http://www.zeit.de/online/2006/01/iran_militaerisch In jüngster Zeit gehen wieder Spekulationen um, denen zufolge die Vereinigten Staaten oder Israel für das kommende Frühjahr präventive Luftangriffe auf iranische Nuklearanlagen planen. Dass das Atomprogramm des Iran auch militärische Zwecke verfolgt (und sei es nur, das Land zum potentiellen Kernwaffenstaat zu machen), daran ist ja auch nicht viel zu deuteln. Kann, soll man ihm daher die Nukleartechnik mit militärischen Mitteln aus der Hand schlagen?So etwas hat es schon einmal gegeben: Im Sommer 1981 zerstörten israelische Kampfflugzeuge den irakischen Atomreaktor „Osirak“. Genutzt hat die Attacke nicht viel. Der Reaktor eignete sich dazu, waffentaugliches Plutonium zu gewinnen, doch Saddams Nukleartechniker wussten sehr wohl, dass dies der kompliziertere Weg zur Bombe ist. Nach dem Luftangriff verlegte sich das irakische Regime vollständig darauf, Nuklearsprengstoff mittels Anreicherung von Uran herzustellen, also ohne Reaktoren, was überdies den Vorteil bot, sich nicht intensiv um die Konstruktion der Waffe selbst kümmern zu müssen. Uranbomben nach dem eher simplen „Kanonenkugel-Design“ setzen noch nicht einmal Tests voraus – man weiß einfach, dass sie funktionieren.Aus ebendiesem Grund ergäbe die gelegentlich diskutierte Zerstörung des russisch-iranischen Atomreaktors Busheer, militärtechnisch gesehen, wenig Sinn. Zumal er weitaus weniger als der damalige Saddam-Reaktor zur Produktion waffentauglichen Plutoniums in der Lage ist. Überdies dürfte es iranischen Ingenieuren schwer fallen, kurzzeitig bestrahlte Brennstäbe an den Russen vorbei aus der Anlage zu schmuggeln, um dann irgendwo (aber wo? Iran hat derzeit keine Wiederaufbereitungsanlage) die geeigneten Plutonium-Isotope herauszulösen. Nein, wenn im Zusammenhang mit Präventivschlägen von Busheer die Rede ist, dann nur deshalb, weil die Anlage relativ leicht zu treffen und zerschlagen ist – was, so geht das Kalkül, zwar die iranische Bombe nicht technisch, wohl aber politisch verhindern könnte: Der Luftangriff wäre ein Signal der Entschlossenheit, nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Etwas anders verhielte es sich im Fall der Atomanlagen in Isfahan und Natanz, die für zwei empfindliche Phasen des Herstellungsprozesses von angereichertem Uran vorgesehen sind, von dem Stoff also, der sich (je nach Anreicherungsgrad) für friedliche, aber auch für kriegerische Zwecke nutzen ließe. Die beiden Nuklearkomplexe sind mit Flugabwehrraketen gesichert und vor allem großenteils unter der Erde verbunkert. Das macht sie zwar nicht unangreifbar, aber der Erfolg einer Attacke mit konventionellen Raketen, mögen sie auch auf das Aufbrechen von Befestigungen spezialisiert sein, ist außerordentlich ungewiss. Wollten die Angreifer deshalb Atomsprengköpfe gegen diese Anlagen einsetzen, so könnten sie damit zwar die Gelände auf längere Frist unzugänglich machen – aber der politische fall out dürfte selbst die entschlossensten Falken in Washington abschrecken (und anzunehmen ist nicht, dass Israel einen solchen Schlag ohne amerikanische Rückendeckung unternehmen würde). Überdies wird weithin vermutet, dass bereits Ausweichquartiere für die chemischen Anlagen von Isfahan und die physikalischen von Natanz existieren.
Bliebe also nur die Option für einen konventionellen, rein politisch motivierten Militärschlag gegen Iran. Auch er hätte schwierige Voraussetzungen und schwerwiegende Folgen. Sollten die Israelis die Angreifer sein, so müssten sie den Luftraum der Türkei nutzen dürfen – was dort eine schwere Krise auslösen würde. Amerikaner könnten den Angriff zwar von Oman, Qatar, Kuwait oder Irak aus führen,mit Langstreckenbombern direkt aus den USA oder auch vom Stützpunkt Diego Garcia aus, aber sollten sie und nicht die Israelis handeln, dann müssten sie zuvor sehr viel Weltpolitik bewältigt haben. Es gälte dann nämlich zunächst, Verbündete zu gewinnen(Chirac?) sowie potentielle Kritiker nach Möglichkeit zu neutralisieren; das fiel schon vor dem Irak-Krieg schwer und dürfte diesmal noch schwieriger sein. Den Russen oder Chinesen braucht Washington mit so etwas gar nicht erst zu kommen. Und die Folgen? Das Regime würde die Popularität wiedergewinnen, die es im eigenen Land verloren hat, die Dritte Welt würde sich überwiegend mit ihm solidarisieren und die gerade wieder gesundenden transatlantischen Beziehungen müssten erneut in die Intensivstation.Fragt sich außerdem, wie Iran reagieren würde. Direkt militärisch, mit Angriffen auf Israel? Wohl kaum, dagegen steht (vermutlich) die Abschreckung seitens der USA. Indirekt, mit Hilfe der Hisbollah? Gut möglich. Beinahe sicher aber ist, dass Iran die koreanische Option ziehen würde: Austritt aus dem Atomwaffensperrvertrag. Das Ende aller Inspektionen durch die Internationale Atomenergiebehörde IAEA wäre die Folge, und damit, letztlich, sogar eine Beschleunigung des iranischen Atomprogramms. Just das also, was zu verhindern am Anfang all’ dieser martialischen Überlegungen steht.
Damit ist noch nicht gesagt, was denn die Alternative wäre. Sanktionen gegen Iran können schmerzhaft wie Nadelstiche sein, aber eben auch nicht mehr, solange der Ölexport uneingeschränkt weitergeht. Ihn zu reduzieren wäre wiederum eine Anstrengung der Importländer, die gemeinschaftlich sein müsste und eben deshalb wohl kaum zu leisten ist. Der Ölpreis ist schon hoch genug.
Was aber bleibt? Nicht viel, das muss man leider eingestehen...Diplomatie. Sie ist keine Lösung der Probleme, doch ohne sie wäre alles noch viel schlimmer. Richten muss sie sich gar nicht mal nur an den Iran selbst, sondern vor allem an Russland und China, an deren Rüstung Iran partizipiert und die sich bis dato geradezu wie Schutzmächte des Regimes in Teheran verhalten.
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