Leipziger Internet Zeitung
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TV-Kritik: "Fußball nach Plan" - Ein Projekt entlarvt sich selbst Volkmar Kreilich 28.05.2011
RB-Werbesendung oder Fußball-Doku? Die MDR-Serie wirft viele Fragen auf.Foto: Jan Kaefer (Archiv)Die vergangenen vier Samstage, jeweils 18 Uhr, bat der Mitteldeutsche Rundfunk das Fußballfanvolk, noch ein wenig länger am TV-Gertät zu verweilen. Auf „Sport im Osten“ folgte nämlich „Fußball nach Plan – Der Traum vom Profifußball in Leipzig“. Eine Dokumentation fast nur und um Rasenball frei von wichtigen Fragen - jeder darf jubeln, Kritik gibt es nicht.
Winfried Oelsner macht eine Dokumentation. Eigentlich keine schlechte Nachricht. „Projekt Gold“, der Film zum Weltmeisterschaftsgewinn der Handball-Männer war so schlecht nicht, hat sogar Spaß gemacht. Ein Jubelfilm zur Jubelstimmung. Jetzt eben „Fußball nach Plan – Der Traum vom Profifußball in Leipzig“. Warum steht da eigentlich nicht: „Red Bulls Traum vom Profifußball in Leipzig“? Denn immerhin ging es in den bisher samstags zwischen 18:00 Uhr und 18:15 Uhr ausgestrahlten Sendungen – bis auf Folge 2 – immer um die Bullen mit den rotblauen Hörnern.
Eine andere Frage ist, warum diese Dokumentation überhaupt im MDR ausgestrahlt wird. 3,5 mal 15 Minuten über eine Retorte im Sport? Sicher, „das Projekt“, wie es oft genannt wird, wird deutschlandweit von den Fußballfans verfolgt, aber ein Blick in die Fußballstadien des Landes reicht, um zu sehen, dass Clubs dieser Art vor allem Grund zum Widerstand und zu Protest sind.
Kritiker bleiben außen vor Leider merkt man in dieser Dokumentation gar nichts davon. Kritiker werden in den ersten vier Folgen gar nicht gesehen. Die erste Folge gerät gar gleich zur reinen Jubelarie. Sportjournalist Guido Schäfer frohlockt, dass RB die Chance erhöht, mal aus der Allianz Arena über ein Fußballspiel einer „Leipziger“ Mannschaft zu berichten und gibt sich bedauernd: „Na klar, hätte ich lieber einen der Leipziger Vereine oben gesehen“. Hat man ja auch am eigenen journalistischen „Fahne-im-Wind-drehen“ in den letzten Jahren eh bereits bemerkt. Aber Schäfer muss man bei aller Kritik zugutehalten, dass er die Misere des FC Sachsen und des 1. FC Lok in den letzten Jahren gut analysiert hat: „Nie kamen Geld und Fachwissen zusammen“.
Oberbürgermeister Burkhard Jung zeigt hingegen weniger Durchblick im Leipziger Fußball und bedient gleich wieder eines der Dauerargumente derjenigen, die „endlich erfolgreichen Fußball sehen wollen“. In der Doku analysiert er deswegen auch knallhart: „Die letzten 20 Jahre im Leipziger Fußball waren eine Leidensgeschichte“. Ach so? Dass ein Verein 1993/1994 in der 1. Bundesliga spielte und es keinen von den damaligen Stadtoberen interessiert hat, wird hier unter den Teppich gekehrt. Dafür kann Jung gewiss nichts, aber er sollte es bei seiner Analyse auch nicht vergessen. Auch, dass ein VfB Leipzig bis 1998 immerhin 2. Bundesliga, der FC Sachsen bis 2001 sogar regelmäßig 3. Liga gespielt hat, zählt nicht. Doch die kritischen Nachfragen von Oelsner bleiben hier, wie allzuoft aus.
Stattdessen gibt es einen Burkhard Jung zu sehen, welcher so die Gelegenheit erhält, sein Unverständnis über die Vorwürfe gegen Red Bull zu formulieren. So sei es für die Stadt egal, ob ein Verein durch einen Sponsor getragen wird oder durch vier. Das Problem ist aber, dass RB kein Verein im eigentlichen Sinn ist. Mitglied kann der Fan im Stadion nicht werden. RB will keine Mitbestimmung und genau das unterscheidet die Firma von anderen Vereinen in der 1. Bundesliga, denn natürlich hat das Fußball-Oberhaus viel mit Kommerz zu tun, aber trotzdem hier die Mitglieder noch ein Mitspracherecht. Siehe Hamburg, siehe Köln, siehe Schalke in dieser Saison. Bei RB wird das – Stand heute - eventuell nie möglich sein. Oelsner hat keine Sekunde Sendezeit für diese Fragen übrig.
Fehlende Fragen In der Pressenankündigung heißt es, „er wolle so dokumentarisch wie möglich vorgehen“. Angesichts des Ergebnisses im Fußballmetier kann man nur hoffen, dass er nie Leute dokumentiert, die andere verführen wollen, wenn das sein Verständnis von Dokumentation ist. Neben den ausgebliebenen Fragen nach der quasi mitgliederfreien Struktur, ebenso keine Frage danach, wie es anderen Vereinen ergeht, nachdem RB Leipzig ins Fußballgeschäft eingestiegen ist. Nirgendwo wurde bisher erzählt, dass RB zwar endlich wieder erfolgreichen Fußball in Leipzig spielen lassen will, aber bisher genauso dilletantisch vorgegangen ist, wie die Leipziger Traditionsvereine seit 1999. Es müsste auch Oelsner verwundern, dass von den Protagonisten, die in der ersten Staffel bisher vorgekommen sind, einige schon längst wieder weg sind oder weg sein werden. Pressesprecher und Teammanager Hans-Georg Felder etwa oder Sportdirektor Thomas Linke oder demnächst Trainer Tomas Oral.
Keine Fragen hört man übrigens auch, bevor die Antworten in den Einzelinterviews mit den Beteiligten über den Kanal flimmern. Egal ob bei den Antworten von Torhüter Sven Neuhaus, dem „Fußballfan“ Wolfgang Materne oder L.E. Bulls Vorstandsmitglied Dirk Behne: niemand weiß, welche Frage zu den eingespielten Antworten gestellt worden ist. TV-Kritiker kennen das von Guido-Knop-Dokumentationen und dieser musste dafür zu Recht Kritik einstecken.
Des Weiteren fällt auf, wie die Fans der beteiligten Vereine dargestellt werden. Beim FC Sachsen das einfache Ehepaar, was im Stadion Spieler als „Armleuchter“ beschimpft, beim 1. FC Lok Steffen Kubald und bei RB Leipzig der solide Rentner im feinen Wohnzimmer oder der Student mit dem Bücherregal im Hintergrund. Lernidylle eines aufstrebenden jungen Mannes mit Hemd unter dem Pullover. Schwarz und weiß und nichts dazwischen. Steffen Kubald wird wohl zu den Problemfeldern Gewalt und Rechtsextremismus befragt. Was den 1. FC Lok im Gegensatz zu RB ausmacht, will Oelsner nicht von ihm wissen. Zufall?
"Das vorrangige Ziel ist nicht der Fußball" Wohltuend dagegen die Sätze von Tim Sebastian, der die Red-Bull-Strategie gleich in der ersten Folge für alle darlegt. „Ein externes Unternehmen hat mit dem Ziel, den Absatz zu steigern, das Image zu verbessern, hier einen Verein installiert. Das vorrangige Ziel ist nicht der Fußball, das vorrangige Ziel ist der Konzern.“ Der Verein entlarvt sich selbst, übrigens auch beim Thema Fanarbeit. In der zuletzt gezeigten vierten Folge versammeln sich RB-Fans mit den damals noch aktiven Hans-Georg Felder und Thomas Linke, so wie dem jetzt noch aktiven Thiago Rockenbach da Silva. Anlass waren die Vorfälle während der 1:5-Klatsche gegen Holstein Kiel. Dass Fans „das Projekt“ verhöhnen geht nicht und schon gar nicht von Fans, die nicht „Schiedsrichter Telefon!“ rufen, sondern „Schiedsrichter im Praktikum“. Das Niveau der Zuschauer soll bitteschön zum Verein passen und Kritik in der Art ist da Fehl am Platz.
So gesehen bekommt man wenigstens noch einen interessanten Einblick in die Vereinspolitik von RB. Für die zweite Staffel dieser Doku, die Gerüchten zufolge schon fest im Sendeschema des MDR eingeplant ist, kann man sich nur wünschen, dass Oelsner auch mal ein paar gescheite Fragen stellt, die man als Zuschauer auch erfährt und vielleicht auch mal ein paar Kritiker findet. Besonders schwer sollte dies nicht sein.
Der fünfte von sechs Teilen der Filmreihe ist am heutigen Samstag um 18 Uhr im mdr Fersehen zu sehen.
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