"Eigentum ist Diebstahl": Der Ausspruch ist bekannter als der Mann, der ihn geprägt hat. Der vor 150 Jahren verstorbene Pierre-Joseph Proudhon war ein Ökonom, der sich v.a. gegen die Macht von Monopolen gewandt hat. Seine Ideen sind bis heute aktuell - und finden sich etwa in der Open-Source-Bewegung wieder.
Auch in der Diskussion um Allgemeingüter führen Spuren zu dem frühen Anarchisten, der am 19. Jänner 1865 in Paris gestorben ist. Darauf macht der Wirtschaftshistoriker Gerhard Senft in einem Interview aufmerksam.
science.ORF.at: Was hat Proudhon mit seinem Ausspruch "Eigentum ist Diebstahl" gemeint? Gerhard Senft: Eigentlich geht der Ausspruch gar nicht auf ihn zurück, sondern Proudhon übernimmt ihn von Jacques-Pierre Brissot de Warwille, den dieser während der Französischen Revolution geprägt hat. Die Auffassung von Eigentum ist viel differenzierter als der Spruch vielleicht nahelegt. Das Hauptproblem für Proudhon ist nicht der Besitz von Einzelnen, sondern das Monopoleigentum. Also jener Eigentumssektor, von dem aus wirtschaftliche Macht ausgeübt werden kann. Er knüpft bei Adam Smith an, der die Vorstellung eines breit gestreuten Eigentums hatte, und damit auch einer Dispersion wirtschaftlicher Macht. Diesen Grundgedanken übernimmt Proudhon, er erkennt aber als Mann des 19. Jahrhunderts, wie sich Monopole und Machtballungen ergeben, die er für problematisch hält.
Marx hat Proudhon als kleinbürgerlichen Sozialisten bezeichnet, charakterisiert das seine Ideen von Eigentum treffend? Es gibt schlimmere Kritik als "Kleinbürger", heute leben wir ja in einer breiten Mittelstandsgesellschaft. Ich sehe den großen Konflikt nicht zwischen Marx und Proudhon, sondern zwischen Proudhon und den Saint-Simonisten - den damaligen Staatssozialisten, die für eine Zentralisierung und hierarchische Strukturen in Wirtschaft und Gesellschaft eingetreten sind. Demgegenüber ist Proudhon mit seinen Vorstellungen von Regionalisierung und Dezentralisierung gestanden. Dieser Gegensatz zieht sich durch die gesamte Geschichte der Arbeiterbewegung. Was Marx betrifft: Seine ersten Ausführungen gegenüber Proudhon sind von Zuneigung geprägt. Er lobt seine Frühschriften, es kommt aber zu keiner Zusammenarbeit, die Marx angestrebt hat. Man darf nicht vergessen: Proudhon wird schon zu einem Zeitpunkt international rezipiert, als man Marx noch gar nicht gekannt hat. Proudhon schlägt die Zusammenarbeit aus, und von dem Zeitpunkt gibt es den Konflikt zwischen Proudhonisten und Marxisten - der sich dann fortsetzt in der Internationalen zwischen Bakunisten und den Anhängern von Marx und Engels, letztlich von Anarchisten und Kommunisten. ...
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