Die „neue“ Softing DER AKTIONÄR: Herr Dr. Trier, die Aktionäre haben auf der diesjährigen Hauptversammlung eine gänzlich andere Softing erlebt. Warum haben Sie bei den Verlusten im Automobilsektor nicht schon früher die Notbremse gezogen? Dr. Wolfgang Trier: Lange haben wir mit der „Notbremse“ nicht gewartet. Bereits im zweiten Halbjahr 2005 haben wir uns für drastische Korrekturen im Bereich Automotive Electronics entschieden. Dies führte zur Neubesetzung des Automotive Vorstandsressorts im Februar 2006 sowie einiger weiterer Schlüsselpositionen des Geschäftsbereichs. Die Folge war eine schnelle inhaltliche Umsetzung der Neupositionierung des Bereichs im Jahr 2006. Auch wenn die Vorjahresergebnisse dies nach außen nicht zeigten, war uns klar, dass die Neupositionierung der Automobilsparte Erfolg haben würde. Von dem Ergebniszuwachs, den Sie für das laufende Jahr prognostizieren, hatten Sie Ende Juli schon „wie viel“ in der Tasche? Ausreichend viel, um die Zusage „EBIT von mehr als zwei Millionen Euro“ ohne jede Nervosität treffen zu können. Für den Geschäftsbereich Industrial Automation geben Sie im Halbjahresbericht einen EBIT-Sprung von 0,50 Millionen auf 0,85 Millionen Euro an. Im Segment Industrial Automation wollen wir nach knapp elf Millionen Euro Umsatz im Vorjahr dieses Jahr organisch die Marke von zwölf Millionen Euro überschreiten und das Vorjahres-EBIT in Höhe von 890.000 Euro übertreffen. Wie Sie sehen, ist uns dies mit einem operativen Gewinn von 851.000 Euro fast schon zum Halbjahr gelungen. Auch hier stecken Reserven, um den angekündigten operativen Gewinn von zwei Millionen in der Softing-Gruppe zum Jahresende zu erreichen. Sie wollen im Bereich Industrial Automation in diesem Jahr sechs neue Produkte auf den Markt bringen. Sind diese Produkte schon fertig entwickelt, oder befinden sie sich noch in den Kinderschuhen? In unserer Industrie ist bei Neuprodukten meist mit einem Jahr Entwicklung bis zur Produktfreigabe zu rechnen. Ein weiteres Jahr dauert es typischerweise, bis das Neuprodukt in wirtschaftlich relevanten Stückzahlen läuft. Bereits als Produkt freigegeben und mit sehr guter Kundenresonanz quittiert wurden die beiden Versionen des „BusCheck“. Das Gerät hilft unseren Kunden, zielsicher Fehler im Datenaustausch von PROFIBUS-Netzwerken zu erkennen. Ebenfalls Produktreife hat eine neue OEM Interface-Hardware in der Fabrikautomation. Noch in diesem Monat werden mit einer italienischen und einer chinesischen Version unseres Kabeltesters wichtige neue Regionalmärkte zugänglich gemacht. Ende November werden wir auf der Nürnberger Messe „IPC-SPS Drives“ ein Produktportfolio zum Zukunftsthema „Real-Time-Ethernet“ vorstellen, das zu allen bekannten Wettbewerbsprodukten deutliche Vorteile im Kundennutzen aufzeigt. Dieser Umfang an Neuprodukten in strategischen Top-Themen definiert unsere Latte für die Zukunft. Werden Sie im kommenden Jahr weitere Innovationen auf den Markt bringen? Selbstverständlich. Der Bereich Industrial Automation wird sein hochprofitables und schnell wachsendes Geschäft mit der Feldbus-Diagnose mit mindestens zwei neuen Produkten ausbauen. In der Prozessindustrie werden wir für die drahtlose Kommunikation neue Produkte anbieten und das Geschäft mit Kommunikationsmodulen durch den Ausbau der Produktfamilie weiter stärken. Der Bereich Automotive Electronics bereitet sich mit Produktentwicklungen auf bevorstehende Vergaben von Großprojekten in der Automobilindustrie vor. Ebenfalls streben wir die Gewinnung neuer Kunden für herstellerspezifische Fahrzeugschnittstellen (Vehicle Communication Interfaces) an. Ist Ihre Entwicklungsabteilung dem scharfen Vorwärtsprogramm auch tatsächlich gewachsen? Ja! Durch Effizienz und hohen Einsatz der bestehenden Mannschaft ist dies in diesem Jahr zu machen. Zur Absicherung unserer Entwicklungsleistung in der Zukunft werden wir 2007 allein in Deutschland über alle Funktionen hinweg mehr als 30 neue Mitarbeiter eingestellt haben. Die größte Gruppe daraus entfällt auf den Bereich Entwicklung. Parallel dazu bauen wir unsere Entwicklungstochter in Rumänien weiter aus. Interessant ist dabei, dass sich trotz eines Mangels an qualifizierten Kandidaten in der Industrie viele sehr gute Entwickler und Produktmanager bei uns bewerben. Man sieht in Softing ein dynamisches Unternehmen, das weit überdurchschnittliche persönliche Entwicklungschancen an einem attraktiven Standort bietet. Das zieht auch regelmäßig gute Mitarbeiter vom Wettbewerb zu uns. Täuscht der Eindruck oder stimmt es, dass die Softing-Mitarbeiter eine ganz andere Motivation haben, als dies noch vor zwei Jahren der Fall war? Sie liegen mit Ihrem Eindruck richtig. Die Mitarbeiter sehen, dass sich die Firma im Vergleich zu den Vorjahren rasant entwickelt. Wir legen in der Aggressivität und in unserem Anspruch auf Marktführung einen Takt vor, den weder Mitarbeiter noch Wettbewerber gewohnt sind. Die Erfolge reißen die Mannschaft mit. Die Verpflichtung neuer Mitarbeiter mit hervorragendem Profil tut ein Übriges. Sie sind in einem Milliarden-Markt tätig. Welche Wachstumsziele haben Sie sich mittelfristig gesetzt? Unsere letzte strategische Bewertung hat ergeben, dass im Automatisierungsmarkt von etwa 120 Milliarden US-Dollar grundsätzlich mehr als 1,5 Milliarden US-Dollar auf das Thema „Kommunikation“ entfallen. Hier sind wir heute nur mit etwa 15 Millionen Euro vertreten. Analoge Größenordnungen gelten für den Bereich Automotive Electronics. Bei einem erwarteten Jahresumsatz von mehr als 26 Millionen Euro bleibt reichlich Raum für Wachstum. Wir wollen durch organisches und nicht-organisches Wachstum zunächst die Umsatzschwellen von 50 Millionen und dann 100 Millionen Euro überschreiten. Gleichzeitig streben wir das nachhaltige Erreichen einer zweistelligen EBIT-Marge an. Ohne Akquisitionen sind diese Ziele nicht zu erreichen. Wie sehen Ihre Expansionspläne konkret aus? Wir haben in diesem Jahr die Akquisitionspipeline ausgebaut. Dabei werden für die strategischen Kernbereiche passende Kandidaten identifiziert und strategische wie operative Auswirkungen einer möglichen Übernahme anhand unserer Modelle geprüft. Wer hier durchkommt, wird angesprochen und zu Gesprächen eingeladen. Aber selbst in diesem Stadium müssen die Akquisitionskandidaten noch eine lange Checkliste passieren. Nur wenn alles passt und im Kaufpreis sowie in der Dealstruktur ein nachhaltiger Mehrwert für die Softing und damit für ihre Aktionäre geschaffen wird, kommt es zum Kauf. Das dauert naturgemäß. Es wäre unklug, sich hier die Preise durch selbst erzeugten „Kaufdruck“ in die Höhe zu treiben. Dürfen sich Softing-Aktionäre bald über eine Dividende freuen? Wir werden zum Ende des Jahres 2007 sicher zu prüfen haben, ob schon für 2007 eine Dividende denkbar ist. Als Alternative zu einer Dividendenzahlung wären aber auch entsprechend attraktive Akquisitionen denkbar. Vielen Dank für das Gespräch!
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