Die Erpresser vom Opelwerk Von Tim Höfinghoff, Lisa Nienhaus und Christian Siedenbiedel Rettungspakete für Opel? 01. März 2009 Die Erpresser treten ganz ruhig vor die Mikrophone. Die Stimme der Redner ist fest, der Blick energisch. Nur ein wenig glänzen die Augen, als die Opel-Führung am Freitagnachmittag ihren "Rettungsplan" für den deutschen Autobauer verkündet. Die zentrale Botschaft: Die amerikanische Muttergesellschaft General Motors (GM) ist bereit, Anteile an Opel abzugeben. Außerdem braucht Opel 3,3 Milliarden Euro vom Staat. Die Wortwahl ist befremdlich. Dass GM bereit ist, Anteile abzugeben, klingt wie eine freiwillige Großtat, als stünden Investoren Schlange, um Opelanteile zu kaufen. Das ist Unsinn. Opel steht schlecht da, GM Europa machte im vergangenen Jahr 2,8 Milliarden Verlust, und das wird sich so bald nicht ändern. Schlicht größenwahnsinnig ist die Aussage, dass Opel 3,3 Milliarden vom Staat "braucht". Sollte Opel nicht um 3,3 Milliarden bitten? Nein, das Unternehmen fordert sie ein, als hätte jede Firma einen Anspruch auf Staatsgeld, wenn es mit dem Geschäft gerade nicht so läuft. Der Auftritt der Retter ist ein Akt der Erpresser. Und alle schauen zu. Pathos ist ansteckend Das Pathos von Betriebsrat, Opel-Führung und streikenden Mitarbeitern ist ansteckend. Wo wir jetzt alle plötzlich Opelaner sind, kann der Staat auch ein bisschen helfen. Die Antwort der meisten Ökonomen ist einfach: Der Staat soll den Unsinn bleiben lassen. Hans-Werner Sinn, Präsident des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung in München, sagt: "Opel will sich auf Kosten der Allgemeinheit vom Staat retten lassen. Doch den Staat geht das nichts an." Es ist nicht die Aufgabe des Staates, einzelne Unternehmen zu finanzieren. "Wenn die Firma Opel zusätzliches Geld benötigt, dann sollte sie sich das Geld am Kapitalmarkt und von ihren Kunden besorgen." Doch die Kunden geben wenig Geld. Mag das Unternehmen technisch noch so gute Produkte machen - sie werden einfach nicht gut verkauft. Die Opel-Neuzulassungen in Deutschland und der Marktanteil in Westeuropa sinken (siehe Grafik). Investoren haben bisher nicht angeklopft Auch große, mit viel Kapital ausgestattete Investoren haben bisher nicht angeklopft. Deshalb geht Opel einen anderen Weg: den der Erpressung des Staates und der Steuerzahler. Teil des Planes ist es, das neue Rettungskonzept, das kaum Neues bietet, emotional zu verpacken. Der vergangene Freitag mit seiner schmalzigen Inszenierung wird von den Beteiligten zum Wendepunkt in der Geschichte Opels stilisiert. "Ich habe mir einen roten Punkt in den Kalender gemacht", schwärmt Opel-Betriebsratschef Klaus Franz. "An diesem Tag wurde Opel neu erfunden." Er sieht einen "Kreis geschlossen": 1929, als die große Weltwirtschaftskrise vor der Tür stand, hat die Eigentümerfamilie Opel an GM verkauft und "die Aktien mit dem Zeppelin nach Amerika gebracht". An die "Dollarimperialisten verschachert", wie eine Arbeiterzeitung voll Empörung titelte. 2009, genau 80 Jahre später, ist es wieder eine Krise, die Opel gleichsam heimholt: Die Teil-Renationalisierung wird zur späten Rache. Zum Plan gehört es, den Politikern möglichst viele Argumente zu liefern, warum es zur Opel-Rettung keine Alternative gibt. Ihr Totschlagargument haben sie von den Bankenrettern gestohlen. Opel sei ein so großes Unternehmen, dass es "systemrelevant" sei. So sagt es schon seit einiger Zeit der DGB-Vorsitzende Michael Sommer, und auch der Betriebsrat von Opel betet es nach. Sie meinen damit, dass eine Pleite von Opel die gesamte Autoindustrie in Deutschland, ja vielleicht sogar die gesamte Wirtschaft in den Abgrund reißen könnte. Doch ein Automobilunternehmen ist eben etwas anderes als eine Bank. Wenn eine große Bank zusammenbricht, führt es dazu, dass Unternehmen und Privatpersonen ihr Erspartes verlieren. Der Geldfluss kommt zum Erliegen und damit womöglich auch die Wirtschaft. Ist hingegen ein Automobilunternehmen pleite, sind zwar auch Zulieferer betroffen, doch die Auswirkungen bleiben begrenzt. Die Konkurrenz kann sich freuen Und die Konkurrenz kann sich freuen. VW, Daimler & Co. werden profitieren, sie werden mehr Autos verkaufen und Rüsselsheim die besten Ingenieure abwerben. Kein Wunder, dass VW-Chef Martin Winterkorn am lautesten gegen Staatshilfen für Opel anrennt. Eine Kleinigkeit vergisst er allerdings zu erwähnen: VW war immer schon ein Staatsunternehmen. Doch die Erpresser von Opel haben noch eine besonders scharfe Waffe: die Arbeitsplätze, die an Opel hängen. Rund 25 000 sind es beim Autohersteller selbst. Vielleicht noch einmal so viele bei den Zulieferern. Die gelte es zu sichern, rufen alle. Sonst drohe Massenarbeitslosigkeit. Natürlich, niemanden lassen die Streiks der Opel-Beschäftigten in Rüsselsheim kalt. Ihre Angst vor der Arbeitslosigkeit ist allzu verständlich. Doch wenn der Staat wirklich dazu da wäre, jetzt bei Opel Arbeitsplätze durch Staatsgeld zu retten, dann müsste er überall eingreifen. Er müsste Märklin, Rosenthal, Schaeffler retten. Er müsste Firmen unter die Arme greifen, deren Produkte längst keiner mehr kauft. So hat der Markt nicht gewettet So aber hat der Markt nicht gewettet. Er ist darauf aus, dass dort Jobs entstehen und erhalten bleiben, wo Unternehmen Kunden begeistern und damit Geld verdienen. Dort, wo das nicht mehr der Fall ist, werden Jobs abgebaut, damit woanders neue entstehen können. Das heißt nicht, dass der Staat die Arbeitslosen im Stich lässt und sie in die Armut schickt. Für ihre Rettung gibt es schon ein staatliches Rettungspaket: Es heißt Arbeitslosenversicherung. Sie fängt die Gekündigten auf, qualifiziert sie und vermittelt sie weiter. Bei allen Schwächen des Systems: Das ist weitaus sinnvoller, als Menschen mit Staatsgeld in Betrieben zu halten, die ohne den Staat keine Zukunft hätten. Der Staat rettet die Menschen, aber nicht die Firmen und ihr schlechtes Management. Bleibt noch die alte Liebe der Opelaner: ihre Produkte. Immer wieder verweisen sie auf die technische Qualität, auf den Preise gewinnenden Insignia und die große Zukunft. Das klingt schön. Dumm nur, dass die Kunden das noch nicht gemerkt haben. Sie aber sprechen das letzte Wort über die Zukunftsfähigkeit eines Geschäftsmodells, nicht die Ingenieure und nicht die Politiker. Da ist die Marktwirtschaft so einfach wie brutal wie gerecht. Es ist natürlich nicht so, dass Opel keine Kunden hat. Mehr als 13.000 der Autos, die im Januar in Deutschland neu zugelassen wurden, waren Opel. Doch wenn das alles eine so fruchtbare Grundlage für künftige Geschäfte ist, wieso greift kein privater Investor zu? Wieso verkauft GM Opel nicht an die Konkurrenz? Es scheint, als sei nur Opel davon überzeugt, dass die Nachfrage nach Opel-Autos genügt, um in Zukunft wieder Gewinn zu machen. Der letzte Ausweg lautet deshalb: den Steuerzahler anpumpen. Doch wieso, fragt man sich, soll der Deutsche zwei Autos kaufen: Eines, das er fährt, und dazu noch einen Opel, den er nicht fährt, sondern nur auf Halde fertigen lässt?
Text: F.A.S. Bildmaterial: Dieter Rüchel, F.A.Z.
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