Angesichts des Skandals um massive Steuerhinterziehungen stellen führende Sozialdemokraten die beschlossene Abgeltungsteuer für Kapitalerträge wieder in Frage.
BERLIN. Der Skandal um die beispiellose Serie von Steuerhinterziehung hat eine Debatte über die Ausgestaltung des deutschen Steuersystems ausgelöst. Im Mittelpunkt der Diskussion steht die Frage, ob die beschlossene Einführung einer Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge, die die Steuerflucht eigentlich eindämmen soll, überhaupt sinnvoll ist. Als erster Koalitionspolitiker stellte gestern der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Joachim Poß die 25-prozentige Pauschalsteuer auf Zinsen, Dividenden und Kursgewinne wieder in Frage. "Wir sollten das Thema Abgeltungsteuer noch einmal grundsätzlich überprüfen", sagte Poß der Berliner Zeitung.
Poß betonte, er habe die Abgeltungssteuer nie für die beste Lösung gehalten, weil er eigentlich keinen Grund sehe, Kapitaleinkünfte niedriger zu besteuern als Arbeitseinkommen. Der von Finanzminister Peer Steinbrück geprägte Satz, wonach "25 auf X besser ist als 45 auf nix", sei jedoch nachvollziehbar. Die auch von Banken, Wirtschaftsverbänden und Steuerexperten vertretene Annahme sei, dass die Abgeltungsteuer die Steuerehrlichkeit fördere und somit die Staatseinnahmen stabilisiert werden könnten. "Wenn sich nun aber zeigen sollte, dass die Annahmen nicht stimmen und das Gegenteil passiert, dann müssen wir uns die Abgeltungsteuer erneut genau anschauen."
Erschwerte Strafverfolgung
Die Deutsche Steuergewerkschaft, die Vertretung der Finanzbeamten, hatte erklärt, sie habe Hinweise darauf, dass die Abgeltungsteuer Anlagegeld ins Ausland treibe. Außerdem warnte sie davor, dass der vermutete Steuerbetrug von Ex-Post-Chef Zumwinkel über eine Stiftung in Liechtenstein mit dieser Steuer nicht hätte aufgedeckt werden können. Denn künftig müsse in der Steuererklärung wegen der Pauschalsteuer keine Kapitalerträge mehr ausgewiesen werden.
Die Abgeltungsteuer ersetzt ab 1. Januar 2009 die bisherige Besteuerung von Kapitaleinkünften. Auf Zinsen müssen dann nur noch pauschal 25 Prozent Steuern gezahlt werden, während es derzeit bis zu 45 Prozent sind (jeweils plus Solidaritätszuschlag). Die Zinserträge werden von den Banken anonym an den Fiskus abgeführt. Gleichzeitig gibt es aber auch Verschlechterungen für die Anleger: Mit der Einführung der Abgeltungsteuer entfällt die bisherige Regelung, wonach Kursgewinne nach einer Spekulationsfrist von einem Jahr steuerfrei sind. Auch auf diese Erträge sind künftig generell 25 Prozent Steuern fällig. Hinzu kommt, dass Dividenden nicht mehr nur zur Hälfte, sondern vollständig besteuert werden. Unterm Strich könnte es daher für viele Anleger künftig mehr Gründe als heute geben, ihr Geld ins Ausland zu schaffen. hihihi
CSU geht aufs Ganze
Die CSU verlangte unterdessen als Lehre aus dem Skandal eine umfassende Steuerreform. CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer sagte gestern, das Geld fließe nicht deshalb in Steueroasen, weil dort die Gegend so schön sei, sondern weil die steuerpolitische Landschaft in Deutschland "ganz schön hässlich" sei. "Also müssen wir unsere Hausaufgaben machen." Notwendig seien ein einfacheres Steuersystem und niedrigere Abgaben. Die Bundesregierung müsse sich fragen, welche Anreize und Vertreibungspotenziale das bisherige Steuersystem biete, so der CSU-Abgeordnete.
Ramsauer forderte zudem, die Rolle des Bundesnachrichtendienstes (BND) bei der Aufdeckung der Steuerbetrugsserie in Liechtenstein zügig aufzuklären. Wenn es zutreffe, dass der BND möglicherweise über Jahre gezielt die Banken in Liechtenstein ausgeforscht habe, stelle sich die Frage nach einer rechtsstaatlichen Grundlage dafür, sagte der CSU-Politiker. Ein Unrecht könne nicht durch ein anderes gerechtfertigt werden, betonte er. "Wenn diese Logik Platz greift, kommen wir in ein staatliches Faustrecht." Berliner Zeitung, 20.02.2008
(ach nee und Herr Beck befürwortet unorthodoxe Massnahmen ?)
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