ENDE DER RALLYE? Erste Warnsignale von den Aktienmärkten
Die Bewertungen von Aktien sind gefährlich hoch. Zwei viel beachtete Kennziffern deuten darauf hin, dass die Börsenrallye am Ende ist. Es war so schön. Endlich wieder eine Börsenrallye, und der deutsche Aktienindex Dax vorneweg. Selbst Privatanleger schauten in den vergangenen Monaten wieder häufiger auf die Kurstabellen. Doch seit einigen Tagen ist der Aufschwung zum Halten gekommen. Auch am Mittwoch ging es bergab, zeitweise notierte der Dax wieder unter 7100 Zählern – vor zwei Wochen stand er noch bei 7500 Punkten. Alles nur ein Zwischentief, beruhigen viele Banken und Berater. Ein typisches saisonales Muster, heißt es – zwischen Mai und September neigen die Börsen schon immer zur Schwäche. So auch diesmal. Im Herbst werde es in alter Manier weitergehen, sprich: nach oben. Doch es gibt auch andere Stimmen. „Aktien sind derzeit nicht mehr billig“, sagt David Kotok, ein unabhängiger US-Vermögensberater. „Sie waren es vor zwei Jahren, jetzt werden sie aber langsam teuer.“ Er hat daher zuletzt Geld aus dem Aktienmarkt abgezogen und in Cash umgeschichtet. Manch andere Profis haben es ihm gleich getan. Und dies basiert nicht auf einer Momentaufnahme, die für einige Wochen oder Monate gilt. Vielmehr liegt der Einschätzung eine längerfristige Beobachtung zugrunde.
Diese greift auf das so genannte Tobin Q zurück, auch Tobin-Quotient genannt. Hinter dieser seltsamen Bezeichnung verbirgt sich eine seit Jahren unter Investoren gebräuchliche Kennzahl. Entwickelt wurde sie Ende der 60er Jahre vom Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger James Tobin. Q ist dabei der Quotient aus dem Aktienkurs und dem Substanzwert eines Unternehmens. Anders ausgedrückt: Man setzt den addierten Wert der einzelnen Vermögensgegenstände einer Firma (Produktionsanlagen, Gebäude, Know-how usw.) ins Verhältnis zu dem Wert der Firma am Aktienmarkt. Ist das Ergebnis kleiner als 1, so ist die Firma an der Börse weniger wert als ihr Substanzwert es eigentlich erwarten ließe. Die Aktien werden unter Wert verkauft. Man könnte also die Firma kaufen, ihre Einzelteile verkaufen und hätte einen satten Gewinn gemacht. Vor zwei Jahren war Tobin's Q extrem niedrig, erreichte am US-Aktienmarkt – für den die längsten Zeitreihen vorliegen – einen Wert von 0,69. Doch seither ging es mit den Kursen drastisch nach oben, und in der Folge hat sich auch die Bewertung umgekehrt. Inzwischen liegt Q über 1,22 – man bezahlt für das Unternehmen am Aktienmarkt also inzwischen mehr als seine Einzelteile zusammen wert sind. Und zwar deutlich mehr. Das wird klar, wenn man die langfristige Entwicklung von Q betrachtet. In den vergangenen 110 Jahren gab es nur eine einzige Phase, zu der Q noch höher lag als heute. Das war zur Zeit der IT-Blase um die Jahrtausendwende, als die Kurse in astronomische Höhen kletterten.
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