(...für die Mods: ich stelle den Artikel mal bewusst in ganzer Länge ein, weil er an verschieden Stellen gute Informationen enthält ____vielleicht kann ja mal auf eine Kürzung verzichtet werden ? Thx!)
Staatshilfe oder Insolvenz: Diese Möglichkeiten zeichnen sich für Opel ab. Beide Varianten könnten die Rettung oder den Tod des notleidenden Autobauers bedeuten - Fachleute allerdings sind entschieden. Sie halten es für die klügere Lösung, die GM-Tochter für zahlungsunfähig zu erklären.
Hamburg - Insolvenz - das klingt nach Bankrott, Pleite und Konkurs. Das Wort macht vor allem Arbeitnehmern Angst.
Umso verwunderlicher, dass Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) sich im Wahljahr genau für diese Lösung bei Opel ausspricht. "Wir müssen begreifen, dass für das Durchstehen einer solchen Krise ein modernes Insolvenzrecht eine bessere Lösung ist als die Staatsbeteiligung", sagte er dem "Handelsblatt". Das deutsche Insolvenzrecht sei gerade nicht auf Zerstörung, sondern auf den Erhalt von wirtschaftlichen Werten ausgerichtet. Es sei deshalb falsch, von Pleite oder Bankrott zu sprechen.
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Opel-Produktion in Eisenach: Verkauf von Werken nach Insolvenz?
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nsolvenzrechtsexperten geben dem Minister Recht. Man müsse dem Wort Insolvenz den Schrecken nehmen, sagt Peter von Wilmowsky, Professor für Insolvenz-, Zivil- und Wirtschaftsrecht an der Universität Frankfurt. "Eine Insolvenz bedeutet ja nicht, dass das Unternehmen stillgelegt wird." Im Gegensatz zur Konkursordnung, die 1877 veröffentlicht wurde und bis 1999 galt, geht es in der seither gültigen Insolvenzordnung nicht mehr darum, das Unternehmen zu zerschlagen, sondern darum, die Interessen der Gläubiger zu befriedigen und das Unternehmen fortzuführen. "Zunächst muss ermittelt werden, was alles zum Vermögen der Opel GmbH gehört, und dann muss entschieden werden, wie dieses Vermögen am besten verwertet wird", sagt Wilmowsky. "Diese Entscheidung wird am Ende des Insolvenzverfahrens von den Gläubigern getroffen." Das kann der Verkauf einzelner Werke sein, die Auslagerung einzelner Funktionsbereiche wie zum Beispiel die Forschung und Entwicklung oder auch die komplette Einstellung des Betriebs. Insolvenzexperten sind sich aber einig, dass Letzteres bei Opel nicht der Fall sein dürfte - die Tochter des US-Konzerns General Motors (GM) habe genügend Potential, um zu überleben.
Juristisch wäre Opel verpflichtet, Insolvenz anzumelden, wenn es zahlungsunfähig oder überschuldet ist. Diese Situation befürchtet GM-Europa-Chef Carl-Peter Forster, wenn es bis Ende März zu keiner Entscheidung über Staatshilfen kommt.
Nach dem Krisengespräch im Kanzleramt am Freitag deutet aber nichts auf eine baldige Lösung hin. Bei Opel hofft man, dass der Staat dem Unternehmen durch eine Bürgschaft, durch Kredite oder eine Beteiligung Liquidität verschaffen kann. Sollte eine Rettung nicht gelingen, warnt das Management, stünden einschließlich der Jobs bei Zulieferern und Händlern in Deutschland bis zu 100.000 Arbeitsplätze, europaweit sogar 300.000 auf dem Spiel.
"Ziel ist immer, die Firma möglichst zu erhalten"
Nach Ansicht des Kieler Juristen und Insolvenzexperten Michael Take wäre eine solche staatliche Unterstützung die "volkswirtschaftliche Lösung": "Es wird geprüft, inwieweit Opel systemisch relevant ist für die Ökonomie, und entsprechend stark greift der Staat ein." Das Problem sei hierbei aber, dass es möglicherweise innerhalb des Unternehmens kaum oder nur wenig Veränderungen gebe. "Man macht mit staatlichem Geld weiter wie bisher", sagt Take. Ein Insolvenzplanverfahren dagegen sei eine "betriebswirtschaftliche Lösung": "Hier schauen Insolvenzverwalter und Gläubiger sowie andere Beteiligte wie Arbeitnehmervertreter, wie man eine dauerhafte Lösung für das Unternehmen finden kann - unabhängig von Fragen der Systemrelevanz."
Als hilfreich, sagt Take, habe sich das sogenannte Insolvenzgeld erwiesen: Die Bundesagentur für Arbeit zahlt drei Monatsgehälter, die Firma habe damit Zeit, in Ruhe die Lage zu bewerten und "eventuell etwas Speck anzusetzen". Damit werde etwas Druck vom Unternehmen genommen. "Ziel ist immer, die Firma möglichst zu erhalten und den Betrieb so zu restrukturieren, dass er eine Zukunft hat."
Sicher, nicht jedes Insolvenzverfahren gelinge: Gespräche könnten unglücklich verlaufen, es könnte sich kein Käufer finden, Arbeitnehmer nicht zu einem Lohnverzicht bereit sein oder Gläubiger eine Lösung torpedieren. Dennoch hält Take eine Insolvenz für den besseren Weg als einen staatlichen Eingriff, weil sie auf die spezifischen Probleme des Unternehmens ausgerichtet ist: "Das deutsche Insolvenzrecht ist durchaus geeignet, ein Problem in der Größenordnung, wie Opel es hat, in den Griff zu bekommen", ist der Rechtsanwalt überzeugt.
"Pleite ist Opel so oder so"
Auch der Dresdner Insolvenzrechtler Andrew Seidl hält die von Schäuble vorgeschlagene Lösung für den besten Weg: "Pleite ist Opel so oder so", sagt er. Über ein Insolvenzverfahren müsse sich also niemand Sorgen machen. Im Gegenteil, das ermögliche, so viel wie möglich zu retten: "Durch eine Insolvenz sind sämtliche Vertragsverhältnisse leichter zu kündigen. Was Arbeitnehmern nicht gern hören, ist, dass auch die Kündigungsfristen und Sozialplanverpflichtungen gekappt sind." Dennoch sei dies der einzige Schritt, Opel als Ganzes zu retten.
Auch Rechtsprofessor Wilmowsky ist überzeugt, dass das Insolvenzverfahren erfolgreich sein könne, solange es eine Chance gebe, dass Opel wieder wirtschaftlich arbeiten könne. "Es gibt viele Beispiele, wo es geklappt hat", sagt er und erwähnt das Beispiel des englischen Kanaltunnels, dessen Betrieb nach der Insolvenz der Betreiberfirma fortgeführt wurde. "Es hatte sich gezeigt, dass das wirtschaftlichen Sinn ergibt." Seltener werde ein Betrieb stillgelegt - wie beim Satelliten-Telefonsystem Iridium, bei dem man zu der Erkenntnis kam, das ein weiterer Betrieb einen geringeren Wert habe als die Stilllegung.
Inwieweit Opel wirtschaftlich produzieren wird, muss sich noch herausstellen. "Wenn das Opel-Management es schafft, eine wettbewerbsfähige Strategie zu entwickeln, kann das Unternehmen die Insolvenz überleben. Wenn das Produkt keine Käufer findet, nützt auch jedes Insolvenzplanverfahren nichts", sagt Susanne Royer, Expertin für strategisches Management an der Universität Flensburg.
Es sei schon viel erreicht, wenn Opel vom schwer angeschlagenen Mutterkonzern getrennt werde, damit potentielle Investoren besser einschätzen können, was sie für ihr Geld bekommen. "Bei dem jetzigen Zustand der Unklarheit - insbesondere bezüglich der Patentrechte - wird sonst niemand in Opel investieren." Eine Staatsbeteiligung könne aber auch keine Lösung sein: "Was sollte der Nutzen sein? Was kann der Staat besser als ein privater Unternehmer?" Der Staat wäre eher gefragt, im Laufe des Insolvenzplanverfahrens für geeignete Rahmenbedingungen zu sorgen.
Die Opel-Arbeitnehmervertreter sehen das ganz anders. Nach Einschätzung des Betriebsratschefs Klaus Franz hätte eine Insolvenz verheerende Folgen für Opel. "Wir haben das abschreckende Beispiel von Saab vor Augen, wo von jetzt auf gleich zwei Drittel der Aufträge weggebrochen sind", sagte Franz der Nachrichtenagentur dpa. Den Vorschlag von Schäuble nannte er deshalb "zynisch". So könne man nicht mit den Ängsten und Schicksalen Tausender Beschäftigter umgehen.
"Bei einer Insolvenz würden schlagartig die Kunden wegbleiben und 700 deutsche Zulieferer müssten auf vier Milliarden Euro Umsatz im Jahr verzichten", sagte Franz weiter. Europaweit seien sogar 400.000 Menschen von der Arbeitslosigkeit bedroht. Die einzigen, die sich über die Insolvenz von Opel freuen würden, wären die Hersteller in Asien und einige deutsche Konkurrenten. Schäubles Vorschlag zeige nur, dass der Minister keine Ahnung von der Automobilindustrie habe.
Mit Material von dpa