von Ulf Poschardt:
Die Grünen und ihre medialen Unterstützer blickten im Wahlkampf voller Häme auf die FDP. Nun müssen auch sie anerkennen: Die Liberalen stehen für Wandel und Aufbruch. Christian Lindner fällt nun die Rolle zu, eine mögliche Ampel vor dem größten linken Irrsinn zu bewahren.
Wir stören ja nur ungern in der Euphorie, aber der Zauber des Anfangs in den grün-gelben Sondierungen lebt von den Erinnerungslücken, gerade bei den grünen Neo-Neoliberal-Freunden. Wie kein anderes Milieu haben grüne Politiker, insbesondere die Jungpolitiker:innen und die dunkelgrünen PR-Abteilungen in den Redaktionen, Hass und Hetze über die „AFDP“ verbreitet. Und auch nach dem Wahlergebnis ist bemerkenswert, wie an den grün lackierten digitalen Stammtischen die Empörung über die vielen Jung- und Erstwähler aufschäumt, die gelb und nicht grün gewählt haben.
Als geldgeile BWL-Heinis verspottet, taucht gerade bei den Mittelmäßigen offen gelebter Neid auf. Immerhin: Niemand kann mehr darüber hinweggehen, dass aus der einstigen Honoratioren- und Apothekerpartei eine junge Stimme bürgerlicher Ambition geworden ist – ohne den Idealismusquark und eitles Weltrettungspathos. Selbst grüne Einpeitscher wie Luisa Neubauer oder Nora Bossong identifizieren die Liberalen als Agenden des Wandels und des Progressiven.
Wie es dazu kommen konnte? Die Grünen hatten auf Instagram die ganzen nostalgischen, postmateriellen Wohlstandskinder auf ihrer Seite, die FDP aber die gesamte angelsächsische Popkultur: von Drake über Rihanna bis Kobe Bryant (der verstorbene Basketball-Hero), die dort in den Videoclips nichts anderes als eine knallharte Leistungsethik und -ästhetik radikal neoliberaler Selbstoptimierung propagieren. Nicht im Sinne einer Parteipolitik, sondern als stolzer Ausdruck ihres Aufstiegs.
Darum wird es nun gehen in den Sondierungen: Können die progressiven Liberalen den konservativen und in Teilen saturierten Grünen eine Gesellschaft schmackhaft machen, die nicht ent-, sondern beschleunigt (kein Tempolimit)? Eine Gesellschaft, die nicht Innovation einhegt, sondern ermöglicht, die nicht die leistungswilligen Eliten von heute und morgen verschreckt oder vertreibt, sondern einlädt?
Es ist ein hehres Verdienst von Christian Lindner, aber auch von Marco Buschmann, Partei und Fraktion mit einer so undogmatischen Modernität versehen zu haben, dass dies auch von schärfsten Kritikern nicht mehr dementiert wird. Gerade die rot-grün dominierten Medien räumen das jetzt (wenn auch maulend) ein. Die Scheelsucht gegenüber den erfolgsorientierten Jungwählern, die ohne moralische Selbstverklärung auskommen, bleibt trotzdem groß:
Georg Restle, der gebührenfinanzierte Fan und Propagandist von Rot-Grün-Rot, postet schockiert die Wahlergebnisse eines Villenviertels, in dem CDU und FDP 80 Prozent erzielt haben.
Was er unterschlägt: Nirgendwo wird weniger AfD und Linkspartei gewählt als unter Erfolgreichen und Wohlhabenden. Sie stehen wie kein anderes Milieu stolz und stur in der Mitte. Sie tragen das Land und freuen sich über jeden, der es auch schafft: egal, ob er aus Syrien geflüchtet ist, mit seiner sexuellen Identität ringt oder abends auf der Penthouse-Terrasse einen Joint qualmt.
In einer Ampelkoalition kommt der FDP die vertrackte Rolle zu, den weiterhin grassierenden linken Irrsinn in der SPD und bei den Grünen einzufangen. Darin darf sich die Partei aber nicht erschöpfen. Sie kann nur in eine Koalition gehen, wenn sie wichtige, zentrale Punkte gesetzt hat, sonst gefährdet sie ihre Existenz.
Der Hype um das Instagram-Foto vom ersten Treffen zeigt, wie viel Goodwill jetzt schon da ist. (Aber es sieht eigentlich auch aus wie ein Foto der Elternsprecher eines humanistischen Gymnasiums inklusive schwulem Ehepaar, die nur das Beste für ihre Kinder Antonia, Justus, Linus und Lara Sophie wollen.) Die Union sollte sich das mal ansehen: So sieht Politik im 21. Jahrhundert aus. Man kann sich Röttgen oder Linnemann auf dem Foto vorstellen, die meisten anderen nicht.
Die Union sollte sich überlegen, wie denn ihr Angebot aussähe, falls es bei der Ampel hakt. Wer könnte sie führen? Gerade bei Robert Habeck ist vorstellbar, dass er wirklich große Lust hätte, es am Ende mit der Union zu versuchen. Aber eben nicht mit der Brinkhaus bestätigenden Union, wie wir sie gerade erleben. Sie scheint in nahezu jeder Hinsicht aus der Zeit gefallen. Und das haben Baerbock, Wissing, Habeck, Lindner mit einem Foto deutlich gemacht.
https://www.welt.de/debatte/kommentare/...-Einpeitscher-die-FDP.html?
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