"TUI
Kokolores der Unternehmenswertbetrachtung
Es kursieren Bewertungsansätze, die sich an der Marktkapitalisierung von TUI abarbeiten. Die hören sich in etwa so an:
Anfang 2020, also vor Corona, gab es 590 Mio. Aktien von TUI, der Kurs Ende Januar 2020 betrug 9,25 Euro. Damit ergab sich eine Marktkapitalisierung von 5,5 Mrd. Euro.
Ich möchte die Berechnung des Kurs/Umsatz-Verhältnisses um die Schulden bereinigen, weil die Schulden ja in unserem Fall eine beträchtliche Rolle spielen. Anfang 2020 hatte TUI 1 Mrd. Euro Nettoschulden. Der "Wert" des Geschäfts von TUI betrug also 6,5 Mrd. Euro: Die Marktkapitlalisierung zzgl. der Nettoschulden.
Zum Verständnis: Hätte TUI damals keine Schulden gehabt, dann wäre die Marktkapitalisierung in etwa um 1 Mrd. Euro höher gewesen. ein sauberes, schuldenfreies TUI-Geschäft ist daher 6,5 Mrd. Euro wert gewesen.
Ein Jahr später, nach dem Corona-Hilfspaket mit einem Volumen von 1,8 Mrd. Euro und nach der Ausgabe von 509.000 Neuen TUI Aktien zu 1,07 Euro steht der Kurs bei 6,62 Euro (4,11 Euro TUI zzgl. 2,51 Euro für das Bezugsrecht). Die Marktkapitalisierung beträgt somit 7,3 Mrd. Euro, die Schulden stehen bei 6,4 Mrd. Euro (zuzüglich zu den Corona-Hilfen hat TUI auch selber kräftig Schulden gemacht). Der Unternehmenswert ohne Schulden liegt damit bei 13,7 Mrd. Euro. TUI ist somit heute doppelt soviel Wert, obwohl sich der Umsatz halbiert hat.
Nun hat der Bund (Wirtschaftsstabilisierungsfonds) noch die Option, weitere 420 Mio. Aktien zum Kurs von 1 Euro zu erwerben. Wenn der Bund diese Option beispielsweise ende 2022 ausübt, fließen der TUI 420 Mio. Euro in bar zu, gleichzeitig erhöht sich die Anzahl der Aktien um 420 Mio. auf 1,52 Mio. Es würde sich, wenn wir weiterhin von einem rechnerischen Aktienkurs von 5 Euro ausgehen, eine Marktkapitalisierung von 7,6 Mrd. Euro ergeben. Gleichzeitig würde die Nettoschuld zuzüglich zu den geplanten Rückzahlungen um weitere 420 Mio. Euro vermindert, weil dieser Teil der Coronahilfe dann ja nicht mehr zurück bezahlt werden müsste.
Analysten gehen davon aus, dass ohne diese Wandlung Ende 2022 der Schuldenstand auf 4,2 Mrd. Euro zurückgeführt sein wird. Streichen wir dann noch weitere 420 Euro an schulden und führen wir gleichzeitig 420 Mio. Euro an Barmitteln zu, dann ergibt sich eine neue Nettoschuld von 3,2 Mrd. Euro. Die Marktkapitalisierung läge dann bei 5 Euro x 1,52 Mrd. Stück Aktien = 7,6 Mrd. Euro. Zuzüglich den Nettoschulden ergibt sich eine Bewertung des Geschäfts von TUI von 10,8 Mrd. Euro.
Also: Vor Corona lag der geschäftswert bei 6,5 Mrd. Euro, nach Corona und nach Wandlung bei 10,8 Mrd. Euro. Vor Corona lag der Jahresumsatz bei 19 Mrd. Euro, im Jahr 2022 soll der Umsatz wieder auf dieses Niveau angestiegen sein. Warum also 10,8 Mrd. Euro für ein Geschäft bezahlen, das vor Corona nur 6,5 Mrd. Euro wert war, fragen nun die Kritiker.
Die Antwort ist ganz einfach: Weil die Welt nach Corona für TUI besser ist, als vor Corona. Anfang 2020 hatte TUI exorbitante Sonderaufwendungen aufgrund des Desasters um die Boeing 737MAX zu tragen: es wurden Flieger für 100 Mio. Euro pro Monat gemietet. Die Schuldfrage war ungeklärt, schlimmstenfalls würde TUI auf diesen Kosten sitzen bleiben.
Nach Corona fliegt die 737MAX wieder. Die Schuldfrage ist zwar nicht geklärt, aber die Chancen sind gestiegen, dass TUI eine Kompensation in irgendeiner Form erhalten wird.
Vor Corona gab es Überkapazitäten im europäischen Flugverkehr. Condor war Pleite, flog aber mit Staatshilfen weiter und setzte damit den ruinösen Preiskampf min der Branche fort. Nach Corona werden die Fluggesellschaften den Flugbetrieb nur sukzessive aufnehmen. Überkapazitäten werden nur bedingt aufgebaut, viele Mitarbeiter sind auf Kurzarbeit oder inzwischen entlassen. Die Fluggesellschaften können die Corona-Hilfen nutzen, um die veralteten, sprintfressenden und damit in der Unterhaltung teuren Flieger auszumustern, es wird einen Betrieb mit neuen Fliegern zu günstigeren Betriebskosten geben.
TUI hatte vor Corona ein gigantisches Investitionsprogramm gefahren, um eigene Hotels und Kreuzfahrtschiffe aufzubauen. Dort ist die Gewinnmarge deutlich höher, wenngleich das Risiko ebenfalls höher ist,. Das Risiko hat TUI in der Krise zu spüren bekommen, dennoch ist TUI Dank der Corona-Hilfen nicht Pleite gegangen. Anschließend wird TUI die Früchte der damaligen Investitionen ernten können.
Es wird weniger Geschäftsflüge nach Corona geben (Zoom Video), Urlaubsflüge jedoch werden meiner Erwartung nach sprunghaft wieder ansteigen und vielleicht schneller neue Rekordniveaus erreichen, als sich das viele vorstellen können. Da TUI hauptsächlich Urlaubsflüge anbietet, wird TUI besonders davon profitieren.
Viele Hotels sind durch Corona pleite gegangen, viele Reisebüros vom Markt verschwunden. TUI ist einer der Profiteure der Krise und wird den eigenen Marktanteil ausbauen können.
Ich gehe auch davon aus, dass die Menschen nicht mehr auf den letzten Pfennig beim Buchen ihres Urlaubs achten werden, sondern etwas großzügiger mit dem Geld umgehen werden. Durch die eigenen Hotels und Schiffe, sowie durch den nachlassenden Preisdruck wird sich die Gewinnmarge in der Branche deutlich verbessern - auch gegenüber der Zeit vor Corona.
Ich hatte TUI bereits vor Corona empfohlen, das Geschäft war damals schon meiner Einschätzung nach völlig unterbewertet. Im Jahr 2022 würde TUI den obigen Berechnungen zufolge auf einem Kurs/Umsatz-Verhältnis (um die Nettoschulden bereinigt) von 0,6 notieren. Ein Verhältnis von 1 wird als fair betrachtet. Sollte TUI ordentliches Wachstum auch für nach 2022 in Aussicht stellen können, dann ist ein KUV deutlich über 1 vorstellbar.
Vor Corona notierte TUI auf einem KUV von 0,3, was den ruinösen Wettbewerb und die hohen Kosten für den Ersatz der Boeing 737MAX widerspiegelte. Nach Corona ist ein KUV von 0,6 in meinen Augen weiterhin günstig.
Gut, zwischenzeitlich, also Stand heute, ist das KUV auf 1,7 gesprungen: Exorbitant hohe Schulden bei fehlenden Umsätzen. Doch diese vorübergehende Situation als Grundlage für eine langfristige Bewertung zu nehmen, ist falsch. Bei Insolvenzefahr kann man das tun, aber die ist ja nun durch die Corona-Hilfen abgewendet.
die Aktie dürfte meiner Erwartung nach ein Jahr vor der Rückkehr zur Normalität 2022, also bereits Ende 2021, dieses Szenario Wiederspiegeln. Mich würde ein Aktienkurs von 8 Euro nicht wundern. Das würde einem KUV von 0,9 entsprechen".
Freundliche Grüße
ekip.de AG c/o Stephan Heibel
Herausgeber des
Börsenbriefes Heibel-Ticker
http://www.heibel-ticker.de
Übersicht der Transaktionen dieser Position:
WKN: TUAG00, ISIN: DE000TUAG000 Gekauft am 9.11. zu 4,12 EUR
3.12.: Staats- & Coronahilfen summieren sich auf 4,2 Mrd. EUR Licht am Ende des Tunnels durch Impfstoff in Sicht
13.1.21: Kursziel Ende 2021 bei 8 Euro
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