Osterhaus ist Leiter der Virologieabteilung der Erasmus-Universität in Rotterdam und schon seit langem auf der Spur der Zugvögel. Er weiß, dass mit ihnen nicht nur der Herbst kommt. Als Virologe interessiert er sich für das, was sie mit sich herumtragen. Vor allem seit 1997, als das erste Mal ein dreijähriger Junge in Hongkong direkt von Vögeln infiziert wurde: H5N1. Vogelgrippe. Der Junge starb, und alles war anders.(aber seine vier Anverwandten wurden nicht infiziert!) Bis dahin hatten Schweine als mögliches Mischgefäß für ein neues, tödliches Grippe-Virus gegolten. Jetzt war es der Mensch selbst. Als 1918 die „Spanische Grippe“ über die Erde hinwegfegte, waren am Ende mindestens 30Millionen Menschen tot. Andere sprechen von mehr als 100Millionen Toten. Australien, Indien, China, Amerika, Afrika, Europa, in manchen Inuit-Dörfern in Alaska überlebten nur die Hunde. Die ganze Welt, ein Totenhaus. H1N1.Auch damals begann es wie immer: Fieber, Gliederschmerzen, Kopfweh. Doch dann zerflossen die Körper, Blut schoss aus Nasen, Ohren und Augen. Es waren vor allem die Jungen In einem Jahr starben mehr als in einem Jahrhundert an der Pest. In 24 Wochen tötete das Virus mehr Menschen als Aids in 24 Jahren. ...warum die Grippe 1918 so ansteckend, so tödlich und so effizient war. Es geht darum, zu erforschen, was damals passiert ist, um zu verstehen, was heute passieren kann. Wie entsteht ein so brutaler Killer? Seitdem der Virologe Peter Palese in den achtziger Jahren das Grippevirus genetisch entschlüsselt hat und dessen acht RNA-Erbgut-Bruchstücke identifizierte, ist viel passiert. Gerade hat Jeffery Taubenberger vom US Armed Forces Institute of Pathology das Virus von 1918 vollständig rekonstruiert. H1N1 lebt wieder. Zum Entsetzen der Kritiker, die warnen, dass immer wieder Tödliches aus Laboren entwischt sei. Die Russische Grippe 1977 zum Beispiel. Für die Virologen ist die Auferstehung des Killers eine Chance. Jetzt können sie mit ihm arbeiten, jetzt können sie ihn durchschauen. 87Jahre nachdem er gewütet hat. Jetzt wissen sie, dass das Virus so tödlich wurde allein durch Mutationen, nicht durch eine Vermischung mit menschlichen Grippeerregern, wie bei der Vogelgrippe befürchtet.In Amerika werden bereits einzelne RNA-Fragmente des 1918-Virus in die Augen von Mäusen und Makaken getröpfelt. Man will lernen, verstehen, welche Mutationen derart tödlich waren. Nur acht Gene hat ein Grippe-Virus, ein Herpes-Virus hat 100, der Mensch 30000 bis 50000. Aber die Grippe ist ein genialer Trickser, ist genetisch instabil, verändert immer wieder ihre Hülle, mogelt sich am Immunsystem vorbei. Sie ist ein Meister der Mutation, das ist das Schwierige, diese Wandlungsfähigkeit. In Rotterdam kämpfen sie gegen die ständige Mutation, versuchen zu erkennen, ob es im Chaos nicht doch Regeln gibt.... Der Impfstoff sei jetzt das Wichtigste, die vorklinischen Tests müssten unbedingt anlaufen. Ein Jahr brauche man für die Entwicklung. Und Tamiflu, welches das Schlüssel-Enzym des Grippe-Virus hemmt, dieses Mittel, das jetzt alle kaufen wollen, naja, wenn sich die ganze Welt damit bewaffne, dann werde sich das Virus sicher bald etwas einfallen lassen, Resistenzen entwickeln, sagt Osterhaus, der es kennt, das Virus. (Kurzfassung) http://www.sueddeutsche.de/panorama/artikel/876/62814/ http://www.crm.de/infodienst/vogelgrippe/vogelgrippe-karte/
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