21.10.2003 - 11:00 Uhr Müller macht Commerzbank zum "Übernahmekandidaten Nr.1" - von vwd Korrespondent Frank Noetzel -
Frankfurt (vwd) - Die Commerzbank erkennt mittlerweile Licht am Ende des Restrukturierungs-Tunnels. Vorstandssprecher Klaus-Peter Müller hat das Institut mit seinem Sparkurs wieder an den Breakeven geführt. Sein Lohn ist, dass die Bank damit zum begehrtesten Übernahmekandidaten in Deutschland wird. Branchenführer wie die Citigroup, Credit Suisse oder Royal Bank of Scotland sprechen bereits offen über ihre Expansionspläne im deutschen Markt. Zwar sind Margen und Renditen hier noch schwach, aber der Kampf um die Pole-Position im Zukunftsmarkt Deutschland hat bereits begonnen.
Das Angebot an attraktiven Übernahmekandidaten im deutschen Bankenmarkt ist knapp. Die Deutsche Bank mit einer Marktkapitalisierung von gut 30 Mrd EUR dürfte für die meisten Käufer ein zu dicker Brocken sein. Außerdem ist die ausländische Konkurrenz eher an einem gut ausgebauten Filialnetz interessiert, die große Investmentsparte der Deutschen Bank wäre für sie daher nur ein Klotz am Bein. Die HypoVereinsbank sehen Branchenbeobachter noch tief in der Restrukturierung. Auch Klumpenrisiken im Kreditportfolio und die Sperrminorität der Münchener Rück trügen nicht zur Attraktivität des Instituts bei, heißt es. Bleibt die Commerzbank.
Zeitfenster für Commerzbank-Kauf jetzt geöffnet
Müller hat bei dem Institut auf der Kostenseite kräftig aufgeräumt und den Fokus der Bank unter anderem mit seiner Mittelstandsoffensive geschärft. "Was vor kurzem noch wie ein Gemischtwarenladen daherkam, nimmt jetzt Profil an", heißt es anerkennend in der Branche. Das Vorsteuerergebnis im ersten Halbjahr 2003 sieht mit gut 200 Mio EUR entsprechend freundlicher aus als das Minus von rund 370 Mio EUR für das abgelaufene Geschäftsjahr.
"Genau jetzt öffnet sich das Zeitfenster für eine Übernahme der Commerzbank", heißt es unter Analysten. Die Knochenarbeit der Restrukturierung sei weitgehend erledigt, ohne dass der Börsenwert bereits in die Höhe geschossen sei. Die Marktkapitalisierung des Instituts liegt trotz der vollzogenen Trendwende mit rund 7,5 Mrd EUR noch unter seinem Buchwert. Wer ein gut ausgebautes Filialnetz und eine starke Marke in Deutschland suche, sei mit der Commerzbank bestens bedient, empfehlen die Experten.
Citigroup könnte Commerzbank aus der Portokasse kaufen
Der Branchenprimus Citigroup sondiert bereits den Markt: "Ich habe den Eindruck, dass die Citigroup ihr Engagement in Deutschland verstärken will",plauderte Hessens Ministerpräsident Roland Koch kürzlich nach einem Gespräch mit Chairman Sanford Weill. Der Bankenriese mit einer Marktkapitalisierung von über 200 Mrd USD könnte die Commerzbank aus der Portokasse kaufen, scherzen Branchenbeobachter.Da die Citigroup mit der Citibank im deutschen Retailmarkt bereits sehr erfolgreich positioniert ist, wäre zumindest das starke Mittelstandsgeschäft der Commerzbank für sie eine optimale Ergänzung.
Eine harmonische Verbindung trauen die Analysten dem US-Konzern und der Commerzbank aus dem "alten Europa" trotzdem nicht zu. "Die Kultur der beiden Häuser ist einfach zu verschieden", heißt es. Zentrale Mitarbeiter der Commerzbank würden dem Haus den Rücken kehren - und das sei der Tod jeder erfolgreichen Bankenübernahme. "Nur wer die Top-100-Köpfe einer Bank halten kann, hat eine Chance auf eine erfolgreiche Integration", so ein M&A-Experte.
Traumpartner wäre Royal Bank of Scotland
Zum Traumpartner der Commerzbank kürt die Analystengemeinde die Royal Bank of Scotland. Bei diesem Paar wären die Kulturen kompatibel, auch die Geschäftsstruktur der beiden Häuser gilt als vergleichbar. Die Finanzierung der Übernahme dürfte für die Schotten bei einer Marktkapitalisierung von rund 70 Mrd EUR zügig zu realisieren sein. Sie müssten dennoch langfristige und ernsthafte Absichten mitbringen, so Branchenkenner. Für ein schnelles Vergnügen sei die Commerzbank die falsche Braut, denn mit ihrer international immer noch schwachen Kosteneffizienz verdirbt sie ihrem Zukünftigen erstmal gründlich die Eigenkapitalrentabilität.
Eine operative Aufwandsquote von 45 Prozent, wie sie die Royal Bank of Scotland vorlegt, können sich selbst die phantasievollsten Analysten für die Commerzbank nur schwer vorstellen. Müller hat die Bank mit seinem Sparkurs im ersten Halbjahr 2003 mühsam auf rund 70 Prozent gedrückt. Das Potenzial auf der Kostenseite sei damit erschöpft. "Die kriechen jetzt auf dem Zahnfleisch, jede weitere Streichung ginge an die Substanz", so ein Beobachter. Das Zurückfahren der Risikoaktiva um mehr als ein Viertel innerhalb von zwei Jahren habe die Erträge bereits kräftig zusammenschmelzen lassen, die Einnahmen müssten jetzt zumindest stabilisiert werden.
Übernahmeprämie nur mit "strategischen Visionen" zu rechtfertigen
Die in einer Übernahme erzielbaren Synergien sind begrenzt. Lediglich einige Corporate Center wie Backoffice oder IT-Services könnten zusammengelegt werden und die operative Aufwandsquote der Commerzbank um fünf bis zehn Prozentpunkte drücken, schätzen Analysten. Die Effizienzlücke zur Royal Bank of Scotland könnte nur über deutliche Ertragssteigerungen erzielt werden. Und dass die Kunden plötzlich vor der Commerzbank Schlange stehen, nur weil sie von der Royal Bank of Scotland übernommen wurde, sei kaum zu erwarten.
Selbst Fred Goodwin, CEO der Royal Bank of Scotland, könnte es also schwer fallen, eine Prämie für den Kauf der Commerzbank vor seinen Aktionären zu rechtfertigen. Ein Aufschlag von 35 Prozent, wie ihn McKinsey als Durchschnitt für Transaktionen zwischen europäischen Banken schätzt, könnte vom Schotten-CEO wohl nur über "strategische Visionen" als wertsteigernd verkauft werden. Spätestens seit dem Zusammenbruch der New Economy liege den meisten Investoren allerdings die Dividende von morgen mehr am Herzen als "strategische Visionen", so Branchenkenner.
"Wer sich jetzt nicht positioniert, hat das Rennen bereits verloren"
Solch eine Vision wird allerdings ein anderes Gewicht bekommen, wenn sich kräftigere Strukturveränderungen in der deutschen Bankenlandschaft abzeichnen. Das Ende der Gewährträgerhaftung ab 2006 gilt als erster Meilenstein. Wer den Atem hat, auf die Branchenkonsolidierung und steigende Margen zu spekulieren, kann jetzt günstig einkaufen, empfehlen Analysten. Die Commerzbank mit ihrer aktuell komfortablen Kernkapitalquote von rund 7,7 Prozent biete schließlich erhebliches Expansionspotenzial, das bei steigenden Margen rentabel genutzt werden könnte.
Wenn ein großer Player anfängt zu kaufen, geht es Schlag auf Schlag weiter, sind sich die Analysten einig. Dieser Sog speist die aktuellen Übernahmephantasien trotz schwacher Margen im deutschen Kreditgewerbe. Da weder Übernahme noch Integration von heute auf morgen zu bewältigen sind, ist der Startschuss für Akquisitionen bereits gefallen. Branchenbeobachter warnen: "Wer sich jetzt nicht positioniert, hat das Rennen bereits verloren." Und ein Commerzbank-Kauf könnte die Pole-Position sichern. vwd/21.10.2003/fnö/zwi
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