Die Glaskugel ist nur die Glaskugel. Es gibt zu viele Unsicherheiten, Ungewissheiten, welche eine Prognose erschweren.
Z.B. ist unklar, inwieweit Russland noch Reserven aufbieten kann. Z.B. ist unklar, inwieweit die Ukraine Reserven aufbieten kann und vor allem, mit welch Kampfkraft.
Es gibt Meldungen, dass den Russen die Waffen und vor allem Panzer auszugehen scheinen, vielleicht schon deutlich schneller als man angesichts der angeblich üppigen Depots erwartet hat. Es kann aber ebenso möglich sein, dass Russland noch viele Panzer irgendwo herumstehen hat und diese lediglich fahrbereit machen muss, d.h. eine Wartung, evtl. Reparaturen durchführen muss. D.h. es würde mich nicht wundern, wenn die ukrainische Armee die russische Armee vergleichsweise leicht in einer Offensive zurückdrängen kann, weil der russischen Armee schlichtweg die Zahl an notwendigen Kampfpanzern fehlt um der Offensive etwas entgegenstellen zu können und allein Infanteristen nicht ausreichen werden.
Das würde dann u.a. auch erklären, weshalb Militärblogger gefühlt fast schon Panik vor der ukrainischen Offensive verbreiten, weil sie vielleicht wissen, dass die russische Armee die Frontlinie eigentlich nur noch durch ihre massig vorgetragene Artillerie halten kann.
Es würde mich aber ebenso nicht wundern, wenn die ukrainische Offensive relativ früh stecken bleibt und sich zeigt, dass der ukrainischen Armee eben dann doch die erfahrenen Kräfte abhanden gekommen sind, man Mobilisierte mit ein paar Monaten Training nicht zu dem machen kann, welches eine koordinierte hochkomplexe Großoffensive erfolgreich durchführen kann.
Trotzdem bleibe ich bei meiner Meinung, dass man die russische Armee und Russland in seinen Fähigkeiten nach wie vor tendenziell eher überschätzt.
Ich denke nicht, dass Russland in der Lage ist, mittels Kriegswirtschaft die Produktion wie angekündigt binnen einem Jahr zu Vervielfachen. Die Vervielfachung wird sich wahrscheinlich auf einfache unpräzise Geschosse beschränken, doch deutlich mehr Panzer werden nicht vom Band rollen, so wie auch nicht deutlich mehr Präzisionsgeschosse produziert werden können. Da ist viel Propaganda dabei, viel Lug und Betrug, viel Korruption, da lügt man sich in die Taschen und gaukelt deutlich Mehr vor als man tatsächlich dann hat. So wie man es zu Zeiten der DDR auch gern tat.
Wenn ich aus Sicht Putins einen Krieg plane, über Jahre hinweg gezielt Devisenreserven aufbaue, um natürlich ggf. auch auf Kriegswirtschaft umstellen zu können, dann wäre es doch eigentlich selbstverständlich, dass man die eigenen Panzer fit macht und Nichts dem Zufall überlässt. Auch wenn Putin sicherlich von einem schnellen Durchmarsch nach Kiew ausging, so hatte er Jahre Zeit um sich dennoch bestmöglich vorzubereiten. Ich könnte mir da gut vorstellen, dass Putin zu seinen Militärs gesprochen hat, dass sie die Panzer fit machen sollen, die Militärs korrupt wie sie sind, zugesichert haben, dass 10000 Panzer jederzeit kampfbereit sind, was bei einem schnellen Durchmarsch nie aufgeflogen wäre. Doch durch den Verlauf des Krieges musste man dann feststellen, dass die Lager eben doch nicht so voll bzw. 10000 Panzer einsatzbereit sind. Also versucht man nun hektisch jeden irgendwie brauchbaren Panzer, den man finden kann, fahrbereit zu bekommen. Da sind eben keine Tausende von modernen Kampfpanzern mehr, die man für den Krieg verwenden könnte bzw. wollte. Denn man muss bedenken, dass die russische Armee einige ihrer besten Panzer im eigenen Land zur Verteidigung braucht, sich kein Land komplett nackig machen würde.
Dafür spricht u.a. die hektisch vorgetragene Großoffensive der russischen Armee, welche zunehmend weniger mechanisiert vorgetragen wird und kaum Erfolge erreichen konnte.
Das scheint mir eher so, als hätte man versuchen wollen, noch vor der ukrainischen Großoffensive einen strategischen Durchbruch erzielen zu können um der ukrainischen Großoffensive zuvorkommen zu können, wohlwissend, dass es um die eigenen Ressourcen zunehmend schlechter steht.
Wenn man bedenkt, dass der Westen vergleichbar wenig Panzer und Munition liefert, so wäre es doch wesentlich logischer, wenn Russland auf Zeit spielen und statt einer Großoffensive bzw. langangelegten Offensive eher in der Defensive geblieben, vielleicht sogar einen Waffenstillstand ins Gespräch gebracht hätte. Denn würde Russland mittels Kriegswirtschaft wirklich den großen Unterschied machen, so würde es wesentlich mehr Sinn ergeben, auf Zeit zu spielen und seine mobilsierten Soldaten ordentlich auszubilden als diese in weniger mechanisierten Angriffseinheiten vorschnell zu opfern.
Ne ne, das mit der Kriegswirtschaft wird nicht funktionieren wie gewünscht, die Produktion wird man an den entscheidenden Stellen nicht so leicht hochfahren können und so meine Vermutung, wird der Westen vielleicht sogar mehr Waffen und Munition liefern als es Russland nachproduzieren kann. Dann würde es Sinn ergeben, dass die russische Armee im Winter versucht eine Entscheidung unter hohem Einsatz herbeizuführen, weil dann die Zeit gegen Russland laufen würde.
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