In der Schuldenfalle
Von Lothar Späth
Der Wunsch nach einem schnellen Ende der deutschen Wirtschaftskrise beschwört wieder die alten Geister herauf. Als Argumentationshilfe dient zurzeit unser Nachbar Frankreich, dessen Wachstumsraten seit 1995 immer über den unsrigen lagen. Seit Ende letzten Jahres, als sich die Wachstumslinien beider Nationen kurzzeitig fast berührten, driften ihre Werte wieder auseinander.
Der Grund dafür scheint im inländischen Konsum zu liegen. Der hat in Deutschland seit 2002 nur in sehr geringem Maße zugenommen. In Frankreich hingegen lag das Wachstum auf Grund verschiedener wirtschaftspolitischer Maßnahmen bei 1,5 Prozent und wird wohl weiter auf 1,7 Prozent steigen.
Aus diesem Vergleich zieht etwa Joachim Volz vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) die Lehre: „Frankreich ist das beste Beispiel dafür, dass noch weitere Lohnzurückhaltung nichts bringt.“ Ein Lohnzuwachs im Rahmen der Produktivitätssteigerung sei vertretbar. Deutschland liege deutlich darunter.
Dem (DIW) muss man zunächst einmal Folgendes erwidern:
Die permanente Ausschöpfung der Produktivitätszuwächse trägt einen gehörigen Anteil der Verantwortung dafür, dass in Deutschland die Arbeitslosigkeit im unteren Lohnsektor stetig zugenommen hat. Anstatt Unternehmern durch die Beibehaltung einer gewissen Differenz Anreize zu Neuanstellungen zu geben, hat man sie bei jeder Tarifrunde gezwungen, die Rationalisierungsschraube anzuziehen. Dies mit Blick auf die hohe Arbeitslosigkeit einmal nicht zu tun, ist sicherlich kein Fehler. Eine Wirkung wird das freilich erst mit der Zeit haben können.
Des Weiteren ist bekannt, dass der Konsum sich nicht einfach auf Grund einer leichten Lohnerhöhung steigern lässt. Gerade Keynesianer müssten wissen, dass der alles entscheidende Faktor nicht der Geldbeutel der Menschen ist. Es sind letztendlich die E r w a r t u n g e n der Verbraucher, die über eine Erhöhung der privaten wie auch gewerblichen Ausgaben entscheiden. Solange wir aber unsere Probleme nicht mit glaubwürdigen Reformen angehen, wird es auch nicht mehr Konsum geben.
Um allerdings in verschiedenen unter Druck geratenen Industriezweigen durch Lohnkürzungen keine Ausbremsung des laufenden Konsums zu bewirken, war meine Empfehlung immer, nicht den Monatslohn zu kürzen, sondern die Wochenarbeitszeit zu erhöhen. Ich halte das nach wie vor für einen guten Ansatz, der sich ja auch bei der Lösung vieler Probleme zunehmend abzeichnet.
Was aber ist von dem französischen Weg zu halten? Sind uns in Sachen Wirtschafts- und Tarifpolitik die Franzosen tatsächlich einen Schritt voraus, oder hinken sie uns in Wahrheit einen Schritt hinterher?
Anders gefragt:
Ist die Förderung des privaten Konsums ein Weg, der in eine sichere Zukunft führt?
Für Deutschland ist er es nicht, und er führt auch Frankreich in die Sackgasse. Die einfache Forderung nach Ankurbelung des privaten Konsums, damit in dessen Folge die Unternehmen wieder investieren, mehr Gewinne machen und mehr Mitarbeiter anstellen, die dann wiederum mehr Geld zur Verfügung haben und es ausgeben, stand seit jeher dem persönlichen Erfahrungsschatz des durchschnittlichen nicht keynesianisch gebildeten Bundesbürgers entgegen. Eine Schraube, die sich theoretisch endlos nach oben drehen lässt, gibt es nicht. Dass eine künstliche Forcierung des Konsums irgendwann zu ernsthaften Problemen führt, darf deshalb niemand verwundern.
Stattdessen werden wir uns langsam der Tatsache bewusst, dass unsere Gesellschaft insgesamt jahrzehntelang über ihre Verhältnisse gelebt hat.
Spätestens seit den siebziger Jahren ging der rasante Anstieg unseres Konsums nämlich einher mit einem ebenfalls außerordentlichen Anstieg der öffentlichen Verschuldung und einer stetig wachsenden Belastung unserer Sozialversicherungskassen. Gleichzeitig wurde die öffentliche Verwaltung aufgebläht und hat auf diese Weise das Wachstum der Arbeitslosigkeit lange Zeit versteckt.
Die so ungeheuer wichtige Frage der Generationengerechtigkeit haben wir zudem viel zu lange verdrängt. Ebenso wie die Tatsache, dass wir alle für das Alter zusätzliche Rücklagen, nicht zuletzt für die Pensionen unserer Beamten, benötigen.
Ich gebe es neidlos zu: Lothar Späth kann es einfach am besten und kürzesten fomulieren.
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