Prozess gegen einen einschlägig vorbestraften Raser Das Bezirksgericht Zürich hat über einen 23-jährigen Mann zu entscheiden, der mehrfach wegen schwerer Verkehrsdelikte vorbestraft ist und vor zwei Jahren mit stark übersetzter Geschwindigkeit an einer Polizeipatrouille vorbeiraste. Der Bezirksanwalt verlangt eine Bestrafung mit 27 Monaten Gefängnis und die Einziehung des Autos. Es ist nicht neu, dass sich ein Gericht mit der Frage befassen muss, ob einem notorischen Verkehrssünder das Auto als Tatwaffe zu entziehen sei - es kam bisher einfach noch nicht oft vor. Eine solche Zwangsmassnahme ist in Artikel 58 des Strafgesetzbuches vorgesehen und obligatorisch, also von Amtes wegen anzuordnen, falls es sich um eine Sicherungseinziehung handelt und die Voraussetzungen dafür vorliegen. Zu diesen Voraussetzungen gehört unter anderem, dass eine künftige Gefährdung der Öffentlichkeit als hinreichend wahrscheinlich gilt und eine mildere Massnahme (zum Beispiel Führerausweisentzug) nicht ausreicht. Das Bezirksgericht Zürich hatte am Donnerstag über einen jungen Schweizer zu entscheiden, der bereits zweimal wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln bestraft worden war: mit Busse und mit einer bedingten Gefängnisstrafe von 14 Tagen. Diese Vorstrafen hinderten ihn nicht daran, am 27. Dezember 2002 auf der Autobahn 1 zwischen Oerlikon und Schwamendingen mit massiv übersetzter Geschwindigkeit an einem zivilen Polizeifahrzeug vorbeizurasen. Die Polizisten massen eine Geschwindigkeit von 193 km/h, der Lenker hingegen will höchstens 160 km/h gefahren sein, wie er gestern vor Gericht aussagte. Auch dies ist noch viel zu schnell, gelten auf dieser Strecke doch teilweise Höchstgeschwindigkeiten von 80 km/h oder 100 km/h. Erst in Effretikon konnte der Raser von der Polizei gestoppt werden.
Der Bezirksanwalt wirft dem heute 23-jährigen Schweizer serbischer Abstammung vor, in jener Nacht auf der Autobahn bei ungünstigen Sicht- und Strassenverhältnissen eine derart grosse Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer provoziert zu haben, dass es nur noch haarscharf um eine grobe Verletzung der Verkehrsregeln und nicht um versuchte vorsätzliche Tötung gehe. Es grenze an ein Wunder, dass keine Menschen zu Schaden gekommen seien. Dem Raser war nach diesem Vorfall einmal mehr der Führerausweis entzogen worden. Dies hinderte den Mann nicht daran, wenige Monate später wieder ein Auto zu lenken. Zweimal wurde er im Nachhinein am Steuer seines geleasten BMW erwischt.
Angesichts solcher Einsichtslosigkeit forderte der Bezirksanwalt eine Bestrafung mit 27 Monaten Gefängnis und die Einziehung des beschlagnahmten Autos. Eine Einziehung sei auch dann möglich, wenn der Täter nicht Eigentümer sei. Es gelte zu verhindern, dass mit dem BMW weitere Delikte verübt würden, und die Einziehung habe auch vorbeugenden Charakter. Allerdings wurde im Laufe der gestrigen Verhandlung bekannt, dass der über beide Ohren verschuldete 23-Jährige wieder im Besitze seines Führerausweises ist, als Kurier arbeitet und damit täglich Auto fährt sowie zwei Fahrzeuge auf seinen Namen eingelöst hat: unter anderem einen - ganz legal - abgeänderten Fiat Coupé, der tiefer gelegt wurde, spezielle Räder, Felgen und Federn aufweist. Der Angeklagte beteuerte vor den unangenehm überraschten Richtern, der Fiat werde nur von seiner Freundin gefahren.
Grundsätzlich gab der Angeklagte alle ihm vorgeworfenen Delikte zu, und das waren nicht wenige. Er wehrte sich vor allem dagegen, in jener verhängnisvollen Nacht auf der Autobahn ein Rennen gefahren zu sein und dabei 193 km/h erreicht zu haben. Der 23-Jährige musste sich aber auch noch wegen einer Rauferei vor einer Zürcher Discothek verantworten. Dort hatte er im Laufe einer gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen Serben und Albanern im Auto eine Pistole geholt, mit dieser einem Widersacher mehrfach auf den Kopf geschlagen und anschliessend die umstehenden Leute bedroht. Für die Pistole besass er keinen Waffentragschein. Der Verteidiger verlangte für seinen Mandanten eine milde Bestrafung mit vier Monaten Gefängnis bedingt, bei einer Probezeit von vier Jahren. Von einer Einziehung des beschlagnahmten BMW als Tatwaffe wollte er nichts wissen, hingegen wehrte er sich nicht gegen die Einziehung der Pistole. Das Bezirksgericht wird sein Urteil heute Freitag bekannt geben.
NZZ 1.10.2004
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