Quelle: F.A.Z.
Vivacon-Objekt Rheinauhafen
01. April 2009 Wer erinnert sich nicht mehr daran: In den Jahren 2005 und 2006 versuchten verschiedene Anlagegurus und deutsche Immobilienunternehmen die damals noch vorherrschende Immobilieneuphorie aus den angelsächsischen Staaten auch auf den deutschen Markt zu übertragen.
Der deutsche Markt sei ein Nachzügler hatte es damals geheißen. Es sei jedoch nur eine Frage der Zeit, bis auch hierzulande die Immobilienpreise nach oben laufen würden.
Vivacon rechnet aufgrund von Bewertungsanpassungen mit einem Verlust in 2008 Visualisierung des Rheinaufhafen-Projekts
Visualisierung des Rheinaufhafen-Projekts
Einzelne Unternehmen nutzten die Gunst der Stimmung und wiesen damals unter Ausschöpfung aller nur denkbaren buchtechnischen Möglichkeiten hohe Gewinne aus. Die Aktien der börsennotierten Unternehmen reagierten darauf mit massiven Kursgewinnen.
Die Anteilsscheine von Colonia Real Estate stiegen von 2005 bis in den April des Jahres 2005 um mehr als 4.000 Prozent und die Papiere der Immobiliengesellschaft Vivacon konnten von 2005 bis Mai des Jahres 2006 Kursgewinne von bis zu 750 Prozent verbuchen. Danach kam jedoch rasch die Ernüchterung. Alleine vom Mai des Jahres 2006 bis in den Juli desselben Jahres verloren die Anteilsscheine bis zu 70 Prozent ihres Wertes, nachdem sich einmalige buchtechnische Gewinne nicht mehr wiederholen ließen.
Danach kam es zwar noch einmal zu einer Zwischenerholung, bevor sich ein robuster Trend entwickelte. Der war und ist jedoch negativ und führte von knapp 31 auf zuletzt gerade noch 1,89 Euro je Aktie - ein Minus von knapp 95 Prozent des damaligen Restwertes. Am Mittwoch geht der Kurs noch einmal deutlich weiter nach unten. Die Papiere geben im frühen Handel knapp elf Prozent nach.
Der Grund ist einfach auszumachen: Das Unternehmen rechnet für das abgelaufene Geschäftsjahr mit einem Verlust von bis zu 170 Millionen Euro. Der Fehlbetrag dürfte sich 2008 in einer Bandbreite von 160 Millionen bis 170 Millionen Euro bewegen, teilte die Kölner Firma am Dienstag nach Börsenschluss mit. Ursächlich hierfür seien im Wesentlichen Abwertungen auf die Wohnimmobilienportfolios und die Marktbewertung von Zinssicherungsinstrumenten. Das heißt, derselbe buchtechnische Prozess, der die Aktien zuerst nach oben geführt hatte, läuft nun rückwärts.
Zudem habe Vivacon Portfoliotransaktionen aufgrund zurückgezogener Finanzierungen auf Seite der Transaktionspartner und Erbbaugrundstücksakquisitionen wegen nicht eingetretener grundbuchrechtlicher Voraussetzungen rückabgewickelt. Diese Sondereffekte sowie weitere Einmaleffekte belasteten das Konzernergebnis mit etwa 140 Millionen Euro. Daher werde auch auf die Zahlung einer Dividende für 2008 verzichtet, teilte das Unternehmen mit. Außerdem wurde angekündigt, dass sich die Veröffentlichung der endgültigen Geschäftszahlen verschieben werde.
Das Unternehmen muss sich das Vertrauen der Anleger erst wieder erarbeiten
Das beeinträchtigt das Vertrauen in das Management des Unternehmens zusätzlich. Die deutschen Immobilienfirmen sind nicht erst im Rahmen der Finanzkrise in die Defensive geraten, sondern sie standen schon zuvor mit dem Rücken zur Wand. Denn der deutsche Markt gab und gibt einfach nicht die spekulative Phantasie her, die in anderen Staaten aufgrund der flexibleren Märkte zumindest zeitweilig möglich sind. Die Folgen lassen sich in den angelsächsischen Staaten gerade in ausgeprägter Form sehen.
Vivacon hatte selbst seine Gewinnprognose von 60 Millionen Euro kassiert und keine neue mehr gewagt. Wegen der düsteren Geschäftsaussichten auf dem Wohnungsmarkt hatte sich Vivacon ein drastisches Sparprogramm verordnet. Stellenstreichungen sind geplant, Niederlassungen sollen geschlossen werden. Schon im Dezember hatte der damalige Vorstandschef Michael Jung die Konsequenzen aus dem „Erfolg“ des eigenen Tuns gezogen und war zurückgetreten. Auf den im Januar neu angetretenen Vorstandschef Eckhard Rodemer kommt die große Aufgabe zu, das Vertrauen der Anleger wieder zu gewinnen.
Bei sauberer Struktur, solider Finanzierung, ebenso solidem Management und bei vernünftigen Erwartungen können Immobilienwerte wieder auf Interesse der Anleger stoßen. Immerhin haben sich die Aktien der Colonia Real Estate seit Januar verdoppelt. Vivacon dagegen muss genau das erst noch beweisen. Gewinnschätzungen sind bis auf weiteres Makulatur.
Die in dem Beitrag geäußerte Einschätzung gibt die Meinung des Autors und nicht die der F.A.Z.-Redaktion wieder.
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