Aktie im Fokus: Qiagen
Das Unternehmen Qiagen aus Hilden war schon zu Zeiten des Neuen Marktes ein Anlegerliebling und blickt auf eine wechselhafte Börsengeschichte zurück. Als Laborausrüster und Spezialist für Diagnostik ist Qiagen ein Zulieferer und Partner der forschenden Pharma- und Biotechnologieunternehmen und damit so etwas wie der Schaufelverkäufer beim Goldrausch. An sich also ein weniger spektakuläres aber einträgliches Geschäft. Und das hat in den letzten Jahrzehnten auch meistens recht gut funktioniert. Die Reagenzien und Instrumente aus dem Hause Qiagen gelten in Forschungslabors quasi als Goldstandard und mit seinen Diagnostiktests hatte sich der Konzern ein weiteres starkes Standbein bei klinischen Anwendungen erschlossen.
Dabei wuchs Qiagen nicht immer nur organisch, sondern kaufte auch gerne mal Umsatz und neue Geschäftsfelder hinzu. Allerdings nicht immer mit großem Erfolg. Und im letzten Jahr lief dann einfach alles schief.
Absturz und Selbstaufgabe
Qiagen expandierte in ein weiteres Geschäftsfeld, doch nach anhaltenden Misserfolgen musste die Entwicklung eigener neuartiger DNA-Sequenzierungsgeräte aufgegeben werden. Hinzu kam ein massiver Absatzeinbruch in China und die immer größeren Fragezeichen über die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens. Nach 27 Jahren Unternehmenszugehörigkeit und 15 Jahren auf dem Chefposten ging dann auch noch Peer Schatz von Bord und hinterließ Qiagen führungs- und orientierungslos. Als Konsequenz stellte sich das Unternehmen selbst zum Verkauf.
Interessenten gab es einige, darunter auch Finanzinvestoren. Da Qiagen aber keine Großaktionäre hat, sondern der überwiegende Teil der Aktien in Streubesitz liegt, muss der Kaufinteressent vor allem mit dem Angebotspreis überzeugen. Und je strategisch sinnvoller eine Übernahme ist und das Angebotsspektrum des Kaufinteressenten passend ergänzt, desto größer sind die Synergieeffekte und damit seine Bereitschaft, auch einen höheren Kaufpreis zu bezahlen. Eine strategische Übernahmeprämie also.
Zum Kreis der Interessierten gehörten u.a. Abbott Laboratories, Siemens Healthineers, Merck, Danaher, aber auch Illumina, mit denen Qiagen erst kurz zuvor eine langfristige Kooperation im Bereich der DNA-Sequenzierung geschlossen hatte. Und natürlich Thermo Fisher.
Thermo Fisher ist die erste Wahl
Thermo Fisher Scientific bietet innovative Lösungen für jede Phase wissenschaftlichen Arbeitens im Gesundheitssektor und bezeichnet sich selbst als „der weltweit größte Lieferant für wissenschaftliche Anwendungen“.
Das Unternehmen entstand im November 2006 mit der Übernahme der Fisher Scientific International Inc. durch die Thermo Electron Corp. und dessen Subunternehmen ThermoQuest. Die 1956 gegründete Thermo Electron war auch durch eine Reihe von Übernahmen erfolgreicher Analytikfirmen erfolgreich gewachsen, deren Aktivitäten dann unter dem Dach von Thermo Fisher Scientific zusammengefasst wurden.
Qiagen würde hervorragend ins Angebotsspektrum von Thermo Fisher passen und gemeinsam würde eine Art „Amazon für Kunden aus dem Forschungsbereich, das alles aus einer Hand bietet“ werden, wie es Andreas Bischof, Manager des Nova Steady Healthcare Fonds, formulierte.
Vorstand und Aufsichtsrat von Qiagen stimmten für die Offerte von Thermo Fisher, die bereit waren, das Unternehmen zu 39 Euro je Aktie zu übernehmen. Aus Sicht von Qiagen und auch von Thermo Fisher eine sinnvolle Kombination und ein attraktiver Preis für ein strauchelndes Unternehmen ohne Führung.
Corona mischt die Karten neu
Dann passierte Corona und brachte das laufende Übernahmegebot ins Schlingern. Denn Thermo Fisher wollte mindestens 75 Prozent der Qiagen-Aktien erwerben, das war Bedingung der Übernahmeofferte und keine kleine Hürde. Aber sie schien durchaus überwindbar, auch wenn einige Investoren auf einen höheren Preis schielten und sich in den letzten Monaten bei Qiagen mit eigenen Aktienpaketen positioniert hatten.
Und sie bekamen kräftig Rückenwind, denn die Nachfrage nach Qiagens Lösungen und Produkten schießt in die Höhe, da weltweit die Test- und Forschungskapazitäten stark ausgebaut werden und die Staaten großzügig bemessene Forschungsetats zur Bekämpfung der Corona-Pandemie zur Verfügung stellen.
So erwartet das Unternehmen für das dritte Quartal einen währungsbereinigten Anstieg des Nettoumsatzes von 16 bis 21 Prozent und der bereinigte Gewinn je Aktie soll währungsbereinigt um 45 bis 60 Prozent auf etwa 0,52 bis 0,58 Dollar zulegen. Für das Gesamtjahr geht das MDAX- und TecDAX-Mitglied von einem währungsbereinigten Nettoumsatzwachstum von etwa 15 bis 18 Prozent aus und einem bereinigten Gewinn je Aktie von 2 Dollar – eine Steigerung um 40 Prozent. Und auch für das kommende Jahr zeigte sich Qiagen optimistisch und rechnet mit einer weiterhin anhaltenden Nachfrage nach Corona-Testprodukten. Selbst wenn ein Impfstoff gefunden ist.
So sinnvoll eine Übernahme durch Thermo Fisher strategisch auch ist, sowohl für Qiagen als auch Thermo Fisher, die Aktionäre haben keinen Grund, ihre Aktien zu niedrig anzudienen. Das hat auch Thermo Fisher erkannt und sein Angebot um eine Milliarde Dollar deutlich nachgebessert. Statt 39 Euro bietet man nun 43 Euro je Aktie und senkte parallel dazu die Annahmequote von 75 auf 66,67 Prozent.
Gut möglich ist allerdings, dass auch dieses nun bis 10. August befristete Angebot nicht das letzte gewesen ist. Für Thermo Fisher macht die Übernahme strategisch Sinn; im Umkehrschluss könnten Wettbewerber alleine deshalb schon ein Interesse daran haben, dass Thermo Fisher nicht zum Zuge kommt. Die strategische Übernahmeprämie dürfte für alle Interessierten deutlich gestiegen sein. Zumal auch Qiagen selbst wieder viel besser dasteht als zuvor und möglicherweise immer wertvoller wird, je mehr Zeit ins Land geht.
Auch bei Thermo Fisher brummen die Geschäfte
Dabei ist Thermo Fisher auf die Übernahme von Qiagen nicht angewiesen. Gerade erst hat man eigene Quartalszahlen vorgelegt und die Erwartungen der Analysten klar übertroffen.
Der Umsatz stieg um 9,5 Prozent auf 6,92 Milliarden Dollar, wobei die Sparte Life Sciences Solutions um 52 Prozent auf 2,6 Milliarden Dollar zulegte, Laboratory Products and Services um 5,8 Prozent auf 2,79 Milliarden Dollar und Special Diagnostics um 4,8 Prozent auf 988 Millionen Dollar. Analytical Instruments als vierte Sparte schwächelte hingegen und ging mit 1,05 Milliarden Dollar um gut 20 Prozent unter dem Vorjahreswert durchs Ziel. Ein Grund mehr, sich insbesondere in diesem Bereich zu verstärken.
Das bereinigte Nettoergebnis stieg um mehr als 26 Prozent auf 1,55 Milliarden Dollar und der Gewinn je Aktie um 28 Prozent auf 3,89 Dollar. Noch beeindruckender ist die Entwicklung des operativen Cashflows, der um fast 46 Prozent auf 1,89 Milliarden Dollar zulegte.
Weder für das dritte Quartal noch das Gesamtjahr gab Thermo Fisher eine Prognosen ab. Es erscheint jedoch wahrscheinlich, dass Corona auch im weiteren Jahresverlauf ein starker Umsatztreiber bleiben wird. So konnte Thermo Fisher einen Mehrjahresvertrag mit der US-Amerikanischen Biomedical Advanced Research and Development Authority (BARDA) zur Bereitstellung von Pharmadienstleistungen zur Unterstützung der beschleunigten Entwicklung und Produktion von Impfstoffen abschließen. Des Weiteren erhielt man kürzlich eine Notfallgenehmigung der Food and Drug Administration für einen PCR-Test (Polymerase Chain Reaction) zur Diagnose von COVID-19. CEO Marc Casper stuft daher Thermo Fisher als "einen weltweit führenden Anbieter von COVID-19-Tests" ein.
Die Übernahme von Qiagen wäre für Thermo Fisher eine echte Verstärkung der ohnehin hervorragenden Marktposition. Eine nötig erscheinende nochmalige Nachbesserung des Kaufangebots könnte sich das Unternehmen locker leisten und das sollte es auch. Die deutlich verbesserte Lage bei Qiagen selbst würde das Aufgeld perspektivisch quasi selbst bezahlen und ein Scheitern der Übernahme und damit die Möglichkeit, dass sich ein Wettbewerber wie Danaher oder Abbott Qiagen schnappt, dürfte Thermo Fisher unterm Strich viel teurer kommen.
Für Qiagen-Aktionäre eine aussichtsreiche und gewinnbringende Lage, in die Corona Thermo Fisher da manövriert hat. Und Jeremy Grantham hat sich rechtzeitig bei Qiagen positioniert, um eine satte Rendite einzufahren. Er hat Qualität zu Schnäppchenpreisen eingesammelt, während der Kurs inzwischen auf den höchsten Stand seit 2001 geklettert ist. Alles richtig gemacht…
https://aktien-mag.de/blog/portfoliocheck/...ch-thermo-fisher/p-40374 ----------- Grüne Sterne beruhen auf Gegenseitigkeit!
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