Aktienoptionen geraten ins Fadenkreuz
Trend zur Entlohnung in Aktien statt in Optionen - Rote Karte für Biotest und Hypo Real Estate
Von Sabine Wadewitz, Frankfurt Börsen-Zeitung, 13.5.2006
Das erinnert an die wildesten Zeiten des Börsenhypes. Ein Unternehmen plant ein Aktienoptionsprogramm, wohlgemerkt als Anreiz für Höchstleistungen von Führungskräften, und die akribisch gesetzten Erfolgshürden sind schon vor dem Start überschritten. Nicht erstaunlich, dass die außenstehenden Aktionäre des Frankfurter Pharma- und Diagnostikunternehmens Biotest hier die rote Karte zogen. Die stimmberechtigten Titel sind zwar noch mehrheitlich in Familienhand, doch auf der gesonderten Versammlung der Vorzugsaktionäre wurden die üppigen Vergütungspläne durchkreuzt. In diesem Fall konnten sogar hartgesottene Verfechter des "one-share-one-vote" noch mal kurz Sympathie für die Vorzugsaktie empfinden. Damit ist das zweite Mal in kurzer Zeit ein Vergütungsprogramm am Votum der Aktionäre gescheitert, nachdem zuvor Pläne für virtuelle Aktien bei Hypo Real Estate zu Fall gebracht wurden.
Eigeninvestment
Erstaunlich ist, dass das Optionsprogramm der Biotest von professioneller Hand, namentlich der Unternehmensberatung Towers Perrin, erarbeitet wurde. Der Biotech-Konzern hat zudem eine außerordentlich ausführliche Beschreibung des Modells zur Hauptversammlung präsentiert. Die Konzeption der Pläne scheint auf den ersten Blick vorbildlich, wird doch ein Eigeninvestment der Manager gefordert, werden doch zwei Erfolgsziele kombiniert, wobei sowohl die Ergebnis- als auch die Aktienkursentwicklung berücksichtigt sind, und vorgesehen war zudem eine Vergütungsobergrenze (Cap), um bei unvorhergesehenen Ereignissen Exzesse abzuwenden. Bei allem Sinn fürs Detail sind dennoch die Zielhürden zu niedrig angesetzt worden.
Turnaround
Biotest ist, was Aktienkurs und Ergebnisentwicklung angeht, in der jüngeren Zeit in Top-Form gewesen. Das vor wenigen Jahren in eine beträchtliche Schieflage geratene hessische Unternehmen hatte den Turnaround aus der Verlustzone 2004 geschafft und ist noch dabei, das Geschäft wieder nachhaltig zu stabilisieren und auf Expansion umzuschalten. Die Strategie des neuen Managements ist am Kapitalmarkt mit Euphorie begleitet worden.
Mit Blick auf die von außenstehenden Aktionären als völlig unzureichend angeprangerten Zielhürden räumen die Verantwortlichen bei Biotest selbst ein, dass "aufgrund des sehr guten Geschäfts- und Kursverlaufs in den zurückliegenden Quartalen" die in dem Aktienoptionsplan festgelegten unteren Zielhürden bereits überschritten seien. Die Erklärung dazu lautet, dass der Long-Term-Incentive-Plan bereits im ersten Quartal 2005 konzipiert worden sei. Zu dieser Zeit sei die "erfolgreiche Geschäftsentwicklung" des Jahres 2005, die von Sondereffekten wie außerplanmäßig hohen Verkäufen von Gerinnungskonzentraten in Russland geprägt war, ebenso wenig sicher gewesen wie die Performance der Aktie von mehr als 100 %, schreibt Biotest.
Dass Biotest das Programm nach der fulminanten Entwicklung nicht angepasst hat, ist dem Unternehmen zum Verhängnis geworden. Hier hat die Verwaltung "geschlafen", kritisiert Reinhild Keitel von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK). Die Aktionärsvertreterin weist darauf hin, dass die Beliebtheit von Aktienoptionsprogrammen in den Unternehmen generell abgenommen habe, nachdem die Firmen die Aufwendungen dafür in der Gewinn- und Verlustrechnung ertragswirksam berücksichtigen müssten.
Carsten Hölscher von der Managementberatungsgesellschaft BodeHewitt kann einen klaren Trend weg von Aktienoptionen hin zu Full-Value-Modellen erkennen, also zur Entlohnungen mit Performance Shares oder Restricted Stock. Dieser Trend sei von den USA nach Europa gezogen. Bei diesen variablen Vergütungen erhalten die Manager Aktien des Unternehmens, wenn entsprechende Erfolgsziele erreicht sind, oder sie erhalten Aktien, über die sie nach einer Wartezeit verfügen können. Im Unterschied zu Aktienoptionen, die nur dann Geld bringen, wenn der Kurs steigt, streichen Führungskräfte bei der Bezahlung in Aktien in jedem Fall einen Gegenwert ein.
Frage des Risikos
Für Hölscher ist es entscheidend, bei der Konzeption von aktienbasierten Vergütungen die Situation einer Gesellschaft zu berücksichtigen. Zu unterscheiden sei etwa, ob es sich um ein reifes Unternehmen handle oder um ein Start-up. Bei jungen Wachstumsfirmen gingen die Mitarbeiter oft hohe Risiken ein und könnten nur in der Firma gehalten werden, wenn entsprechend hohe Anreize gesetzt würden. Das Ziel eines Long-Term-Incentive-Plans bei reifen Firmen sei indes, ein professionelles Management zu belohnen. Somit könnten die Modelle recht unterschiedlich ausfallen. Entscheidend sei, dass die Aktionäre die Vergütungsmechanismen kennen. Der Experte hält es auch für kurzsichtig, wenn einzelne Teile der Managervergütung kritisiert würden, ohne die Gesamtentlohnung der Führungsriege zu berücksichtigen.
Für institutionelle Investoren ist es auch in Deutschland von großer Bedeutung, dass Führungskräfte Aktien ihres Unternehmens halten, wie eine Umfrage von Hewitt ergeben hat. Auf diese Weise würden die Interessen von Investoren und Management an einer Steigerung des Shareholder Value verknüpft. So wird in den USA bei vielen Konzernen schlichtweg zur Bedingung gemacht, dass die Manager einen Teil ihres Gehalts in Aktien der eigenen Gesellschaft halten.
Im Licht dieser Anforderungen hätte über dem Stock Compensation Programme der Hypo Real Estate eigentlich nicht der Daumen gesenkt werden müssen. Der Immobilienfinanzierer wollte den variablen Teil der Vergütung künftig nicht mehr ausschließlich in bar auszahlen, sondern teilweise durch eine Zusage für Aktien. Diese virtuellen Anteilscheine sollten einer zweijährigen Wartefrist unterliegen.
Höhere Sensibilität
Ohne dass in der Hauptversammlung Kritik laut geworden wäre oder Gegenanträge auftauchten, fanden die Vergütungspläne der Hypo Real Estate überraschend keine Mehrheit. Vermutet wird, dass der von internationalen institutionellen Investoren genutzte Stimmrechtsvertreter ISS gegen den Vorschlag gestimmt hat. Dies zeigt für SdK-Sprecher Peter Friedemann, dass internationale Anleger wie Hedgefonds sensibler geworden sind bei der Erhöhung der Managervergütung. Die SdK selbst hatte an den Plänen des Münchener Dax-Wertes nichts auszusetzen. Zwar lägen die Managerbezüge schon jetzt im oberen Bereich, aber "Spitzenleute sollten gut bezahlt werden", findet Friedemann.
Ausgabe Nr. 92 vom 13.05.2006, Seite 10 - Unternehmen und Branchen - 1065 Worte
|