(was immer das sein soll) nicht dadurch "Gerechtigkeit zu teil werden lassen", indem man alles Haarsträubende, was im Namen des Islam getan wird von real exisitierenden Praktizierenden, ausgrenzt aus dem vermeintlich"wahren" Islam. Solche Glaubensgebilde sind immer vielfältig und in sich widersprüchlich und letztlich ist es eine sehr subjektive Frage, was der "wahre" Glaube sei, egal ob christlich (katholisch oder protestantisch), muslimisch, buddhistisch oder was auch immer.
Allerdings: Dort wo sich eine bestimmte religiöse Richtung als politische Macht etabliert, ist es keine subjektive Frage mehr, sondern die Frage, wie wird diese Macht bezogen auf die gesamte Gesellschaft ausgeübt. Gesellschaft besteht immer aus einer Vielfalt von einzelnen Subjekten, die völlig unterschiedliche Vorstellungen von der Welt, der Religion, den sozialen Zusammenhängen haben. Und es bestehen unterschiedliche Zugänge zu Macht und Einfluss. Als politische Macht ist Religion auch "nur" Partei. Da aber Religion qua Existenz ein (relativ) geschlossenes Weltbild vertritt mit vielen eigenen Regeln und Glaubenskriterien, die ihre Selbstdefinition ausmachen, ist Religion exklusiv. Und da Religion sich fundamental mit den Themen von "Gut und Böse" auseinandersetzt und ihre Regeln genau dafür stehen, gehört der "andere" immer tendenziell zu den "Bösen". Das ist ein konstitutives Merkmal von institutionalisierter Religion. Und deshalb ist es im Sinne von "Freiheit" quasi unmöglich zu akzeptieren, dass subjektive Vorstellungen von religiös geprägtem "Gut und Böse" zu exklusiven allgemeinen politischen Regeln werden dürfen. Sie können als EINE gesellschaftliche Gruppe Einfluss auf die moralische Verfassung einer Gesellschaft nehmen. Das ist klar. Aber überall, wo innerreligöse Regeln mit politischer Macht verknüpft werden und trotz der subjektiven Verschiedenheit in Glaubensfragen durchgesetzt werden sollen, herrscht per se Unfreiheit. Das war im Mittelalter mit der katholischen Kirche nicht anders, als es heute in vielen islamisch geprägten Staaten sich zeigt.
Deshalb ist der Vorwurf nicht: Der Islam ist doof, deshalb ist er als politische Macht in offenen Gesellschaften untragbar, sondern: Der Islam ist eine Religion, deshalb ist er als politische Macht in offenen Gesellschaften nicht tragbar. Da kann man noch so sehr die "positiven Seiten des wahren Islam" hervorkehren. Für jeden Andersgläubigen hat er eben auch negative Seiten, sonst wäre er nicht andersgläubig. Genauso wie der Jude oder der Katholik eben für den Moslem kein wirklich Rechtgläubiger ist. Und er deshalb dort, wo Islam und politische Macht in eins gehen und die innerislamischen Regeln verallgemeinert werden, automatisch benachteiligt wird. Ich habe schon weiter oben gesagt: Natürlich kann ein Moslem in einer freien Gesellschaft sowohl gutgläubig als auch gesetzestreu und demokratisch sein. Sobald er akzeptiert, dass sein Glaube seine ganz persönliche Angelegenheit ist und es ihm nicht zusteht, anderen die Regeln, denen er sich FREIWILLIG unterwirft, anderen aufzuzwingen. Und dann ist ein Minarett auch nix anderes als ein ganz gewöhnlicher Kirchturm.
Adriano versucht aber, nicht ohne missionarischen Eifer, davon zu überzeugen, dass der "wahre" Islam - im Gegensatz zum weitläufig praktizierten - eine ganz tolle Sache sei. Und dabei negiert er alles, was für den Außenstehenden gegen diese Meinung spricht und ist bemüht, um sein geschlossenens Bild zu retten, alles was dagegen spricht entweder auszublenden, es zu relativieren oder aus dem "wahren" Islam auszugrenzen. Ausblenden und relativieren sind sowas wie ein Rechtfertigungszwang. Ausgrenzen aus dem "wahren" Islam ist allenfalls ein innerislamischer Diskurs, der ganz offensichtlich nicht abgeschlossen ist (nie sein wird, wie in jeder lebendigen Religionsgemeinschaft), weil es immer andere "wahre" Moslems gibt, die das völlig anders sehen.
In diesem Diskurs über den "wahren Islam" habe ich als Außenstehender nix zu suchen und nix zu gewinnen. Das müssen die Moslems schon unter sich ausmachen. Deshalb macht es auch keinen Sinn für mich, die eine Auslegung, die Adriano vertritt, als die "wahre" Auslegung des Islam hinzunehmen, wenn es überall anders vertretene und praktizierte Auslegungen des Islam gibt. Die zum Beispiel eben im Namen des Islam Antisemitismus predigen, Andersgläubige verdammen, Frauen knebeln, den "Ungläubigen" als Freiwild sehen. Zu negieren, dass das alltägliche Praxis in vielen islamischen Ländern ist, ist wenig glaubwürdig. Da hilft auch nicht der rekurs auf irgendwelche historische beispiele, wie Spanien seinerzeit, wo das anders war. ( man kann auch die heutige katholische Kirche nicht an ihrer düsteren Praxis im Mittelalter messen.)
Das, was da teilweise praktiziert wird, als "unislamisch" wegzudefinieren, ist auch nicht sonderlich glaubwürdig. Solange darüber innerhalb des Islam nichtmal Konsens herrscht - ja die heutige, in vielen Ländern und Gruppen sehr repressive Ausprägung sogar eher das Bild abgibt, dass eine große Mehrheit der Moslems geneigt ist, dies als islamisch zu akzeptieren - warum sollen dann ausgerechnet die "Ungläubigen" darüber einen Konsens bilden, dass dies nicht "das wahre Gesicht" des Islam sei? Die meisten sind ja bereit, viele Gesichter des Islam zu akzeptieren. Ein "wahres" ist allerdings nicht auszumachen. Auch Religionen unterliegen historischen Entwicklungen. Natürlich kann auch der Islam kompatibel mit Demokratie und Freiheit sein. Viele Moslems leben ihn ja so. Aber so lange viele Strömungen im Islam auf die politische Vorherrschaft drängen, sind diese Strömungen nicht mit Freiheit und Demokratie kompatibel. (Wie oben erklärt.) Sowas endet zwangsläufig in Terror. Das gilt für alle Heilslehren mit Totalitätsanspruch. Auch für politische.
Sodele. ----------- „Ob wenig oder mehr Staatstätigkeit – diese Frage geht am Wesentlichen vorbei. Es handelt sich nicht um ein quantitatives, sondern um ein qualitatives Problem.“ Walter Eucken
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