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VON FRANK OLBERT, 20.04.06, 07:03h
Öl und Gold - welch mächtigen Resonanzboden besitzen diese Worte. Derzeit finden sie sich eher im nüchternen Umfeld der Wirtschaftsnachrichten wieder, weil die Preise für beide (Roh-)Stoffe steigen. So wie die Angst vor einem Krieg gegen den Iran steigt, denn wenn Öl und Gold hoch im Kurs stehen, dann ist dies ein Indiz dafür, dass die Barrieren staatlicher Aggression fallen. Auf diese Weise verlaufen die Fieberkurven, an denen sich das Auf und Ab des Zeitgeists und der mutmaßlich oder auch nur eingebildeten vorkriegerischen Stimmungen ablesen lässt. Aber jenseits dieser Schwankungen und Zuckungen, jenseits der berechtigten oder auch nur schrillen Hysterien besitzen das Öl und das Gold mythische Wucht und archaische Schwere. In Zeiten, als man sein Geld noch nicht am Automaten zog und sein Konto nicht via Internet verwaltete, war es das Gold, das man im Säckel trug und am sicheren Ort verwahrte - ein physisches Zahlungsmittel, das wie die Nuggets ganze Generationen ins Verderben riss, so wie es Charlie Chaplin in seinem „Gold Rush“ gezeigt hat. Schmuck, der Pharaonensärge verzierte und der Verherrlichung weltlicher wie göttlicher Herrscher diente. Ein massiver Barren, der jeder Inflation trotzte und noch als Wert im Tresor ruhte, wenn die Welt um ihn herum in rauchenden Trümmern lag.
Kein Wunder, dass das Öl als schwarzes Gold bezeichnet wird. Auch das Öl hat diese - im wahrsten Sinne des Wortes - bewegende Kraft, die auf die Massen ausstrahlt: selbst wenn diese Bewegung wie bei der Autoindustrie am Ende in der totalen Immobilität, nämlich im Stau endet. Wenn das Gold die Energieform der Ästhetik ist, und sei es die Ästhetik eines Talers, dann ist das Öl die Energiequelle der modernen Arbeit. Je mehr man davon hat, umso besser geht es einem, und deshalb wird um Öl und Gold nicht selten in Kriegen gestritten.
Wer Öl oder Gold oder am besten beides besitzt, ist nicht nur reich. Er schwelgt im Luxus. Am provokantesten führen dies die arabischen Dynastien vor, die ihre Länder allmählich in funkelnde Kunstprodukte mit den aufwändigsten und höchsten Hotels der Welt, artifiziellen Inselparadiesen und Wüstenpisten für Autorennen verwandeln. Ihr Öl ist reines Gold.
Der evidente Zusammenhang zwischen Ölbesitz und Reichtum hat es bis in die Trivialmythologie des Fernsehens geschafft. In der Serie „Dallas“ traten an die Stelle arabischer Scheichs die Mitglieder des texanischen Ewing-Clans, der aller Welt vorexerzierte, dass Geld allein nicht glücklich macht - besonders, wenn J. R. einen erklecklichen Batzen davon besitzt. „Dallas“ war die perfekte Übertragung des Zeitalters des Adels mit seinem Gold und Prunk in den Kapitalismus mit seiner nicht immer so geschmackssicheren Ausstattung. Die Krone war J. R.s Cowboyhut.
Wiewohl also Öl für Goldbesitz steht, würde niemand von einem „öligen Zeitalter“ sprechen, so wie man die „goldenen Zeiten“ beschwört. Am Gold mag zwar Blut kleben - nachtschwärzer aber ist die dunkle Seite des Öls. Als die Amerikaner im ersten Golfkrieg 1991 die Ölfelder von Kuweit erreichten, standen die Fördertürme in Flammen. Sie waren das Fanal für den Willen Saddams zu zerstören, was er nicht besitzen kann. Lieber sollte alles Öl dieser Welt brennen, als dass man es George Bush überließe: In Sam Mendes Film „Jarhead“ über diesen ersten Feldzug gegen den Irak gehören die Bilder von den Ölfeldern mit ihrem schwarz herabregnenden Öl, mit giftigem Rauch und schmutzig gelben Flammen zu den bedrückendsten Szenen. Als hätte sich gegen die Soldaten verschworen, was zu beschützen ihr Auftrag war.
Hingegen das Gold: Der Dichter schwärmt vom güldenen Haar der Geliebten, der Sänger sucht das Rheingold. Goldene Sonnenuntergänge wärmen das Herz jener, die derartiges über dem Sofa hängen haben, goldene Stimmen erstürmen die Hitparaden. Zugegeben, Kitsch spielt auch gerne mit, wenn vom Golde die Rede ist, so als könnten die Risse in der Welt von seinem Glanz überstrahlt werden.
Die Minen jedenfalls kommen derzeit gar nicht mehr mit dem Schürfen nach, so heftig ist die Nachfrage nach dem Gold. Freilich ist nicht alles Gold, was glänzt - besonders gilt diese goldene Weisheit für Kriegszeiten, sollte es zu diesen denn kommen. Für die Drohreden mancher Politiker, und zwar von beiden Seiten, könnte schon gelten: Reden ist Silber, Schweigen ist . . . Eben.
Kölner Stadt-Anzeiger
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