart zeigen verbuchte acht Milliarden Dollar Verlust. Und erst vor wenigen Tagen musste der Schweizer Rückversicherer SwissRe Verluste von 733 Millionen Dollar einräumen.
Doch ob die Krise auf den Bankensektor beschränkt bleibt, das bleibt abzuwarten. Denn wenn die amerikanischen Konsumenten weniger Geld zur Verfügung haben, trifft das die US-Wirtschaft deutlich härter als etwa die deutsche. "60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der USA entfallen auf Konsumausgaben", sagt DIW-Experte Thießen. Das heißt konkret: Wenn die Amerikaner weniger Geld haben, schlägt das vergleichsweise stark auf die Konjunktur durch. "Der Verbraucher wird vorsichtiger." Allerdings, schränkt Thießen ein, werde hier schon gegengesteuert: Die letzte Zinssenkung erlaube es vielen Immobilienbesitzern, ihre Kredite zu bezahlen - und damit die Überschuldung abzuwenden.
Hoher Ölpreis, starker Euro
Dass gleichzeitig der Ölpreis auf ein neues Rekordhoch von 100 Dollar zusteuert und der Euro mit 1,48 Euro so teuer ist wie noch nie, schadet der US-Wirtschaft indes nicht unbedingt. Zwar werde der Ölpreis im Gegensatz zu vergangenen Rezessionen dieses Mal nicht fallen, weil die immense Nachfrage zu vier Fünfteln auf den hohen Bedarf der Schwellenländer zurückzuführen sei, schreibt der "Economist". Das bedeute höhere Kosten für westliche Konsumenten.
Den hohen Euro bewerten Ökonomen allerdings nicht nur negativ: "Es lohnt sich derzeit, Güter in Dollar zu kaufen", sagt DIW-Ökonom Thießen. Damit würden amerikanische Produkte auf dem Weltmarkt interessant, die Exporte würden anziehen und die US-Wirtschaft stützen - wenn auch auf Kosten anderer Volkswirtschaften. "Der hohe Euro bedeutet eine Abfederung für die USA, für den Rest der Welt ist er eine Belastung", sagte auch Ifo-Chef Sinn.
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Das Gute dabei: "Die Amerikaner importieren seit Jahren mehr, als sie exportieren", sagt Thießen. "Das ist auf Dauer nicht haltbar und würde durch den schwachen Dollar zumindest teilweise gelöst." Das sieht auch Ifo-Experte Sinn ähnlich: "Der hohe Euro und die Konjunkturflaute in den USA helfen, das enorme Außenhandelsdefizit der USA abzubauen, aber genau das ist für uns ein konjunkturelles Problem."
Denn dadurch würden sich die deutschen Exporte verringern und die Investitionskonjunktur abflauen. "Ich hoffe, dass das teilweise durch einen Anstieg der Konsumnachfrage ausgeglichen wird", sagt Sinn. Die Lohnzurückhaltung der letzten Jahre zahle sich jetzt in Form von mehr Beschäftigung aus. "Mehr Beschäftigung bedeutet auch ohne Lohnerhöhungen mehr Massenkaufkraft und deshalb mehr Konsum."
Außerdem - und auch das hat sich im Vergleich zu vergangenen Rezessionen verändert - ist die Weltwirtschaft nicht mehr ganz so abhängig vom Wirtschaftsmotor USA. "Natürlich sind die USA derzeit immer noch bestimmend, aber im langfristigen Trend verlieren sie an Bedeutung", so die These von DIW-Experte Thießen. Vor allem die asiatischen Märkte seien stark, allen voran China. "Eigentlich müsste man jetzt auch schon überlegen, ob man China zu den G8-Staaten dazu nimmt und die G9-Staaten daraus macht."
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