Das war ja mal eine nette Überraschung. Zwei Postings von Dir, beide ganz ehrlich, freundlich, sachlich, verständig, auf den Punkt. Bezüglich der "Motivlage" sogar exakt auf den Punkt.
Du hast völlig Recht mit der Annahme, dass ich Sorge habe, das Erreichte wieder zu verlieren. Das ist mir schon viel zu oft passiert. Wieviel besser etwa wäre ich gefahren, wenn ich Pfizer bei 20,70 gekauft hätte statt bei 23,20. Als PFE bei 20,70 stand, war ich, wie Du Dir vorstellen kannst, dick im Minus - und hab mich mal wieder über mich selber geärgert, nicht die nötige Geduld beim Abwarten einer Bodenformation aufgebracht zu haben. Aber aus Fehlern wird man halt klug. Ich hüte mich z. B., bei Intel jetzt ins fallende Messer zu greifen. Außerdem hab ich mir vorgenommen (ebenfalls ein Lerneffekt), in Euphoriezeiten grundsätzlich mein Aktien-Engagement zurückzufahren.
Meine Strategie ist nicht Momentum- oder Trend-orientiert. Ich kaufe ungern "Durchbrüche" nach oben, wenn diese nahe Allzeithochs liegen. Ich will aber nicht behaupten, dass dies keine effektive Strategie sie. Sie liegt mir nur nicht, vielleicht weil ich bei hohen Kursen nicht schwindelfrei bin.
Was ich bevorzuge ist, bei den im Schnitt alle 19 Monate auftretenden stärkeren Börsenkorrekturen (minus 10 bis minus 35 Prozent) im Tief, wenn der Pessimismus am größten ist, ein Portfolio aus heruntergeprügelten Standardwerten zu kaufen (vorzugsweise Banken und Versicherungen, die bei Börsentiefs am meisten nachgeben). Die halte ich dann solange, bis neue Euphorie ausbricht - wie jetzt. Es versteht sich von selbst, dass diese Strategie ZWINGEND VERLANGT, bei Hochs oder vermuteten Hochs auszusteigen. Nur dies gewährleistet, dass ich im Tief, wenn alle bluten, das Kapital habe, ihnen ihre dann ungeliebten Aktien abzukaufen. Mit dieser Strategie bin ich auch in der Zeit von 1998 bis 2000 gut gefahren (z. B. Kauf der HSBC im Tief der 2. Asienkrise).
Es geht - schlicht - um das Chancen-Risiko-Verhältnis. In Börsen-Tiefs haben Bankaktien oft ein KGV von 5 und eine Div-Rendite von 5 %. (Ich hab z. B. im März 2003 die HVB gekauft - für 7,90 E). Bei derartigen Unterbewertungen ist eine Verdoppelung fast garantiert. Commerzbank und Hypovereinsbank haben sich sogar seitdem verdreifacht, die Depfa verfünffacht.
Von 2000 bis 2004 war ich NUR an deutschen und europäischen Börsen aktiv, weil mir der Dollar unter EUR/USD = 1 viel zu teuer erschien. Das war, wie sich heute bestätigt, eine gute Entscheidung. Zurzeit aber ist der Dollar IMHO um 10 % unterbewertet, so dass mein Depot entsprechend Dollar-lastiger geworden ist. (Man kann an US-Börsen natürlich auch große deutsche Aktien wie SAP, Deutsche Bank usw. kaufen, sog. ADRs. Die hängen dann aber am Euro-Kurs. Sollte sich meine Vermutung bestätigen und der Dollar auf die Kaufkraftparität von EUR/USD = 1,09 steigen, gibt es auf US-Aktien noch einmal 10 % "gratis" obendrauf (in Euro gerechnet).
Ob ich deutsche, europäische oder US-Börsen bevorzuge, hängt also vom Dollarkurs ab. Sollte der Dollar wieder auf unter 1 gehen wie 2000, würde ich komplett in den Euro gehen und in USA nicht mehr handeln. Ich bin also auch bzgl. der Währungs-Risikos ein Antizykliker.
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