Bangkok 15.05.2010 Am Freitag verwandelte sich Bangkok in ein regelrechtes Kriegsgebiet. Nachdem die Armee bereits am Donnerstag begonnen hatte, die von den Demonstranten besetzten Gebiete abzuriegeln, kam es gestern zu den schwersten Ausschreitungen seit dem 10. April, dem sogenannten „Blutigen Samstag“. Die Zusammenstöße forderten bis jetzt mindestens 16 Todesopfer und 141 Verletzte. Unter den Verletzten war auch ein Journalist vom französischen Fernsehsender France 24, welcher von drei Kugeln getroffen wurde. Auch zwei thailändische Journalisten mussten mit Schussverletzungen ins Krankenhaus eingeliefert werden. Die Armee setzte Gummigeschosse, Tränengas und auch scharfe Munition gegen die Rothemden ein. Die Demonstranten beschossen die Sicherheitskräfte mit Molotow-Cocktails, selbst gebauten Raketenwerfern, M79 Granaten und scharfen Waffen.
Die Armee erklärte das Ratchaprarop Gebiet zur „live fire zone“, als die Kämpfe gestern eskalierten. Die Situation spitzte sich immer weiter zu, nachdem die Rothemden einen Armeetransporter kaperten und die sich bereits ergebenden Soldaten verprügelten und anschließend das Transportfahrzeug in Brand setzten. Zur Eskalation trug außerdem bei, dass am Donnerstag der „Militärchef“ der Rothemden Generalmajor Khattiya Sawasdipol, genannt Seh Daeng, von einem Scharfschützen angeschossen und lebensgefährlich verletzt wurde. Die Zusammenhänge des Anschlags sind bis jetzt ungeklärt. Alle Seiten beschuldigen sich gegenseitig. In Bangkok mehren sich die Stimmen, dass es sich bei den sich bekämpfenden Fraktionen nun nicht mehr nur um zwei Parteien handelt. Mehrere Führer der Rothemden betonten sie könnten die schwarz gekleideten Wacheinheiten, unter dem Kommando des extremistischen „Militärchefs“ Seh Daeng, nicht kontrollieren. Jene würden unabhängig von den Demonstranten agieren. Es wurde schon seit Längerem befürchtet, dass die ehemaligen Dschungelkämpfer des Generalmajors ihren eigenen Feldzug führen würden und Bangkok mit einer Terrorwelle überziehen könnten. So wird ihm der heimtückische Anschlag mit M79 Granaten an der Sirom Road, welcher ein Todesopfer forderte, zugerechnet. In Bangkok geht man davon aus, dass sich die Kämpfe noch das ganze Wochenende hinziehen werden. Im Ratchaprarop-Gebiet werden mindestens 5.000 verschanzte Demonstranten vermutet, zusätzlich mehr als 200 ehemalige schwarz gekleidete Ranger, welche über Schusswaffen und Granaten verfügen sollen. Bisher betonte die Regierung, dass die Sicherheitskräfte nur die Stellung halten und Blutvergießen verhindern wollten, und keine Räumung des Geländes planten. "Wir wollen unsere Stellungen halten und eine Konfrontation vermeiden", sagte Finanzminister Korn Chatikavanij der BBC.
Heute Morgen jedoch sagte der Armeechef, dass, sollte die Lage auch weiter so gewalttätig bleiben, die Sicherheitskräfte auch eine Stürmung des Gebiets noch an diesem Wochenende in Betracht zögen. Bis jetzt hatte man davon Abstand genommen, da man bei solch einer Operation eine Vielzahl an Todesopfern befürchtete, die die bisherigen Verluste wohl bei Weitem übersteigen würden.
Für Thailands Wirtschaft hat das Ganze gravierende Konsequenzen. Man geht davon aus, dass die Auseinandersetzungen die thailändische Wirtschaft bisher mindestens 2,5-3,5 Mrd. USD gekostet haben, Tendenz steigend. 100.000 Arbeitsplätze sind akut bedroht. Allerdings könnte die anhaltende Situation noch weiter reichende Folgen haben. Gestern hatte bereits Toyota angekündigt, aufgrund der instabilen Situation eines seiner Hauptwerke in Thailand zu schließen. Thailändische Wirtschaftsexperten befürchten, weitere Konzerne könnten folgen.
Ich konnte mir gestern selbst ein Bild der Lage machen, nachdem ich mit meinem Auto im Stau auf einer Highway-Überführung stecken blieb. So konnte ich von oben die Auseinandersetzungen beobachten. Bangkok gleicht im Moment wirklich einem Kriegsgebiet. Ich sah brennende Autos, überall war Rauch, Schüsse verschiedenen Kalibers und Explosionen waren zu hören. Ich konnte beobachten, wie ein Demonstrant auf anrückende Soldaten einen Molotow Cocktail warf und die Sicherheitskräfte dies mit Gummigeschossen beantworteten. Es ist eine Schande: die Tourismushochburg Südostasiens gleicht im Moment Belfast Anfang der 90iger Jahre. Das Leben in den Geschäftsvierteln ist beinahe völlig zum Erliegen gekommen und die Bevölkerung hat Angst, in die Innenstadt zu fahren da man nicht weiß, wo die nächsten Auseinandersetzungen stattfinden oder der nächste Terroranschlag zu erwarten ist. Jeder Einwohner Bangkoks hofft zurzeit, dass die streitenden Parteien anfangen, auf die Friedensmahner zu hören und die Kämpfe einstellen.
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