Wenn ich diesen Thread durchlese, erkenne ich mich leicht wieder. Ich erkenne, wie ich letztes Jahr gedacht habe, wie mein Denken gefangen war zwischen "Housingkrise", "hyperbolischen Anstiegen", "Ende der Hyperliquiditäten", "Hedgefonds-Pleiten", "Goldilock- und Kriegsszenarien" oder "Ölpreisverdopplungen".
Die wenigsten sind short aufgrund einer rationalen Depotabsicherung. Die meisten sind short, weil ihr Gedankengebäude nur die negativen Nachrichten umarmt und ihre selektive Wahrnehmung die guten Nachrichten ausblendet. Sie fühlen sich einfach wohler, "dagegen zu halten" und misstrauen jedem Kursanstieg zutiefst. Für den "gefühlten" kommenden Einbruch finden sie immer neue Argumente und Quellen.
Dann gibt es einige wenige, denen geht es primär um die Selbstbestätigung ihrer Marktintelligenz und -überlegenheit und erst nachrangig darum, Geld zu verdienen. Das sind die, die glauben, den Markt vorhersehen zu können, nächste Woche, in einem Monat oder in einem halben Jahr. Sie sind Bär, weil sie sich von der Masse abheben wollen, weil sie es lieben, die Gegenposition argumentativ zu verteidigen, weil sie glauben, es besser zu wissen, als der Markt es so stümperhaft und unter Ignoranz ihrer langen (negativen) Faktenliste zustandebringt. Bei diesen geht es um's "Recht behalten", um das Beweisen analytischer Brillianz, um die Outperformance der unbelehrbaren, lemminghaften Masse.
Und dann dieser grausame Markt, der jeden Shortversuch so unbarmherzig bestraft, der mal eben 1300 DAX-Punkte anzieht, obwohl doch der gefühlte Nachrichtenfluss immer schlimmer wird. Andere verdienen gutes Geld und ziehen ihre Stoppkurse nach. Der in seinem Negativkreis gefangene Shorter antwortet mit Verschwörungsszenarien, Plunge Protection Teams, Marktmanipulationen im großen Stil oder (falls gar nichts mehr hilft) mit angeblichen zionistischen Finanzjongleuren, die ihm seinen Gewinn in bösartiger Absicht verweigern.
Jeden Bären aus diesem Thread könnte ich in seine jeweilige Gruppe einordnen, aber ich denke, das kann jeder selbst am besten. Lumpensammler hat's in Post#1972 ironisch auf den Punkt gebracht - ich versuche hiermit, das Gleiche etwas anders zu sagen: Befreit euch aus dieser psychologischen Wuthöhle der negativ ausgefilterten Nachrichten. Es gibt gute und sehr valide Gründe, warum der Markt mittelfristig nicht signifikant fallen wird, z.B.
- ist die Geldmenge M3 in der Eurozone per März07 um 11% gestiegen. Diese überschüssige Liquidität hat bislang nicht zu einer anziehenden Inflation geführt, wird aber weiterhin unzweifelhaft für Anlagedruck und Aktiennachfrage sorgen
- ist unter den derzeitigen US-innenpolitischen Kräfteverhältnissen und dem ressourcenintensiven Unterfangen im Irak nicht mit einem Angriff auf den Iran zu rechnen
- wird sich Öl preislich eher nach unten als nach oben bewegen
- wird die kommende Abgeltungssteuer bis Ende 2008 für immense Bewegungen am Finanzmarkt führen und für kontinuierliche und steigende Nachfrage nach der Anlageform Aktie/Aktienfonds führen
- haben die deutschen Unternehmen die letzten Jahre für eine nachhaltige Straffung ihrer Prozesse und Kostenbasis genutzt, die sich jetzt in gewinnwerten Wettbewerbsvorteilen niederschlägt
- sind wir objektiv nicht einer finalen Übertreibungsphase.
Ich habe mich selbst vor 6 Monaten dazu gebracht, meinen gefühlten Bärenkosmos mit der Wirklichkeit abzugleichen und den Negativkreis zu durchbrechen. Ich würde mich freuen, wenn man diesen Beitrag sachlich diskutiert.
OnceHush!
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