Scholz bemängelt Langsamkeit von Fischers Ministerium
In der Visa-Affäre hat das Auswärtige Amt auch nach Einschätzung von Olaf Scholz, SPD-Obmann im Untersuchungsausschuss, zu langsam auf Missstände reagiert. Das Innenministerium seines Parteikollegen Schily nahm er dagegen in Schutz.
SPD-Obmann Scholz: Das AA hat "nicht immer schnell genug" reagiert
Berlin - Das Ressort von Außenminister Joschka Fischer (Grüne) habe erstmals im Jahr 2001 und dann in den Jahren 2002 und 2003 fortlaufend auf die zunehmenden Missbrauchserkenntnisse reagiert, sagte Scholz heute vor Journalisten in Berlin. Dies sei "nicht immer schnell genug" geschehen. An der Botschaft in der ukrainischen Hauptstadt Kiew seien die Instrumente zur Erleichterung des Visa-Verfahrens - das Reisebüroverfahren und die späteren Reiseschutzpässe - auch deshalb "schief gelaufen", weil sich Kriminelle der Instrumente bemächtigt hätten. Dem Bundesinnenministerium sind nach Darstellung von Scholz keine Versäumnisse vorzuwerfen.
An der Botschaft in Kiew war die Zahl der erteilten Visa in den Jahren 2000 und 2001 drastisch gestiegen auf den Höchststand von rund 297.000 Visa im Jahr 2001. Scholz sagte, für ihn sei wichtig der enge Zusammenhang zwischen dem Anstieg der Visa-Zahlen und der Beendigung des Reisebüroverfahrens für Kiew mit Wirkung ab Oktober 2001 durch das Auswärtige Amt. "Das war eine erste Reaktion."
Zum Vorwurf der Opposition an Fischer, das Auswärtige Amt habe mit seiner Visa-Politik ein Einfallstor für Schleuser, Schwarzarbeit und Zwangsprostitution geschaffen, sagte Scholz: "Ich glaube, dass es solche gegeben hat, die als Touristen gekommen sind und keine waren." Das Ausmaß werde aber überschätzt. Es gebe keine Anhaltspunkte, dass die Praxis der Visumerteilung zum Anstieg schwerer Kriminalität geführt habe.
§ Als unerklärlich bezeichnete Scholz Einzelweisungen aus dem Auswärtigen Amt wie die Reaktion auf ein Schreiben der Botschaft in Kiew vom 16. Dezember 1999. Die Botschaft hatte damals als Reaktion auf einen Erlass vom 15. Oktober darum gebeten, von Antragstellern auch bei Vorlage einer Reiseschutzversicherung vom Typ Carnet de Touriste des ADAC entgegen der Erlass-Weisung weitere Nachweise etwa zum Reisezweck verlangen zu dürfen. Am 23. Dezember wurde die Botschaft vom Auswärtigen Amt aber angewiesen, sich an die angeordnete Verfahrensweise zu halten. "Das ist ein Vorgang, der sich besser nicht zugetragen hätte", sagte Scholz.
Der umstrittene Volmer-Erlass vom 3. März 2000 mit der Weisung, im Zweifel für die Reisefreiheit zu entscheiden, und frühere Erlasse vom September und Oktober 1999 seien nicht darauf gerichtet gewesen, "den durch das europäische und nationale Recht vorgegebenen Rahmen zu verlassen", sagte Scholz. Die Kontroversen zwischen dem Bundesinnenministerium und dem Auswärtigen Amt, an denen Innenminister Otto Schily (SPD) und Fischer persönlich beteiligt waren, seien "Ausdruck des Bemühens, die zu beachtenden Vorschriften so umzusetzen, dass sie präzise eingehalten werden".
Ein von der Union initiierter Untersuchungsausschuss des Bundestages soll klären, ob die Bundesregierung mit ihrer Visa-Politik gegen internationales oder deutsches Recht verstoßen hat und ob der Missbrauch von Einreise-Visa erleichtert wurde.
In seiner dritten öffentlichen Sitzung will der Ausschuss morgen unter anderem den Richter und Ermittlungsbeamte des Bundesgrenzschutzes in einem Schleuser-Prozess in Memmingen als Zeugen hören. Das Gericht hatte den Angeklagten strafmildernd zu Gute gehalten, dass die Behörden es ihnen leicht gemacht hätten. "Strafmildernd war zudem, dass zu den Tatzeitpunkten die mit den gegenständlichen Vorgängen befassten deutschen Ausländerbehörden die Einreiseanträge nicht kritisch geprüft haben, sondern auf politischen Wunsch der zuständigen Verantwortlichen der Bundesregierung wohlwollend behandelt haben, so dass den Angeklagten ihr strafwürdiges Tun leicht gemacht wurde", heißt es in der Urteilsbegründung.
MfG kiiwii
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